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Heft 4. Illnstvirte FamrNen-Zertung. Zahrg. ms.


Roman


ungleiche Ehen geschlossen worden und werden voraus-
sichtlich noch so viele geschlossen werden —"
„Aber keine glücklichen!" unterbrach ihn sein Vater
heftig.
„Du siehst zu schwarz.
„Willst Du mich darüber belehren?" fuhr ihn Graf
Tito an.
Graf Severo schien einen solch' heftigen Widerstand
bei seinem Vater gegen seine Absichten nicht erwartet
zu haben. Er mochte sich sagen, daß es ganz aussichts-
los sei, jetzt, wie er sich vielleicht vorgenommen hatte,
ganz mit seinen Wünschen in Bezug auf seine Ver-
heirathung hervorzutreten. Wenn er jetzt seinem Vater
sagen würde, daß er allen Ernstes beabsichtige, die
Tochter einer Gemüsehändlerin in Trastevere zu hei-
rathen, so mußte er riskiren, daß er ihn ohne Weiteres
außer Landes schickte, um diese Leidenschaft zu Assunta
in ihm zu zerstören. Das wollte Severo natürlich nicht.
Andererseits mochte er wohl vielleicht hoffen, mit der

Erzherzog Wikhctm von Oesterreich ff.
Nach einer Photographie von V. Angerer in Wien. (S. 91)

Achtes Kcrpitet.
Zoppo saß auf einem der beiden stei-
neren Löwen, die vor dem Palazzo d'Artig-
nano als Prellsteine standen, und wartete
auf Don Pasquale. Er machte eine ziem-
lich behagliche Miene, ließ sich von der Sonne
bescheinen, verdaute in aller Ruhe, was in
der Küche des Palastes für ihn abgefallen
ivar, und dachte darüber nach, wie schön
die Welt doch im Ganzen ist, wenn man
etwas Ordentliches im Magen hat. Seit
langer Zeit hatte sie ihm nicht mehr so gilt
gefallen, ja, es hatte sogar Zeiten gegeben,
wo sie ihm entschieden mißfallen, wo er

Lassen wir meine Mutter aus dem
weil es meine Mutter ist,"
langsamer.

oorr
Woldrrnar Urban.
(Fortsetzung.)

Zeit auf eine gelindere Stimmung bei seinem Vater zu
stoßen. Was Niemand erzwingt, "das erzwingt bekannt-
lich die Zeit, und von dieser hoffte Severo auch,
daß sie seinen Vater von seinem Vorurtheil bekehren
würde.
Mit keinem Gedanken dachte er aber daran, in
Berücksichtigung des Einspruchs seines Vaters Assunta
aufzugeben. Das fiel ihm gar nicht ein. Für ihn
handelte es sich lediglich darum, auf welche Art er
diesen Widerstand besiegen könne. Denn daß er ihn
besiegen mußte — so oder so — das war für ihn aus-
gemacht. Die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes
schwebten ihm jetzt freilich erst unklar und dunkel vor.
Er wechselte also das Gesprächsthema, sprach von
gleichgiltigen Dingen und verließ seinen Vater nach
einer schicklichen Weile.
Graf Tito durchschaute die Absichten seines Sohnes
sehr wohl. Er kannte ihn ja so genau, wie sich selbst.
Sein Sohn Severo, das war ganz er selbst, wie er
vor dreißig Jahren in den Liebesbanden
der hübschen Schauspielerin Maria Sondrini
geschmachtet hatte. Sein Gang, seine Ge-
stalt, sein Gesicht, seine Denkweise — ganz
genau er selbst. Warum Hütte er also nicht
sehen sollen, was sein Sohn beabsichtigte
und wünschte.und dachte?
Tief und schwer seufzte er auf, als
Severo ihn verlassen. Wer mochte das
Mädchen sein, die den Sohn in ihren Ban-
den hielt? Was für neue Kämpfe standen
dem Vater bevor?
Der alte Mann trat zum Fenster und
schaute hinunter auf die Straße, wo die
Menschen unaufhörlich, endlos wie ein
Strom, vorbeirauschten.
„Die Anderen haben Recht!" seufzte er
endlich auf. „Nicht die Artignano sind
ewig, o nein! Wir sind vergänglich, wie
die Jahreszeiten, wie die Völker, wie der
Hauch auf der Lippe des Sterbenden. Aber
die Menschheit ist ewig, die Menschheit mit
ihren ewigen Tugenden und Fehlern, mit
ihren Mängeln und Vorzügen, ihrem Hoffen
und Wünschen, Streben und Sehnen — sie
ist ewig! Tie Menschheit ist wie ein Strom,
dessen Wellen, Strudel, Abstürze sich immer
gleich bleiben — in Ewigkeit!"

(Nachdruck verboten.)
ras Tito hatte mit den letzten Worten
einen sehr ernsten Ton angeschlagen, und
auch sein Sohn Severo war unwillkür-
lich einen Schritt zurückgetreten und
hatte die Stirn in dicke Runzeln gezogen.
Spiel
sagte er etwas leiser und
„Ich sage nichts gegen
Deine Mutter, wenigstens nicht zu Dir,
denn Du bist ihr Sohn so gut wie meiner,
sondern nur gegen eine Mesalliance. Se-
vero! Solltest Du schon gewählt haben?
Und unglücklich gewühlt haben?"
„Und wenn das wäre?"
Heftig erhob sich sein Vater und schleu-
derte die Kissen wüthend von sich.
„Nun, Severo," rief er laut und zornig,
„so will ich mit meiner Meinung über
Deine Zukunft nicht zurückhalten. Du sollst
sie klar und deutlich hören. Du siehst, ich
bin ein alter, kraftloser Mann, der auf der
Welt wohl nicht mehr viel zu suchen hat.
Mein Platz in der Gruft ist schon aus-
gemauert. Er wartet auf mich. Aber den
letzten Blutstropfen, das letzte Fünkchen
Lebenskraft werde ich aufwenden, um Dich,
meinen Sohn, vor einer Dummheit, vor
einem Unglück zu bewahren, wie ich es
einst eingerichtet habe zu meinem eigenen
Schaden. — Hörst Du? Ich will nicht
wissen, was Du zu sagen hast. Du sollst
schweigend auf Deinen Vater hören, der
die bittersten Erfahrungen des Lebens hin-
ter sich hat und eher sein Herzblut opfern
wird, als Dich in dieselben Fallen stürzen
zu sehen, in denen ich mein Glück verlor.
— Severo! So lange ich lebe, wirst Du
keine andere Ehe eingehen, als eine standes-
gemäße!"
Graf Tito hatte mit äußerster An-
strengung und vor Aufregung zitternder
Stimme gesprochen. Nun sank er keuchend
und ermattet wieder auf sein Lager zurück.
Der alte, weißhaarige, vornehme Edel-
mann machte einen ehrwürdigen Eindruck,
dem sich auch Severo für einige Augen-
blicke nicht entziehen konnte. Scheu und
verdutzt schwieg er einen Moment; dann
sagte er mit vorsichtiger Betonung und mit
großem Respekt:
„Es sind im Leben schon so viele
 
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