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war, beſann ich mich auf verſchiedene Umſtände,
welche dafür ſprachen, daß meine Annahme richtig
ſei. Wozu hatte er ſo viel Geld bei ſich, als er am
3l Marcs Mach Peag Mbhs, un Doxe am 283 Mr
Hochzeit zu machen? Ich hatte ganz genau gefehen,
daß er eine dicke Lage Geldnoten aus ſeiner Brief-
taſche nahm. Er zählte davon vier ab und ſteckte
dieſe, jedenfalls nur in der Eile des Einſteigens, in die
Brieftaſche, die er mir dann eilig in die Hand drückte.“

„Das mußte Ihnen allerdings auffallen,“ be-
merkte der Staatsanwalt.

„Mir fiel naͤchher noch mehr auf.“

„Bei der Hauptvexhandlung?“

28a Der Dererny Breuner hatte m dem
Aſchenbehälter des Abteils zweiter Klaſſe, in welchem
ſich, laut Ausſage des Schaffners, „der Mann, der
wie ein Schauſpieler ausſah“, aufgehalten hatte,
nebſt Aſche und dem Reſt einer Zigarre auch
einen Zigarrenring mit der Bezeichnung „Habana,
Equador“ gefunden. Dieſes Fundes wurde bei der
Verhandlung gegen mich Erwähnung getan. Da
erinnerte ich mich daran, daß der Herr mit dem
Gummimantel, der merkwürdigerweiſe während der
ja doch ziemlich langen Fahrt die Kapuze nicht herab-
ließ und faſt immer, an dem Ende des Korridors
ſtehend, rauchend in die Nacht hinausſchaute, einmal
aus dem von mir beſetzten Abteil herauskam. Ich
habe es nämlich in meiner Ruheloſigkeit mehrmals
verlaſſen, um in dem Korridor auf und ab zu gehen.
Natürlich hat Lansky mich damals erkannt, und es
war ihm vermutlich ganz recht, daß gerade ich ſein
Reiſegefährte war, denn er haßte mich, freilich nicht
ſo tief, wie ich ihn.“

Sie haßten ihn?“
verwundert.

Rauk lächelte herb. „Er hat das Mädchen ge-
heiratet, das ich liebe,“ erklärte er kurz.

„Richtig.“

Klinger wandte ſich an Rohn: „Was Sie auch
noch nicht wiſſen, iſt, daß Weidmann ſelber nach
Ranks Entweichen mit dieſem verkehrt hat, natürlich
ohne zu ahnen, mit wem er ſpreche und wen er zur
Weitervexfolgung des Falles engagierte.“

„Weidmann engagierte Sie, Herr Rank?“ Herr
v. Rohu lachte bei dieſer Frage laut auf.

Auch der Schauſpieler lächelte. „Als Detektiv
Neumann, ja. Ich ſollte ſehr gut honoriert werden.“

„Das iſt ja köftlich!“

„Es hat auch mich amüſiert,“ gab Rank zu,
„denn daß jemand nach ſich ſelber forſchen ſoll und
noch dazu in feindlicher Abſicht, das verlangt man
für gewöhnlich nicht.“

„Sie haben natürlich nach dem anderen geforſcht?“

„Natürlich! Und ich habe ſehr bald recht wich-
tige Entdeckungen gemacht.“
Eie wollten voxhin etwas, das ſich auf den ge-
fundenen Zigarrenring bezog, erwähnen,“ fiel Herr
v. Rohn ein.

Rank nickte und griff in die Bruſttaſche ſeines
Rockes Er nahm ein Zigarrenetui heraus und aus
diejem eine in Seidenpapier gewickelte Zigarre Er
löſte das Seidenpapier davon ab und legte die
Zigarre vor dem Staatsanmalt nieder.

Eie trug einen Ring. Auch auf dieſem ſtand:
„Habana, Equador.“

„Nun?“ fragte Herr v. Rohn.

Rank antwortete lächelnd: „Ich werde Ihnen
ſpäter von einem Einbruch erzählen, den ich in
meiner Angelegenheit hegangen habe. Bei jenem
Einbruche eignete ich mir außer etlichen Briefen und
einer, Tamenphotographie auch dieſe Zigarre an-
Der Einbruch geſchah in Lanskys Arbeitszimmer zu
Miſtelbach Dort wird man noch ein ganzes Kiſtchen
ſolcher Zigarren finden.“

— — 917 joote Oar 5 Yıhı. 4 —

angeregt.
.. Danach erzählte Rank von ſeinem Beſuch im
Fiſcherhauſe, und wies den Gegenſtand vor, den ihm
Frau Androſch gegeben hatte. Es war ein ziemlich
großer Knopf, an welchem noch ein Fetzchen Gummi-
offes hing. Dieſer Knopf war vermutlich vom
Gummimantel Lanskys abgeriſſen und von letzterem
mechaniſch in den Havelock geſteckt worden.

„Ah!” xief der Staatsanwalt, interefſiert nach
dem Ding langend, „bitte, erzählen Sie weiter.“

Da berichtete Rank von ſeiner Unterredung mit
ä_ßeng‚e[, dem Knechte des Fiſchers, und wie er durch
dieſes Geſpräch zur Keuntnis gelangt ſei, daß in der
kritiſchen Zeit ein Nadfahrer an der Stelle geweſen,
an welcher der Rock Lanskys gefunden worden war,
er bexichtete, wie er das verſchickte Rad aufgefunden
und ſich ſpäter hezüglich deſſen Käufers orientiert hatte
oder vielmehr ſich zu orjentieren ſuchte; er berichtete
von ſeinem Aufenthalt im Hauſe Lanskys und wie er
dort zum Einbrecher geworden; von der gefundenen
Nechnung berichtete er und von den gefundenen
Briefen, und wie ihn die erſtere, auf welcher der
Empfang des Geldes für einen Regenmanlel aus

fragte der Staatsanwalt

— 302 —

Gummiſtoff beſtätigt war, nach Wien zur Firma Reit-
hofer führte, und wie die Briefe ihn nach Niederwölz
und Teufenbach wieſen, auf welche Fahrten die Reiſe
nach Bosnien folgte. Auch davon erzählte er, wie es
ihn beluſtigt hatte, daß es der Polizei gelungen war,
ſeine von ihm ſchon lange vergeblich geſuchte Baſe
Angela Finkeneder zu entdecken, für die er ſeit jeher,
und auch als ſie ſchon verheiratet war, eine gewiſſe
ſchwärmeriſche Verehrung empfand.

Er hatte für ſeinen ſtellenweiſe mit piel Humor
gewürzten Bericht zwei aufmerkſame Zuhörer, denn
auch Klinger waren viele Einzelheiten neu, wiewohl
ihm ja ſein Freund ſo manchen Brief unter der


zukommen laſſen.

Rank war eben mit der Schilderung ſeines Zu-
ſammentreffens mit Breuner zu Ende gekommen,
die viel Heiterkeit erregte, als Brandmeyer ein Tele-
gramm hereinbrachte.

© war eine amtliche Depeſche, die vom Ober-
gerichte in Sarajewo kam. Da ſie ja zweifellos mit
Lansky in engem Zuſammenhange ſtand exwarteten
die beiden Freunde mit Spannung die Bekanntgabe
ihres Inhaltes.

Herr v. Rohn reichte ſie ihnen, nachdem er ſie
geleſen, ſchweigend hin. Seine Miene war ernſt
geworden.

Auch diejenigen ſeiner Beſucher verloren den
Ansdruck der Heiterkeit, als ihre Augen über den
Inhalt des Telegramms glitten.

Dieſer Text machte der Wiener Behörde zu wiſſen,
daß der verhaftete Johann Heinrich Lansky ſich,
nachdem er ein umfaſſendes Geſtändnis abgelegt,
in der Unterſuchungszelle während der letzten Nacht
erhängt habe.

Es herrſchte jetzt eine gute Weile Schweigen in
dem Amtszimmer, das mit ſeiner Rauchatmoſphäre
und den Champagnerflaſchen heute einen ziemlich
ſeltſamen Anblick bot.

Endlich erhob ſich Rank und ſagte: „Herr Staats-
anwalt, zum zweiten Male an dieſer Stelle bitte ich
Sie — laſſen Sie mich abführen — ich möchte allein
1 ;

Auch die beiden anderen Herren hatten ſich er-
hoben.

Herr v. Rohn drückte auf den Knopf der elektri-
ſchen Klingel. „Ihr Wunſch ſoll wenigſtens zum
Teil erfüllt werden,“ ſagte er, „denn die Geſellſchaft
Ihres Freundes müſfen Sie ſich gefallen laſſen.“

Brandmeyer ſtand ſchon unter der Tür.

„Wyslowsky ſoll kommen,“ befahl der Staats-
anwalt.

Wyslowsky war der Gefangenaufſeher.

Brandmeyer ging. Wieder ſchüttelte er den Kopf.

Und als nach etlichen Minuten Wyslowsky in
das Zimmer des Staatsanwaltes eingetreten war,
tat Brandmeyer, was er ſonſt nie zu tun pflegte.
Er horchte.

Da hörte er, wie der Herr Staatsanwalt dem
Aufſeher befahl, die zwei Herren, mit welchen er
geradé vorhin noch Champagner getrunken hatte, in
das Unterfuchungsgefängnis, Zelle Nummer 3, zu
bringen.

Als die beiden dann in Geſellſchaft Wyslowskys
an ihm vorüberkamen, ſaß Brandmeyer ganz wirr
in ſeinem Winkel und ſchaute ihnen, ſehr energiſch
ſeinen grauen Kopf ſchüttelnd, nach.

Die Zeitungen waren voll ſenſationeller Nach-
richten, wie der Fall Lansky-Rauk ſich aufgeklärt
habe.

Natürlich machte die Sache ein ungeheures Auſ-
ſehen. Daß ein Veruxteilter in ſeiner eigenen Sache
den Detektiv ſpielte, das war noch nicht dageweſen
Aber auch Lanskys Verhalten gehörte nicht zu den
häufigen Vorkommniſſen des Verbrecherlebens.

Die Zeitungen berichteten darüber noch folgen-
des: Aus Lanskys Geſtändnis ging hervor, daß er
den Plan zu ſeinem Verbrechen ſchon lange erwogen
und deſſen Ausführung mit Umſicht vorbereitet hatte.
Gleich nach Verkauf ſeines ſteiermäxkiſchen und nach
Verpfändung feines niederöſterreichiſchen Beſitzes
hatte er ſich unter verändertem Namen in Tarein
angekauft, und hatte die Roſine Turnauer, ſeine Ge-
liebte, und deren Bruder dorthin abreiſen laſſen,
war auch ſelber wiederholt dort geweſen und längſt
als Herr Laſanzky bekannt, ehe Lansky ſcheinbar
beim Wärterhauſe an der Eiſenbahnbrücke ver-
ſchwand — ſcheinbar verſchwand, denn Lausty der
ſchon vor Böhmiſch-Trübau ſeine Frau betäubt hatte,
verließ auf dieſer Station den Wagen, warf in einem
dunklen Winkel des Bahnhofes den bereitgehaltenen
Gummimantel über ſeinen Havelock, ſeßte Augen-
gläſer auf und befeſtigte ſich einen Vollbart, danach
löſte er ſich eine neue Karte bis Brünn.

Er war verwundert, bei ſeinem neuerlichen Be-
ſteigen des Wagens Nank darin zu finden Cr war

darüber auch erſchrocken, denn er fürchtete duͤrch
den Schauſpieler in feinem Vorhaben geſtört zu
werden, und beruhigte ſich erſt, als er merkte, wie
ſo ganz in Gedanken verſunken und auch wieder voll
peinlicher Unruhe Rank ſich zeigte. Nein — von
dleſem mar nichts zu fürchten. Der war zu ſehr mit
eigenen Angelegenheiten beſchäftigt, um auf die-


Als Lansky dies gewahrte, dachte er ſogar mit
boshaftem Vergnügen daran, daß Rank, den ja auch
er haßte von dieſer Fahrt möglicherweiſe Un--
annehmlichkeiten haben konnte, was, wie es ſich
zeigte, ja auch tatſächlich der Fall war. An einer
recht wilden Stelle hatte Lansky, laut ſeinem Ge-
ſtändniſſe, ſeine Uhr und ſeinen Hut auf den Bahn-
körper geworfen. Er ſelber war, noch immer in
ſeinen Gummimantel gehüllt, in Brünn ausgeſtiegen-
Vorher hatte er die der Ausſteigeſeite gegenüber
liegende Tür geöffnet und durch das Vorſchieben
des äußeren Riegels ihr Einſchnappen verhindert;


den Boden des Korridors gelegt. Er kaufte ſich
ſogleich, als am anderen Morgen die Läden geöffnet
würden, eine kleine Reiſetaſche, einen Hut und einen
Überxock. Gummimantel und Havelock barg er in
der Taſche, wechſelte die Wertpapiere, welche Weid-
mann ihm übergeben hatte, und erwarb ſich das


wärts fuhr. In der Nähe des Häuschens, das dem
Fiſcher Androſch gehörte, warf er ſeine Taſche, aus
der er den Havelock genommen und die er dafür
mit Steinen vollgefüllt hatte, ſamt dem Gummi-
mantel in den Fluß und fuhr dann weiter eine
Stelle ſuchend, an der ſein Havelock leicht gefunden
werden konnte.

Daß das Häuschen an der Straße einem Fiſcher
gehöre, war an den davor hängenden Netzen er-
fichtlich, und anzunehmen, daß deren Eigner bald
am Fluſſe zu tun habe. Lausky ſchlich alſo, ſein
Rad auf der einſainen Straße zurücklaſſend, zum
Fluſſe hinunter und hängte ſeinen Hapelock an einen


Rade zurück und fuhr weiterz da brach das Rad,und
er mußte es bis zur nächſten Eiſenbahnſtation ſchieben.
Zurücklaſſen wollte er es nicht, denn er nahm ganz
xichtig an, daß es unverdächtiger ſei, als Radler
denn als gewöhnlicher Fußgängex auf der Station
anzukommen, wo man vielleicht ſchon von dem nächt-
lichen Eiſenbahnvorkommnis wußte und aufgefordert
war, auf verdächtige Paſſagiere ein Augenmerk zu
haben.

Er gab das Rad an die nächſte Station auf,
für welche er auch eine Perſonenkarte löſte Durch
einen gefälligen Bauern aber, den er mit einigen
Zigarren zutkaulich machte, ließ ex auch eine Karte
dis Wien löſen, und gelangte mit dieſer denn auch
tatſächlich unangehalten in die Reſidenz von wo aus
er nach Tarein weiter reiſte und daſelbſt, während
man ihn auf dem Schauplatze ſeines früheren Lebens
für tot hielt, ein neues Leben begann.

Die Verfechter der Wichtigkeit und Unanfecht-
barkeit des Indizienbeweiſes hatten wieder einmal
eine tüchtige Niederlage erlitten. Dem ſcheinbarmit
vollem Rechte Verurteilten war es gelungen, ſeine
gänzliche Schuldloſigkeit zu beweiſen und ſeine bürger-
liche Ehre wiederherzuſtellen.

Und es war ihm noch mehr gelungen, er hatte
es al denen, die an ſeinen ſchanfpieleriſchen Fähig-
keiten gezweifelt hatten, unwiderleglich bewieſen, Daß
er ein ganz vorzüglicher Charakterdarſteller ſei, ein
Schauſplelet, der nicht mur auf den Brettern, welche
die Welt bedeuten, ſondern in dieſer Welt ſelher
feine Rollen ganz ausgezeichnet durchgeführt hatte,

Noch während Rank inhaftiert mar, kamen ihm
ſchon von verſchiedenen Seiten ebenſe ehrende als
voͤrteilhafte Engagementsanträge zu, die er einſt-
weilen ſtill Lächelnd zufammenlegte.

nbrigens dauerte feine und feines Freundes in
jeder Weiſe erleichterte Haft nur wenige Zage.

Der penſionierte Oberſt Klinger hatte für ſeinen
Sohn erfolgreich an die Gnade des Kaiſers appelliert,
und ſo wurde die Sache niedergeſchlagen, und zwaxn
nicht mur in Bezug auf den jungen Adpokaten, auch
bezüglich Ranks wurde von einem weiteren, geſetz-
lich ja begründeten Verfahren abgeſehen, und er
und fein Freund erfreuten ſich ſchon wenige Tage
nach ihrer Verhaftung wieder der Freiheit.

An einem regneriſchen Oktoberabend befand ſich
in einem reſervierten Zimmer des Wiener Grand
Hotel eine kleine Geſellſchaft.

Es wurde eine Verlobung gefeiert. Das Braut-
paar hieß Lina Lansky und Franz Nanl

Bei dieſer Feier wurden natürlich, wie das ſo
üblich iſt, eine ganze Reihe pon Toaſten ausgebracht.

Trei davon ſollen erwähnt ſein.
 
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