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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 1.1866

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Heft 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.49709#0295
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289

Das Buch für Alle.

Es ist bestimmt in Gottes Nath.
Novelle von Kugo Aelöermami.
(Fortsetzung.)


Ms

er Tag, an dem
die „große Heu-
schreckenwolke"
(wie Adelma,
mit Dank für ge-
wordene Einla-
dung und zu-
gleich mit gehei-
mer Ankündi-
gung des nach-
kommenden jun-
gen Horst, an Henrika berichtet hatte) „sich gen Thüringen
auf die Eisenbahn lagern" sollte, rückte heran.
Ach, war das eine Arbeit bei Achners! Was mußte
nicht Alles mitgenommen werden! Dorchen hatte alle Hände
voll zu thun und appellirte vergeblich an die Hülse Adel-
ma's. Diese ging solchem „Rummel," wie sie es nannte,
gern aus dem Wege, und wurde überhaupt, nachdem sie,
wie immer, Alles auf die letzten Tage verschoben, gar
nicht mit den eigenen Reisevorbereitungen fertig. Mit der
Kleider-Auswahl wollte es nimmer vom Fleck; die schön-
sten waren lange nicht schön genug, und wenn die einen
ausgewählt und die andern verschmäht waren, fand sie
letztere doch eigentlich noch geschmackvoller. Und dann
warf sie in halber Verzweiflung alle wieder durcheinander
und hätte am liebsten ihre ganze große Garderobe mitge-
schleppt. Aber da wäre sie beim Herr Rath schön ange-
kommen. Im grünen Gras, hatte er oft gesagt, im Wald
und auf der Heide, unter'm Laubgezelt oder auf Berges-
höh' muß man nicht wie ein Pfau umherstolziren. Hübsch
einfach hell, das sieht bei Butterbrod und Käse, Milch
und Forellen unendlich vornehmer aus, als bauschige Seide
und sonstiger Schnickschnack. Aber sie konnte doch nicht
wie ein Bauernmädchen gekleidet gehen. Was würde Hall
dazu sagen!
Sie kam wahrhaftig zu keinem Entschluß. Und oben-

drein .war Mama nicht ganz wohl, hütete das Zimmer,
und durfte mit diesen „Lappalien," wie Toctor Vanden-
hardt, der alte grobe Dickkopf, kurzweg entschied, durchaus
nicht belästigt werden. Im Gegentheil, das Fräulein mußte
öfters zu ihr gehen, sollte ihr stundenlang, auf Befehl des-
selben Dickkopfs, etwas recht Heiteres vorlesen. Und dann
war der Tag herum, und wieder einer, und noch immer
war nichts eingepackt. Sie kam sich oft schrecklich lieblos
gegen das gute Mütterchen vor und machte sich bittere
Vvrwürfe, daß sie keine Ruhe noch Rast am Sessel der
Mama fand und ihr das bevorstehende Vergnügen wichti-
ger sei als die Gesundheit derjenigen, die ihr Ein und
Alles hätte sein sollen. Ihre Verstimmung wuchs und sie
war recht sehr unglücklich. Frau Albertine sagte nichts,
aber sie seufzte oft und sah das venvirrte Mädchen ein-
mal mit so traurigen Blicken an, daß das arme Kind in
lautes Weinen ausbrach. Dabei blieb die Arbeit denn
erst recht liegen, und endlich mußte wirklich das vielgeplagte
Dorchen herüberkommen und mußte ihr vorzählen: dies
Kleid nimmst Du mit und dies bleibt hier, und dies muß
noch rasch zur Nähterin, und dies muß noch schleunigst ge-
waschen werden. Mein Gott, was willst Du denn im
Walde mit sechs Kiünolinen? und eine ganze Waschmange
voll — nein, so etwas lebt aber nicht — das sind ja
sammt und sonders dicke Winterstrümpfe! Bist Du denn
ganz von Sinnen? Und all' die Hemden! Gewiß, da kann
ich keins von hier lassen, Dorchen. Wirklich nicht? Willst
Du denn jeden Tag drei Paar reine Hemden anziehen?
So ging das in einem fort und endlich warf sich
Adelma todtmüde in die Waschmange mit den Winter-
strümpfen und verfiel in vollständige Apathie. Dhu' was
Du willst, Dorchen, nimm mit und laß hier, was Du
meinst — ich kann mich nicht mehr drum bekümmern. Der
Kopf ist mir ganz wüst und meine Gedanken —
Ja, Deine Gedanken! wiederholte, die Freundin. Ich
weiß wohl, wo die sind. Aber Alles zu seiner Zeit! Trink


Buch für Alle. 1866. X.

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