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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 1.1866

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.49709#0263
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Das Luch für Allc.

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Es ist bestimmt in Gottes Nath.

Novelle von Kugo Acllicrmann
(Fortsetzung.)




on seinem gefährlichsten Nebenbuhler war
/ ! Daniel nichts bekannt; dagegen empfand
< Xt er eine fülle Wuth gegen Anselm Horst,
?! H» der seinem Julius das Versprechen gege-
ben, Adelma nicht aus den Augen zu
-HM lassen und der sich in Folge dessen, be-
/ x Hufs häufigeren Verkehrs im Hause, er-
) boten hatte, Adelmans Pianofortespiel zu
leiten, was von Mutter und Tochter dank-
bar angenommen wurde. Denn Anselm
Horst war trotz seiner Jugend schon eine musikalische Au-
torität im Ort und die rechte Hand des städtischen Musik-
direktors, in dessen Kapelle er seinem Beruse oblag. Drei-
mal wöchentlich kam Anselm herüber; meist holte er Dorchen
zuvor bei Achners ab, welche, obwohl selbst unmusikalisch,
seit einiger Zeit eine leidenschaftliche Vorliebe für die „gött-
liche Musik", wie sie sagte, gefaßt hatte. Sie setzte sich
mit ihrem Nähzeug immer so, daß sie Anselms Stirn be-
wundern konnte, die sie eine „Choralmelodie", einen an
Sebasüan Bach'sche Kirchenmusik erinnernden Hymnus
nannte. Adelma meinte zwar, ein solcher Unsinn sei ihr
noch nicht vorgekommen, und frug Anselm einmal, wie ihm
diese Tollheit gefiele.
Gut; war seine Antwort. Die Art und Weise sei-
nes füllen Wesens übte immer eine eigene Gewalt über
Adelma.
Sind Sie denn eitel? frug sie.

.! Ich hoffe nicht. Diese Stirn ist nicht mein Werk —
sie ist das Werk dessen, der uns Alle erschuf und dem Se-
) bastian Bachs Genius seine herrlichsten Töne weihte. Wenn
ne also an diesen Tonkünstler erinnert, so kann sie nur
X edle Gefühle und erhabene Gedanken einflößen, und wenn
Fräulein Dorchen in meiner Gegenwart etwas dergleichen
empfindet, sollte ich mich darüber nicht sreuen? Wie meinen
Sie, Fräulein v. Achner?
Dorchens Antlitz färbte sich purpurn, als sie scheinbar
gleichgültig sagte: Ich meine es so, wie Sie es meinen.
Sie sehen, wir sind einverstanden, Fräulein Fels.
Adelma sah Beide forschend an. Ihr seid verliebt,
meinte sie treuherzig-taktlos.
Dorchen stand auf und ging hinaus. Dabei überraschte
sie den Herrn Verwalter Schallhorn, der an der Thüre ge-
lauert hatte und nun eiligst verschwand. Dorchen kam
seitdem nicht mehr in die Uebungsstunden. Ihren Platz
nahm jetzt regelmäßig Frau Fels ein, obwohl sie wußte,
daß bei Anselms Charakter und seinem Verhältniß zu
Julius eine solche Vorsicht überflüssig sei. Aber das liebe
Geschwätz! es sah ja kein Mensch dem Mädchen ihr grü-
nes Mer an, und der eifersüchtige Daniel hatte dafür ge-
sorgt, daß ein gewisses „Gerede" zu den Ohren der Mama
gekommen.
In dieser Weise, mit wenig Veränderung, verflossen die
Monde und schlossen sich zu Jahren aneinander. Zweimal
im Jahr, im Frühling und Herbst, brachte Julius seine
Ferien im elterlichen Hause zu und war natürlich ein fast
täglicher Gast in der Apotheke. Er begleitete Frau Al-
bertine und Adelma auf Spaziergängen; besonders erstere,
denn das junge Mädchen entzog sich ihm noch immer, wo
es irgend anging. Man machte weitere Ausflüge in die
herrliche Umgebung und dann schlossen sich Anselm und
Dorchen regelmäßig, Herr und Frau v. Achner je zuweilen

Buch sür Alle. 1SSS. IX.

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