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Unſere Poſtkarte fommt in einen anderen Lederbeutel,
welcher die Aufſchrift: Apia-Samoa trägt, und mit ihm
vereinigen ſich während der achttägigen Fahrt über den


ſendungen, die aus Amerika ſelbſt nach Apia beſtimmt ſind.

In San Franciseo fährt der Zug weit hinaus auf
den Pier bis unmittelbar in die Nähe des Dampfers,
der zur Fahrt über den Stillen Ozean von San Franciseo
über Honolulu-Samoa nach Sydney in Auſtralien bereit
liegt. In wenigen Minuten ſind die für das Schiff
beſtimmten ledernen Poſtbeutel vom Schnellzug an Bord
gebracht, und bald darauf ſetzt ſich der Dampfer zu
längerer Fahrt durch Sturm und Wogenſchwall nach
Südweſten in Bewegung. Nach tagelanger Fahrt wird
auf den Sandwichinſeln bei Honolulu Halt gemacht, die
für dort beſtimmte Poſt wird ausgeladen, neue Poſt wird
eingenommen, und wiedexum nach tagelanger Fahrt geht
das Schiff für kurze Zeit im Hafen von Apia vor Anker.
Auf kleinen Booten, von fröhlichen ſamoaniſchen Landes-
kindern gerudert, kommen die Beutel ins deutſche Poſt-
amt. Hier werden ſie ſortiert, und einige Stunden
ſpäter trägt der ſamoaniſche Briefträger die Karte aus,
um ſie den Händen des Adreſſaten zu überliefern.

Faſt drei Wochen ununterbrochen Tag und Nacht war
die Karte unterwegs; die Poſtbeamten auf Eiſenbahnen
und Schiffen ha-
ben ihr ihre Auf-
merkſamkeit und
Tätigkeit gewid-
met, über Konti
nente und Meere
hatſie ihre Fahrt
gemacht, um
pünktlich auf die
Minute und mit

unfehlbarer
Sicherheit in die

Hände des
Adreſſaten zu ge-
langen.

Und das alles
für fünf Pfen-
nig! A. O. Kl.

Die erſte „Ge-
ſandtin?. — Man
rühmt ja nicht
mit Unrecht den
Frauen eine ge-
wiſſe angeboxene

Geſchicklichkeit
für die ſchwierige
hohe Kunſt der
Diplomatie nach.
Jedenfalls iſt es
hiſtoriſche Tat-
ſache, daß zu

allen Zeiten
ſchon das weib-
liche Geſchlecht
dieſe diplomati-
ſchen Talente in

irgend einer
Form bewährt
und bewieſen
hat, wenn auch
meiſt nur „hin-
ter den Kuliſſen“.

So groß aber

auch ſtets der
Frauen Anteil
als Vermitt-
lerinnen“ auf
diplomatiſchem
Gebiete war, 10
gibt es doch bis
jetzt nur ein ein-
ziges Beiſpiel in
der Geſchichte,
das uns eine offi-
zielle weibliche
Vertreterin in der diplomatiſchen Karriere zeigt. Gewiß
hat es ja hie und da geheime Abgeſandtinnen gegeben,
um für das Wohl oder zum Vorteil einer Nation zu wirken,
aber der Gedanke, eine wirkliche, beglaubigte „Geſandtin“,
ausgeſtattet mit allen Würden und Rechten einer ſolchen,
in die Welt zu ſenden, iſt nur ein einziges Mal aus-
geführt worden, und zwar nach Polen hin, ſeitens des
Königs Ludwig XIV.
Dieſe „Ambaſſadrice“ war Frau v. Gunbriant, die
Witwe des Marſchalls Grafen Jean Baptiſte Gunbriant,
eine geborene Beck, eine Deutſche, welche ihre politiſche
Miſſion am polniſchen Hofe mit ſo viel feinem Takt und
kluger Gewandtheit ausführte, daß ſie ſehr hoch in
Gunſt bei König Ladislaus IV. ſtand, und man ihr ſtets
alle Ehren einer „außerordentlichen Geſandtin“, wie es
ausdrücklich in den von Ludwig XIV, erhaltenen Kredit-
briefen hieß, exwies. — Da ſie ſelbſt ſtreng darauf hielt,
ja ſogar den Vortritt vor einem Prinzen von Geblüt,
des Königs eigenem Bruder, verlangte, fo entwickelte ſich
aus dieſer Etikettefrage ein Streit, in welchem die
tapfere Marſchallin Siegerin blieb, weil Polens König
in ihrem Sinne entſchied —

Trotzdem alſo die Geſchichte den diplomatiſchen Ta-
lenten und Erfolgen der Frau v. Gunbriant alle Ge-
rechtigkeit widerfahren läßt, iſt dieſe erſte beglaubigte
„Geſandtin“ bis jetzt doch die einzige geblieben X .

Das Aecht des Schiffbrüchigen. — Als im Jahre 1823
der neue König Karl Felix von Sardinien mit Hilfe öſter-
reichiſcher Truppen die wider ihn in Piemont ausge-
brochene Revolution niedergeworfen hatte, mußten die
am meiſten kompromittierken Verſchwörer unter den

— —

vornehmen italieniſchen Patrioten, darunter auch viele
Offiziere, ſich durch die Flucht zu retten verſuchen. Das
gelang aber nur wenigen. Mehr als dreißig, darunter
Prinzen, Grafen, Marquis und andere vornehme Herren,
wurden teils zum Tode am Galgen, teils zu harten
Kerkerſtrafen verurteilt, und ihre Güter konfisziert.“

Durch einen höchſt ſeltſamen Umſtand wurde da-
mals der Kavaliere Palma di Borgofraneo gerettet,
nämlich durch einen Schiffbruch und deſſen eigentüm-
liche Folgen. Während der kurzen revolutionären Re-
gierung war er Oberſt eines Infanterieregiments geweſen
und hHatte in der Zitadelle von Aleſſandria zuerſt die
neue Konſtitution proklamiert, was ihm als todeswür-
diges Verbrechen angerechnet werden mußte. Nach dem
unglücklichen Ausgange der revolutionären Erhebung
eilte er nach Genua und mietete ſchleunigſt ein kleines
Schiff, um nach Antibes in Frankreich zu flüchten. Er
war dieſem Hafen, wo er ſich in Sichexheit befunden
haben würde, ſchon nahe, als ſich plötzlich ein Sturm
erhob, der das kleine Fahrzeug nicht weit von Nizza an
den Strand trieb, wo es ſcheiterte. Palma und den
anderen Schiffbrüchigen gelang es, ſich ans Ufer zu
retten, wobei die herbeieilenden Strandbewohner be-
reitwillig Hilfe leiſteten.

Aber auch ſardiniſche Karabinieri fanden ſich ein, und


deren Befehlshaber wollte, als er den Flüchtling erkannte,
ihn ſogleich verhaften.

Palma aber ſtieß ihn zurück und fragte einen alten
Fiſcher: „Wem gehört der Strand hierv%”

„Dem Fürſten von Monaco“, wurde ihm geant-
wortet.

„Das vermutete ich. Dann erhebe ich Anſpruch auf
das alte Recht der Schiffbrüchigen!“ *

„Verhaͤftel ihn!“ befahl barſch der Offizier der Ka-
rabinieri. „Wir haben das Recht dazu, denn Monaco
ſteht unter fardiniſcher ODberhoheit.”

Haltet ein! Das dürft ihr nicht! rief der ebenfalls
anweſende Maixe der nächſten Ortſchaft.

Mehrere hundert Strandbewohner umringten ſchützend
den gefährdeten Flüchtling und nahmen eine droheyde
Haltüng gegen die Soldaten an, ſo daß dieſe ihre Ab-
ſicht vorläufig aufgeben mußten.

Der Maire aber ſprach feierlich: „Selbſt der ruch-
loſeſte Mörder und Räubex, wenn er ſchiffbrüchig an
dieſen Strand geworfen würde, fände hier nach altem
Recht ein ſicheres Aſyl.“ *

„Aber wenn der Betreffende ſich weiter ins Land hin-
ein begibt?“ fragte erſtaunt der Offizier. ;

„Wenn er den Strand verläßt, dann haben wir
nicht mehr das Recht, ihn zu ſchüßen“

Palma warx reichlich mit Geld verſehen Sr ließ
ſich alſo eine kleine Hütte am Strande erbauen und ſie
mit einigem notwendigen Hausgeräte verfehen. Der
Offizier der Karabinierl und deſfen Leute Iagerten ſich
im geringer Entfernung und bewachten das A{yl des
Schiffbriichigen und dieſen ſelbſt bei Tag und Nacht.

Später kam noch mehr Militär an, und der Flücht-
ling, das Ausſichtsloſe einer weiteren Flucht einfehend,
ergab ſich ſchließlich. Er wurde zuerſt nach Nizza, dann
nach Turin in Unterſuchungshaft gebracht. Doch er
wurde nicht verurteilt, fondern nach einiger Zeit in
Freiheit geſetzt, und zwar auf Grund jenes eigentüm-
lichen Aſylrechts für ſchiffbrüchige Verbrecher, welches
ſeit undenklichen Zeiten beſtand Die Richter entſchieden:
es ſei eine Verletzung jenes Rechtes geſchehen, die Ver-
haftung Palmas in ſeinem Strandaſyl hätte nicht ſtatt-
finden dürfen. $ D. Hanfen.

Drei gute Handlungen. — In ſeinen „Reiſeerinne-
rungen“ erzählt der engliſche Paſtor Hole folgende Anek-
dote von einem New Yorker Bankier, den er gleich nach
ſeiner Ankunft in Amexika kennen lernte: Der Yankee,
mit dem ich am Abend meiner Ankunft im Hotel Be-
kanntſchaft gemacht hatte, kam am anderen Morgen, als
ich noch beim Frühſtück ſaß, ſtrahlenden Geſichts ins
Speiſezimmer, und mir die Hand drückend, ließ er ſich
an meinem Tiſche nieder-

„Schöner Morgen, Herr Pfarrer. Soeben erſt auf-
geſtanden, was? Na, während Sie noch ſanft ſchlum-
mexten heute früh, habe ich ſchon drei gute Handlungen
vollbracht,“ erzählte der Amerikaner, nachdem er ſich ſein
Frühſtück beſtellt hatte. „Mein Arzt hat mir nämlich

verordnet, täg-
lich vorm Früh-
ſtück die fünfte
Avenue in ihrer
ganzen Länge
abzulaufen Auch
heute befolgte ich
dieſe Vorſchrift,
und dieſe ermög-
lichte mir, die
drei guten Hand⸗—
lungen auszu-
führen. Ich traf
nämlich vor ei-
ner Kirche eine
arme Frau, die
ein Kind auf
dem Arme trug
und bitterlich
weinte! Mitlei-
dig, wie ich bin,
fragte ich ſie nach
ihrem Kummer,
und ſie geſtand
mir, daß ſie ihr
Kind nicht tau-
fen laſſen fönne,
weil ſie den vor-
geſchriebenen
Dollar dafür
nicht beſitze. Ich
nahm darauf
eine Zehndollar-
note aus meiner
Brieftaſche, gab
ſie der armen
Frau und ſagte
ihr, ſie möge die
Koſten bezahlen
und mir den Reſt
des Geldes zu-
rückbringen. So
geſchah es, nach
einen Viertel-
ſtunde kan ſie zu-
rück und brachte
M DC _ MELT
Dollars. Sie
weinte noch, aber
M AD A
Dankbarkeit.
Habe ich nicht
Grund, mich zu
freuen? Ich habe
die Tränen einer
armen Frau getrocknet, ich habe ihrem Kinde zur Taufe
verholfen, und ihm damit den Weg geöffnet, dex zum
Himmel führt, ferner aber bekam c eine fallche
Banknote gewechſelt, die ich bis dahin nicht los werden
konnte.“ 8

Die verwechfelten Kinder. — Der bexühmte franzö-
ſiſche Advokat Lachaud ſaß eines Nachmittass in ſeinem
Arbeitszimmer, als ein ihm bekannter Arzgt zu ihm kam
und aufgeregt den Advokaten um Rat fragte Zwei ver-


die einander ſo ähnlich ſahen, daß ihre eigenen Mütter
ſie nicht zu unterſcheiden vermochten, wenn ſie 3U-
fammen waren Der Arzt hatte beide ber einer leich-
ten Kinderkrankheit zu gleicher Zeit behandelt, und
die Kindermädchen, die ſte in feine Sprechſtunde ge-
bracht, hatten fie vermechfelt. Wie konnte ex num
ficher fein, daß die Mütter auch ihre richtigen Kinder
wiederbekamen! 2*

„Sa,“ meinte Lachaud, „vielleicht ſind die Kinder gar
nicht verwechſelt.“

D doch — e Emtgequere DEn Ara „darüber
bin ich mir keinen Augenblick im Zweifel.“

„Wiſſen Sie das ganz genau?“

„Ganz genau.“ ;

Nun! dann iſt die Sache doch ganz einfach,“ ver-
ſetzte Lachaud. „Tauſchen Sie ſie noch einmah um, dann
iſt die Sache in Ordnung“ ©

—**—
 
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