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Jahrg. 1904.

Die junge Witmve.,
Kriminalroman bon Auguſte Groner.
(Fortfegung.)

Pachdruck verboten.)

etzt iſt der Herr Finkeneder penſioniert,“
Ffuhr der Gendarm fort.

Der Gendarm ſchüttelte den Kopf. „Der Herr
Finkeneder iſt gelähmt,“ entgegnete er. „Nein, nein,
die Leutln behalt'n ſchon ihve Harmloöſigkeit, und
wenn der Herx Vetter vielleicht doch anrückt, nehmen
e ihn mit Trompeten und Pauken auf, und der
Burſch. g'hört dann uns.“

„Weinen Sie nicht, daß er ſich die Trompeten
und Pauken vexbitten würde?“ warf der Fremde
lächelnd ein. „Ich kann mir überhaupt nicht denken,
warum er gerade zu dieſen Verwandten Zuflucht
nehmen ſollle Hat er denn ſonſt niemand mehr
auf der Welt?“

In Böhmen ſoll er noch eine alte Tante haben,
ſonſt aber mutter-
ſeelenallein ſtehen,
das hat der Herr
Bezirkshauptmaͤnn
in Murau erwähnt,
WL M MD
meinen Kameraden
unſere Weiſungen
gegeb'n hat.“

„O, mein Roſt-
braten kommt,“ rief
vergnügt der Fremde,
und nickte dem
ſchmucken Wixtstöch-
terlein zu, das ſo-
eben das beſtellte
Eſſen brachte.

„Die Fräulein
Mizzerl wird alle
Tag' ſäuberer!“ be-
merkte nicht ohne
Gefühl der Herr
Poſtenführer, und
hatte jetzt gar keine
Augen mehr für den
behäbigen Herrn,
der über ſeinem
Roſtbraten alles
Intereſſe für krimi-



IL O0ZU

naliſtiſche Themata verloren hatte. Und als die
blonde Mizzerl das Zimmerchen verließ, in welchem
an dem einzigen Honoratiorentiſch die beiden Män-
ner ſaßen, da fand auch der Gendarm, daß er lang
genug dageweſen ſei, empfahl ſich artig von dem
Fremden, bezahlte in der großen Gaſtſtube draußen
ſeine beſcheidene Zeche und ging.

Eine Weile ſaß Neumann noͤch allein, dann ver-
ließ auch er die Stube und das Haus.

Bevor er dies tat, hatte er in ſein Notizbuch das
Wort „Finkeneder“ geſchrieben. Sr hatte vor dieſen
Namen aber noch einen anderen geſetzt. „Angela
Finkeneder“ ſtand in dem Notizbuch.

Merkwürdig. Der Gendarm hatte doch Frau
Finkeneders Vornamen gar nicht erwähnt!

Fünfzehntes Kapitel.

Als Neumann das Gaſthaus verlaſſen hatte,
wandte er ſich der
B A, e
über den Bach
führt, welcher
dem Dorfe ſeinen
Namen gegeben.
Trotzig ſtand da
vor ihm in ſtatt-
licher Höhe die
Burg Altteufen-
bach, und tief
144
ſich das hellrote
Dach des Tur-
nauer Häuschens
von dem ſatten
Grün der Berg-

wand ab. Auf dieſes Haus zu lenkte er ſeine Schritte.
Nach kurzer Wanderung ſtand er davor und ſah
nun freilich, daß das kleine Anweſen auffallend ver-
wahrloſt war. Allerdings zeigten auch die Wände
friſchen Verputz, aber die Fenſter und die Tür ſtarr-
ten von Schmutz, und nicht weniger unſauber war
die Schwelle, über die er jetzt ſchritt.

Es hinderte ihn niemand daran, in den Flur zu
treten. Wenigſtens zeigte ſich das Ferkel, das ihm
grunzend entgegenkam, keineswegs feindlich geſinnt,
fondern ließ ihn vielmehr ärgerlich werden über ſeine
gar zu große Zutraulichkeit.

Als er es ſchließlich doch verjagt hatte, öffnete
er die nächſtbeſte der vier Türen, welche in den
Flur mündeten Aber er ſchloß ſie ebenſo ſchnell
wieder. Sr hatte in eine Küche geſchaut, die ganz
dazu geeignet war, auch den größten Appetit auf
ein Minimum herabzudrücken.
 
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