vorbeizuſchlüpfen, aber die Gardine im Türfenſter-
chen bewegte ſich die Tür wurde aufgeſtoßen. Zorn-
rot, mit geballten Fäuſten umherfuchtelnd, ſtürzte
Goldammer hervor, packte Hans am Arm und zerrte
ihn hinter ſich hex, Die Tür ſchloß ſich, und nun
tlat Goldammer, ſchnaubend vox Wut, dicht an den
Verwachſenen heran. Er konnte kaum ſyrechen, ſo
würgte ihn die Leidenſchaft. „Wo iſt ſie?“ ſchrieer
heijer. „Sie gehört mir heraus damit! Wo
haft du fie — du biſt an allem ſchuld —
Als er den kleinen Mann anfaßte, ſchüttelte und
Miene machte, ihn zu mißhandeln, warf ſich Made-
moiſelle Duͤvernier dazwiſchen „Wollen Eie ſich
unglücklich machen — mwollen Sie ein Mörder wer-
den? Ich flehe Sie an, mäßigen Sie ſich!“
Aſſel ſalte zu allem geſchwiegen jede Gegenrede
wäre bei dem Geſchrei des Sinnloſen verhallt oder
hätte ihn noch mehr gereizt. —
Jetzt faßtẽ ſich Goldammer, er ſchlug die Axme
unter und ſtarrte haßerfüllt den anderen an: „Wo
ohne Frage bezahlen müſſen, dem Wirt zu ſchenken.
Es war ein ganz exquiſites Menu. Die von Ihnen ge-
ladenen Gäſte und Ihre Kinder könnten es wenigſtens
verzehren. Mockturtleſuppe, Hummermayonnaiſe.“
Goldammer ſeufzte tief.
Feines SGemlije —“
„Stangenjpargel,“ ſagte er, ſchluckte ein paar-
mal und ſtöhnte. „Mein Lieblingseſſen.“
„Es iſt eigentlich viel größer,“ fuhr Jeanne fort,
mit entſchloſſenem Ausdruck vor ihm ſtehend, „ſich
wie ein Held über ſeinen Kummer zu erheben, die
Miene anzunehmen, als ſei man durchaus nicht ge-
kränkt, als ins Manſeloch zu kriechen und den Läſter-
zungen das Feld räumen.“ ;
„Sie meinen?“ Er ſah ſie mit mühſam unter-
drücktem Schmunzeln an.
Ich meine, daß es ein Jammer iſt, das teure
Geld mir nichts dir nichts?zum Fenſter hinaus:
zumerfen. Der Hunger wird ſich ſchon einſtellen.
Wenn die Frau auch krank im Bette liegt, ſo braucht
der Mann doch nicht zu faſten.“
Er ſtand a 0, es iſt eine Torheit,
Geld zu verſchleudern! Sie raten mir alſö?“
„„Das ügfte iſt ohne Frage, gute Miene zum
böjen Spiel zu machen. Schicken Sie Florian zur
Kirche, laſſen Sie die Iranung abbeſtellen, und
dann mag der Zunge mit den Gäſten zum Hotel
kommen. Irgend jemand kann uns eine Drofchke
ſein
— 133 —
haben Sie meine Frau? Ich verklage Sie beim
Gericht als Räuber und Entführer!“
Afſel verſicherte ihm, daß er nicht wiſſe, wo
Marie jetzt ſei. „Nehmen Sie Vernunft an,“ ſagte
er. „Hüngen Sie die Geſchichte nicht an die große
Glocke Ein Mann, vor dem ſeine Frau ansreißt,
ſteht nicht glänzend da. Wiederkommen tut ſienicht,
und Ihr Geld ſollen Sie auf Heller und Pfennig
aben.“
) Goldammer verficherte unter Schelten und Grollen,
die Polizei werde ſeine Frau ſchon zu finden wiſſen.
Er wollte ſich's was koften laſſen, ſie zu ſuchen und
zu ihrer Pflicht zurückzuführen.
Dann ging Hans, und Goldammer hinderte ihn
nicht.
4 angekommen, ſchlich Liebreich mit dem
Zettel in der Hand Aſſel entgegen: „Iſt das ein
e Streich von euch Hans! Wo haſt du ſie
denn eigentlich verſteckt?“
„Ich will dir's noch nicht ſagen, lieber Freund;
Marie hat recht, du kommſt leichter mit Goldammer
aus, wenn du von nichts weißt.“
a ja, Frieden, Frieden, ich will nichts als
meine Ruhe.“
„Du weißt, es wäre ihr Unglück geweſen —“
„Seine Frau iſt ſie nun doch einmal; das Standes-
amt läßt nicht locker.“
„Man hängt keinen, man hätte ihn denn.“
„Alſo Philipp hat dir viel vermacht?“
„Nicht ſo viel, daß wir auf der Bärenhaut liegen
dürften. Deine Schulden will ich bezahlen, aber ar-
beiten mußt du. Goldammer hätte dich auch nicht
völlig erhalten.“
„Nein,“ ſagte Liebreich bedrückt, „er hatte mir
einen viel zu geringen Zuſchuß ausgeſetzt.“
Unten im Kontor redete die Franzöſin auf Gold-
ammer ein, daß er ſich nun entſchließen müſſe, nach
der Kirche und ins Hotel zu ſchicken. „Es iſt freilich
ein Jammer,“ ſagte ſie unmutig, „das Diner, das Sie
holen, in der mir mit Ihren Töchtern gleichfalls
zum Diner fahren.“
„Es iſt wunderbar, wie Sie mich zu ermutigen
wiſſen, tkeure Jeanne.“
Er 30g die Weſte herunter, richtete ſich ſtramm
auf und warf einen Blick in den Spiegel.
„Sie machen einen vortrefflichen Eindruck. Aus
Ihren Zügen ſpricht ein Charakter, der ſich bewährt.
Große Entſchlüſſe geben einen erhabenen Ausdruck.
Kommen Sie!“
Florian wurde beauftragt und lief davon.
Die Töchter jubelten, als Jeanne ihnen ſagte,
Mariens Zuſtand habe ſich ſo weit gebeſſert, daß
man ſie ohne Sorgen verlaſſen und das einmal her-
gerichtete Hochzeitsmahl einnehmen könne.
Dann fuhren ſie miteinander zum Hotel, und
wenn Goldammex ſeinen Zorn auch feſthielt und
auf Rache ſann, ſo wax ihm Jeannes Ausweg doch
eine höchſt angenehme Erlöſung aus quälender Lage.
Cr würde ſeinen Gäſten ſchon irgend etwas ein-
xeden. Dankbar drückte er der Freundin im Wagen
die Hand und fMüfterte: Ich habe Sie verkannt,
Sie ſind ein Engel! Wenn ich mit meiner Frau
erſt wieder vereinigt bin, werde ich Marie anhalten,
Sie lebeuslang auf Händen zu tragen.“
Die Franzöſin rümpfte die Nafe und ſah zum
Fenſter hinaus.
Dreizehntes Kapitel. ;
Wenige Tage nach dem Abgang ihres Briefes
an Onkel Hans erhielt Marie ſeine Antwort. Sie
zitterte vor Erregung, als ſie das erſehnte Schreiben
empfing, und floh damit in ihre Kammer. Sie lehnte
am Fenſtex und fand kaum Mut, den Umſchlag zu
öffnen. Was mar nach ihrer Flucht geſchehen?
O wie oft hatte ſie ſich den Wirrwarr in Gold-
ammers Hauſe vorgeſtellt, wie oft den guten Hans
bedauert, der auseſſen müſſe, was ſie eingebrockt!
Hans ſchrieb:
„Liebe Marie!
Dank für Deine Nachrichten, es freut mich ſehr,
Dich geborgen zu wiſſen Um meinetwillen mache
Dir keine Sorge, Du weißt, ich habe einen dicken
Buckel.“
Er ging dann auf eine Schilderung von Gold-
ammers Zorn über und erzählte, wie ihr Vater die
Nachricht von ihrer Flucht und die veränderte Lage
aufgenommen habe.
„Du kannſt über ihn ganz ruhig ſein, mein lie-
bes Kind,“ fuhr er fort. „Wenn man ihm nichtviel
zumutet, iſt er zufrieden. Er lebt doch nur noch in
der Vergangenheit. Deine treffliche Mutter verſtand
es, ihn zu ſtützen, das fehlt ihm, ſonſt nichts.
Goldammer ſchrieb am nächſten Tage einen gro-
ben Brief an Deinen Vater, in dem er ihm mit
dem Exekutor drohte, wenn er nicht binnen drei
chen bewegte ſich die Tür wurde aufgeſtoßen. Zorn-
rot, mit geballten Fäuſten umherfuchtelnd, ſtürzte
Goldammer hervor, packte Hans am Arm und zerrte
ihn hinter ſich hex, Die Tür ſchloß ſich, und nun
tlat Goldammer, ſchnaubend vox Wut, dicht an den
Verwachſenen heran. Er konnte kaum ſyrechen, ſo
würgte ihn die Leidenſchaft. „Wo iſt ſie?“ ſchrieer
heijer. „Sie gehört mir heraus damit! Wo
haft du fie — du biſt an allem ſchuld —
Als er den kleinen Mann anfaßte, ſchüttelte und
Miene machte, ihn zu mißhandeln, warf ſich Made-
moiſelle Duͤvernier dazwiſchen „Wollen Eie ſich
unglücklich machen — mwollen Sie ein Mörder wer-
den? Ich flehe Sie an, mäßigen Sie ſich!“
Aſſel ſalte zu allem geſchwiegen jede Gegenrede
wäre bei dem Geſchrei des Sinnloſen verhallt oder
hätte ihn noch mehr gereizt. —
Jetzt faßtẽ ſich Goldammer, er ſchlug die Axme
unter und ſtarrte haßerfüllt den anderen an: „Wo
ohne Frage bezahlen müſſen, dem Wirt zu ſchenken.
Es war ein ganz exquiſites Menu. Die von Ihnen ge-
ladenen Gäſte und Ihre Kinder könnten es wenigſtens
verzehren. Mockturtleſuppe, Hummermayonnaiſe.“
Goldammer ſeufzte tief.
Feines SGemlije —“
„Stangenjpargel,“ ſagte er, ſchluckte ein paar-
mal und ſtöhnte. „Mein Lieblingseſſen.“
„Es iſt eigentlich viel größer,“ fuhr Jeanne fort,
mit entſchloſſenem Ausdruck vor ihm ſtehend, „ſich
wie ein Held über ſeinen Kummer zu erheben, die
Miene anzunehmen, als ſei man durchaus nicht ge-
kränkt, als ins Manſeloch zu kriechen und den Läſter-
zungen das Feld räumen.“ ;
„Sie meinen?“ Er ſah ſie mit mühſam unter-
drücktem Schmunzeln an.
Ich meine, daß es ein Jammer iſt, das teure
Geld mir nichts dir nichts?zum Fenſter hinaus:
zumerfen. Der Hunger wird ſich ſchon einſtellen.
Wenn die Frau auch krank im Bette liegt, ſo braucht
der Mann doch nicht zu faſten.“
Er ſtand a 0, es iſt eine Torheit,
Geld zu verſchleudern! Sie raten mir alſö?“
„„Das ügfte iſt ohne Frage, gute Miene zum
böjen Spiel zu machen. Schicken Sie Florian zur
Kirche, laſſen Sie die Iranung abbeſtellen, und
dann mag der Zunge mit den Gäſten zum Hotel
kommen. Irgend jemand kann uns eine Drofchke
ſein
— 133 —
haben Sie meine Frau? Ich verklage Sie beim
Gericht als Räuber und Entführer!“
Afſel verſicherte ihm, daß er nicht wiſſe, wo
Marie jetzt ſei. „Nehmen Sie Vernunft an,“ ſagte
er. „Hüngen Sie die Geſchichte nicht an die große
Glocke Ein Mann, vor dem ſeine Frau ansreißt,
ſteht nicht glänzend da. Wiederkommen tut ſienicht,
und Ihr Geld ſollen Sie auf Heller und Pfennig
aben.“
) Goldammer verficherte unter Schelten und Grollen,
die Polizei werde ſeine Frau ſchon zu finden wiſſen.
Er wollte ſich's was koften laſſen, ſie zu ſuchen und
zu ihrer Pflicht zurückzuführen.
Dann ging Hans, und Goldammer hinderte ihn
nicht.
4 angekommen, ſchlich Liebreich mit dem
Zettel in der Hand Aſſel entgegen: „Iſt das ein
e Streich von euch Hans! Wo haſt du ſie
denn eigentlich verſteckt?“
„Ich will dir's noch nicht ſagen, lieber Freund;
Marie hat recht, du kommſt leichter mit Goldammer
aus, wenn du von nichts weißt.“
a ja, Frieden, Frieden, ich will nichts als
meine Ruhe.“
„Du weißt, es wäre ihr Unglück geweſen —“
„Seine Frau iſt ſie nun doch einmal; das Standes-
amt läßt nicht locker.“
„Man hängt keinen, man hätte ihn denn.“
„Alſo Philipp hat dir viel vermacht?“
„Nicht ſo viel, daß wir auf der Bärenhaut liegen
dürften. Deine Schulden will ich bezahlen, aber ar-
beiten mußt du. Goldammer hätte dich auch nicht
völlig erhalten.“
„Nein,“ ſagte Liebreich bedrückt, „er hatte mir
einen viel zu geringen Zuſchuß ausgeſetzt.“
Unten im Kontor redete die Franzöſin auf Gold-
ammer ein, daß er ſich nun entſchließen müſſe, nach
der Kirche und ins Hotel zu ſchicken. „Es iſt freilich
ein Jammer,“ ſagte ſie unmutig, „das Diner, das Sie
holen, in der mir mit Ihren Töchtern gleichfalls
zum Diner fahren.“
„Es iſt wunderbar, wie Sie mich zu ermutigen
wiſſen, tkeure Jeanne.“
Er 30g die Weſte herunter, richtete ſich ſtramm
auf und warf einen Blick in den Spiegel.
„Sie machen einen vortrefflichen Eindruck. Aus
Ihren Zügen ſpricht ein Charakter, der ſich bewährt.
Große Entſchlüſſe geben einen erhabenen Ausdruck.
Kommen Sie!“
Florian wurde beauftragt und lief davon.
Die Töchter jubelten, als Jeanne ihnen ſagte,
Mariens Zuſtand habe ſich ſo weit gebeſſert, daß
man ſie ohne Sorgen verlaſſen und das einmal her-
gerichtete Hochzeitsmahl einnehmen könne.
Dann fuhren ſie miteinander zum Hotel, und
wenn Goldammex ſeinen Zorn auch feſthielt und
auf Rache ſann, ſo wax ihm Jeannes Ausweg doch
eine höchſt angenehme Erlöſung aus quälender Lage.
Cr würde ſeinen Gäſten ſchon irgend etwas ein-
xeden. Dankbar drückte er der Freundin im Wagen
die Hand und fMüfterte: Ich habe Sie verkannt,
Sie ſind ein Engel! Wenn ich mit meiner Frau
erſt wieder vereinigt bin, werde ich Marie anhalten,
Sie lebeuslang auf Händen zu tragen.“
Die Franzöſin rümpfte die Nafe und ſah zum
Fenſter hinaus.
Dreizehntes Kapitel. ;
Wenige Tage nach dem Abgang ihres Briefes
an Onkel Hans erhielt Marie ſeine Antwort. Sie
zitterte vor Erregung, als ſie das erſehnte Schreiben
empfing, und floh damit in ihre Kammer. Sie lehnte
am Fenſtex und fand kaum Mut, den Umſchlag zu
öffnen. Was mar nach ihrer Flucht geſchehen?
O wie oft hatte ſie ſich den Wirrwarr in Gold-
ammers Hauſe vorgeſtellt, wie oft den guten Hans
bedauert, der auseſſen müſſe, was ſie eingebrockt!
Hans ſchrieb:
„Liebe Marie!
Dank für Deine Nachrichten, es freut mich ſehr,
Dich geborgen zu wiſſen Um meinetwillen mache
Dir keine Sorge, Du weißt, ich habe einen dicken
Buckel.“
Er ging dann auf eine Schilderung von Gold-
ammers Zorn über und erzählte, wie ihr Vater die
Nachricht von ihrer Flucht und die veränderte Lage
aufgenommen habe.
„Du kannſt über ihn ganz ruhig ſein, mein lie-
bes Kind,“ fuhr er fort. „Wenn man ihm nichtviel
zumutet, iſt er zufrieden. Er lebt doch nur noch in
der Vergangenheit. Deine treffliche Mutter verſtand
es, ihn zu ſtützen, das fehlt ihm, ſonſt nichts.
Goldammer ſchrieb am nächſten Tage einen gro-
ben Brief an Deinen Vater, in dem er ihm mit
dem Exekutor drohte, wenn er nicht binnen drei