der Villa wurde
geöffnet, und ein
vierſchrötiger,
nur mit Hemd
und Hoſe beklei-
deter Mann trat
blinzelte gegen
die Morgen-
ſonne, reckte
beide Arme und
gähnte herzhaft.
41
wirklich glau-
ben, das Zuſam-
menklappen des
breiten Mundes
zu hören.
„Morjen,
— —
ſagte Felix, der
das Glas wie-
der an ſich ge-
nommen hatte.
„Du ſiehſt mir
ganz danach
aus, daß dein
Schlaf nicht
das will ich vorläufig dahingeſtellt ſein laſſen. Außer-
dem kennt man die Eigentümlichkeiten des Barons.
Er verreiſt oft und plötzlich auf lange Zeit — da-
heim bleibt alles ſtehen und liegen; ſein Diener ſoll
allerdings meiſtenteils zurückbleiben, wer weiß aber,
ob das immer der Fall iſt. Endlich ſeine Schrullen.
Will er das Bild niemand zeigen, dann gibt er es
auch nicht in Verwahrung Wer es alſo holen
will, der braucht nır die Hand auszuſtrecken —“
lachend „Oder glaubſt du, daß dein „Pulverkopf“
auf einer Malakademie ſtudiert hat?“
„Es ſind Satanskerle darunter,“ brummte Felix.
„Dieſe Zunft hat Helfershelfer aus allen Schichten
der Geſellſchaft. Iſt das Bild übrigens nicht von
deiner ſchwarzhaarigen Donna ausbaldowert wor-
den? Vielleicht fehlte es ihr nur an Gelegenheit —“
Egon blieb ärgerlich ſtehen und kaute an ſeinem
Schnurrbart. „Hör mal, du, das geht mir über das
Bohnenlied. Dieſe Margot — wenn ſie ſo hieß —
mag ein zweifelhaftes Frauenzimmer geweſen ſein,
ſie war wenigſtens für eine deutſche Philiſterſeele
etwas frei Aber eine Einbrecherin, die Genoſſin
eines Pulverkopfs? Donner und Doria, dazu
ſah ſie denn doch A — wie ſollich fagen —A
„Zu ſchön und lieblich aus,“ ergänzte Felix ſpöt-
tiſch „Sa, ja, mein Lieber, geſtehe es nur, du ſteckſt
noch immer in den Banden diefer Sirene. Übrigens
— was haben wir denn da?!“
Sie waren im Geſpräch von dem Seeufer in
den Wald gekommen und ſtanden nun zwiſchen
Unterholz in einer gedeckten Stellung. Etwas tiefer
unter ihnen lag die kleine einſame Villa des Barons,
deren ungepflegter Garten faſt bis an den Saum
des Waldes heranreichte. So konnten ſie ſehen, ohne
geſehen zu werden.
Felix nahm einen kleinen Feldſtecher aus der
Taſche und blickte hindurch. „Es iſt richtig ſo, wie
ich gedacht hatte,“ murmelte ex. „Der Kerl hat eine
ganz neue Kluſt am Leibe, er ſieht beinahe anſtändig
aus, Natüxlich — Vogelſcheuchen fallen hier auf-
Und ſeine Begleiterin —— Er reichte Egon das
Glas und deutete die Richtung an. „Schau mal
hindurch, mein Lieber, aber fall nicht um.“
Egon hätte das trotzdem faſt fertig gebracht.
Sr ſah hin und packte ſeinen Freund krampfhaft am
— „ D, Golun, Das IN 1a e Dance — o u
Margot!“
„Wenn du ſie eine Dame nennen willſt, ſo kann
ich mich in gleicher Weiſe ausdrücken,“ entgegnete
der andere gelafjen. „Der — Herr nämlich, mit
dem fie ſpricht, iſt der berüchtigte Einbrecher, ge-
nannt,,Pulverkopf“. Ob er ihr einen Liebesantrag
gemacht hat?“
Wegen der ziemlich bedeutenden Entfernung
konnte man natürlich nicht verſtehen, was diẽ beidei
da unten miteinander verhandelten. Aber es war
unverkennbar, daß ihr Geſpräch nicht nur aus einer
zufälligen Frage und Autwort beſtand, wie ſie wohl
von müßigen Spaziergängern im Vorübergehen aus-
getauſcht werden.
Sie geſtikuliexten lebhaft und ſtanden dabei mit
dem Geſicht nach dex Villa Geldern, deren Läden
noch immer feſt geſchloſſen waren, während aus dem
Schornſtein eine dünne Rauchſäule emporſtieg.
Aber nun veränderte ſich das Bild. Die Tür
leicht geſtörtwer-
den kann — ſo
tranig und ſo
geſund. — Wo
iſt denn aber unſer Pärchen geblieben?“
Man konnte ſie nicht mehr ſehen, die Erde ſchien
die beiden verſchluckt zu haben. Aber es war auch
Gebüſch ringsum, und vielleicht ſtanden ſie hinter
einem Strauch, um ihre Beobachtungen fortzuſetzen.
„Wollen mir hinuntergehen?“ fragte Egon.
„Es wäre ſo ziemlich das dümmſte, was wir
augenblicklich tun könnten,“ entgegnete Felix. „Daß
die beiden das Haus des Barons beobachten, ſteht
allerdings feſt, aber ſo was iſt nicht ſtrafbar, denn
wir haben es nicht beſſer gemacht. Wenn ich den
„Pulverkopf“ jetzt zur Rede ſtellen wollte, dann
würde ich eine recht nette Antwort kriegen. Was
aber deine „Dame“ betrifft —“
„Glaubſt du denn wirklich im Ernſt, daß es auf
ein Verbrechen abgeſehen iſt?“
Felix zuckte die Schultern „Hm, men Junge,
die UImſtände deuten darauf hin. Offen geſtaͤnden,
wenn es nicht gegen Moral und Dienſteid ginge,
dann würde ich diefen Rembrandt ſelber ſtehlen.
Der Baron iſt zu reich und zu wenig Liebhaber, um
den Schaden zu empfinden, und der Kunſtwelt kann
nur damit genützt werden.“
„Du willſt alſo die Entwicklung der Sache ab-
warten?“
Ich habe ſehr große Luſt dazu, Egon! Denk
dir, zwei Fliegen mit einer Klappe! Wenn das
Bild wirklich geſtohlen wird — was wir übrigens
noch nicht wiſſen — dann taucht es in irgend einer
ausländiſchen Galerie wieder auf, denn ſolche Koſt-
barkeiten kommen natürlich nicht in die Hände ge-
meiner Hehler. Erſter Vorteil. Natürlich wird eine
Unterſuchung angeſtellt, und da ich bereits eine Spur
in Händen habe, iſt es ein leichtes, den Täter zu
erwiſchen. Folge davon: rieſenſchnelles Avancement.
Zweiter Vorteil.“
„Alsdann: Hochzeit mit Berta — dritter Vor-
teil!“ ſetzte Egon hinzu.
Felix ſchwieg. „Komm,“ ſagte er dann endlich,
„das ſind alles Luftſchlöſſer. Der Rembrandt wird
einſam dahin-
welken, und
(S. 486)
ſchönen Traum gehabt Auf einer Reiſe durch
Arabien war ihm in Mekka oder Medina — das
wußte er nicht mehr genau — eine bis jetzt noch
unbekannte Handſchrift des Korans in die Hände
gefallen, nur ganz wenig von Mäuſen zerfreſſen
und mit Randgloſſen von Abubekr, dem Schwieger-
vater des Propheten, verſehen.
Es war leider ein Traum, deſſen Erfüllung kaum
im Bereich der Möglichkeit lag, aber ungeachtet des
ſonnigen Morgens wurde die Wirklichkeit umſo
** und die Stimmung des Barons umſo gräm-
icher.
Er kratzte ſich den Kopf, und ſein Blick fiel auf
den „Rembrandt“, der gerade über ſeinem Bette
und mit ſpöttiſchen Augen in das kahle Zimmer
lickte.
„Verdammte Schmiererei!“ ſagte Geldern.
Er ſchlug mit dem verſteinerten Hüftknochen
eines Höhlenbären auf den chineſiſchen Gong, der
neben ſeinem Bette ſtand, und auf dieſes dröhnende
Zeichen kam Niels Lund mit dem Teegeſchirr herein-
geſchlürft.
Auf dem Brett desſelben lagen drei Briefe; der
erſte war mit einer deutſchen, der zweite mit einer
däniſchen Marke beklebt, der dritte hatte überhaupt
keine Frankatur.
„Für den habe ich zwanzig Fennig beſahlen
müſſen,“ ſagte Niels, „das muß was bannig Wich-
tiges ſein.“
Geldern deutete nur auf die Stirn und öffnete
das letzte, ungeſchickt zuſammengefaltete und mit
Zwirnwachs verklebte Schreiben. Dasſelbe kam von
Fran Reichmann aus Eichkamp und lautete:
„Lieber und geſtrenger Herr Baron!
Mit Freuden ergreife ich die Feder, um Sie mit-
zuteilen, das mein Alter ſehr krank is. Er is gans
hinterſinnig und redet lauter dummes Zeug. Es
fteht hier Allens auf den Kopf womit ich verbleibe
ihre Sie innig liebende
Anna Margarete Reichmann
gebohrene Hammel.“
„Sie hätte bei ihrer Geburt verbleiben ſollen,“
murrte Geldern und griff nach dem zweiten Briefe.
Dieſer kam aus Berlin, war mit Bleiſtift auf
die Rückſeite einer Speiſekarte geſchrieben und ent-
hielt ohne Datum und Unterſchrift nur die Worte:
„Man will Ihrem Rembrandt ans Leder. Ach-
tung!“
„So ’n anonymer Wiſch!“ ſagte Geldern grim-
mig! „Und davor ſoll man Achtung haben! —
Niels!“
—— —
„Gib mir meine Pfeife.“
Der Baron ſtopfte ſich, noch immer im Bette lie-
gend, ſeine Pfeife, faltete die Speiſekarte zu einem
Fidibus und zündete an.
Dann griff er nach dem dritten Brief. Dieſer
kam aus Kopenhagen von dem Orientaliſten Pro-
feſſor Sörenſen. Der Gelehrte ſchrieb:
„Sehr geehrter Herr Baron! Geſtatten Sie mir
die Mitteilung einer Nachricht, welche für Sie
vielleicht von einigem Intereſſe ſein wird. Auf
meiner ſoeben beendigten Reiſe nach Italien, wo ich
im Vatikan einige Handſchriften ſtudierte, traf ich
zufällig mit dem Grafen Borromeo zuſammen, dem
Eigentümer der bekannten Inſeln, der Iſola Bella
und Iſola Madre im Lago maggiore. Bei einer
Korbflaſche Chianti, die wir in einer Oſteria in
Trastevere leerten, kam die Rede auf den berühmten
ſpaniſchen Alicante, und der Graf erzählte von einem
feuchtfröhlichen Abend, den er vor mehreren Jahren
an der Geburtsſtätte dieſes edlen Weines mit einem
Berta eben-
falls Ich habe
Katzenjammer.“
—— 4 —
„Dann biſt
du in der rich-
tigen Redak-
tionsſtimmung.
Wir wollen
nach Berlin zuz
rückfahren.“
Baron v.Gel-
dern richtete ſich
in ſeinem
ſchmalen eiſer-
— —
auf und warf
die Decke zu-
rück Dann rieb
er ſich die Augen
und dachte nach.
Er hatte ei-
nen wunderbar
geöffnet, und ein
vierſchrötiger,
nur mit Hemd
und Hoſe beklei-
deter Mann trat
blinzelte gegen
die Morgen-
ſonne, reckte
beide Arme und
gähnte herzhaft.
41
wirklich glau-
ben, das Zuſam-
menklappen des
breiten Mundes
zu hören.
„Morjen,
— —
ſagte Felix, der
das Glas wie-
der an ſich ge-
nommen hatte.
„Du ſiehſt mir
ganz danach
aus, daß dein
Schlaf nicht
das will ich vorläufig dahingeſtellt ſein laſſen. Außer-
dem kennt man die Eigentümlichkeiten des Barons.
Er verreiſt oft und plötzlich auf lange Zeit — da-
heim bleibt alles ſtehen und liegen; ſein Diener ſoll
allerdings meiſtenteils zurückbleiben, wer weiß aber,
ob das immer der Fall iſt. Endlich ſeine Schrullen.
Will er das Bild niemand zeigen, dann gibt er es
auch nicht in Verwahrung Wer es alſo holen
will, der braucht nır die Hand auszuſtrecken —“
lachend „Oder glaubſt du, daß dein „Pulverkopf“
auf einer Malakademie ſtudiert hat?“
„Es ſind Satanskerle darunter,“ brummte Felix.
„Dieſe Zunft hat Helfershelfer aus allen Schichten
der Geſellſchaft. Iſt das Bild übrigens nicht von
deiner ſchwarzhaarigen Donna ausbaldowert wor-
den? Vielleicht fehlte es ihr nur an Gelegenheit —“
Egon blieb ärgerlich ſtehen und kaute an ſeinem
Schnurrbart. „Hör mal, du, das geht mir über das
Bohnenlied. Dieſe Margot — wenn ſie ſo hieß —
mag ein zweifelhaftes Frauenzimmer geweſen ſein,
ſie war wenigſtens für eine deutſche Philiſterſeele
etwas frei Aber eine Einbrecherin, die Genoſſin
eines Pulverkopfs? Donner und Doria, dazu
ſah ſie denn doch A — wie ſollich fagen —A
„Zu ſchön und lieblich aus,“ ergänzte Felix ſpöt-
tiſch „Sa, ja, mein Lieber, geſtehe es nur, du ſteckſt
noch immer in den Banden diefer Sirene. Übrigens
— was haben wir denn da?!“
Sie waren im Geſpräch von dem Seeufer in
den Wald gekommen und ſtanden nun zwiſchen
Unterholz in einer gedeckten Stellung. Etwas tiefer
unter ihnen lag die kleine einſame Villa des Barons,
deren ungepflegter Garten faſt bis an den Saum
des Waldes heranreichte. So konnten ſie ſehen, ohne
geſehen zu werden.
Felix nahm einen kleinen Feldſtecher aus der
Taſche und blickte hindurch. „Es iſt richtig ſo, wie
ich gedacht hatte,“ murmelte ex. „Der Kerl hat eine
ganz neue Kluſt am Leibe, er ſieht beinahe anſtändig
aus, Natüxlich — Vogelſcheuchen fallen hier auf-
Und ſeine Begleiterin —— Er reichte Egon das
Glas und deutete die Richtung an. „Schau mal
hindurch, mein Lieber, aber fall nicht um.“
Egon hätte das trotzdem faſt fertig gebracht.
Sr ſah hin und packte ſeinen Freund krampfhaft am
— „ D, Golun, Das IN 1a e Dance — o u
Margot!“
„Wenn du ſie eine Dame nennen willſt, ſo kann
ich mich in gleicher Weiſe ausdrücken,“ entgegnete
der andere gelafjen. „Der — Herr nämlich, mit
dem fie ſpricht, iſt der berüchtigte Einbrecher, ge-
nannt,,Pulverkopf“. Ob er ihr einen Liebesantrag
gemacht hat?“
Wegen der ziemlich bedeutenden Entfernung
konnte man natürlich nicht verſtehen, was diẽ beidei
da unten miteinander verhandelten. Aber es war
unverkennbar, daß ihr Geſpräch nicht nur aus einer
zufälligen Frage und Autwort beſtand, wie ſie wohl
von müßigen Spaziergängern im Vorübergehen aus-
getauſcht werden.
Sie geſtikuliexten lebhaft und ſtanden dabei mit
dem Geſicht nach dex Villa Geldern, deren Läden
noch immer feſt geſchloſſen waren, während aus dem
Schornſtein eine dünne Rauchſäule emporſtieg.
Aber nun veränderte ſich das Bild. Die Tür
leicht geſtörtwer-
den kann — ſo
tranig und ſo
geſund. — Wo
iſt denn aber unſer Pärchen geblieben?“
Man konnte ſie nicht mehr ſehen, die Erde ſchien
die beiden verſchluckt zu haben. Aber es war auch
Gebüſch ringsum, und vielleicht ſtanden ſie hinter
einem Strauch, um ihre Beobachtungen fortzuſetzen.
„Wollen mir hinuntergehen?“ fragte Egon.
„Es wäre ſo ziemlich das dümmſte, was wir
augenblicklich tun könnten,“ entgegnete Felix. „Daß
die beiden das Haus des Barons beobachten, ſteht
allerdings feſt, aber ſo was iſt nicht ſtrafbar, denn
wir haben es nicht beſſer gemacht. Wenn ich den
„Pulverkopf“ jetzt zur Rede ſtellen wollte, dann
würde ich eine recht nette Antwort kriegen. Was
aber deine „Dame“ betrifft —“
„Glaubſt du denn wirklich im Ernſt, daß es auf
ein Verbrechen abgeſehen iſt?“
Felix zuckte die Schultern „Hm, men Junge,
die UImſtände deuten darauf hin. Offen geſtaͤnden,
wenn es nicht gegen Moral und Dienſteid ginge,
dann würde ich diefen Rembrandt ſelber ſtehlen.
Der Baron iſt zu reich und zu wenig Liebhaber, um
den Schaden zu empfinden, und der Kunſtwelt kann
nur damit genützt werden.“
„Du willſt alſo die Entwicklung der Sache ab-
warten?“
Ich habe ſehr große Luſt dazu, Egon! Denk
dir, zwei Fliegen mit einer Klappe! Wenn das
Bild wirklich geſtohlen wird — was wir übrigens
noch nicht wiſſen — dann taucht es in irgend einer
ausländiſchen Galerie wieder auf, denn ſolche Koſt-
barkeiten kommen natürlich nicht in die Hände ge-
meiner Hehler. Erſter Vorteil. Natürlich wird eine
Unterſuchung angeſtellt, und da ich bereits eine Spur
in Händen habe, iſt es ein leichtes, den Täter zu
erwiſchen. Folge davon: rieſenſchnelles Avancement.
Zweiter Vorteil.“
„Alsdann: Hochzeit mit Berta — dritter Vor-
teil!“ ſetzte Egon hinzu.
Felix ſchwieg. „Komm,“ ſagte er dann endlich,
„das ſind alles Luftſchlöſſer. Der Rembrandt wird
einſam dahin-
welken, und
(S. 486)
ſchönen Traum gehabt Auf einer Reiſe durch
Arabien war ihm in Mekka oder Medina — das
wußte er nicht mehr genau — eine bis jetzt noch
unbekannte Handſchrift des Korans in die Hände
gefallen, nur ganz wenig von Mäuſen zerfreſſen
und mit Randgloſſen von Abubekr, dem Schwieger-
vater des Propheten, verſehen.
Es war leider ein Traum, deſſen Erfüllung kaum
im Bereich der Möglichkeit lag, aber ungeachtet des
ſonnigen Morgens wurde die Wirklichkeit umſo
** und die Stimmung des Barons umſo gräm-
icher.
Er kratzte ſich den Kopf, und ſein Blick fiel auf
den „Rembrandt“, der gerade über ſeinem Bette
und mit ſpöttiſchen Augen in das kahle Zimmer
lickte.
„Verdammte Schmiererei!“ ſagte Geldern.
Er ſchlug mit dem verſteinerten Hüftknochen
eines Höhlenbären auf den chineſiſchen Gong, der
neben ſeinem Bette ſtand, und auf dieſes dröhnende
Zeichen kam Niels Lund mit dem Teegeſchirr herein-
geſchlürft.
Auf dem Brett desſelben lagen drei Briefe; der
erſte war mit einer deutſchen, der zweite mit einer
däniſchen Marke beklebt, der dritte hatte überhaupt
keine Frankatur.
„Für den habe ich zwanzig Fennig beſahlen
müſſen,“ ſagte Niels, „das muß was bannig Wich-
tiges ſein.“
Geldern deutete nur auf die Stirn und öffnete
das letzte, ungeſchickt zuſammengefaltete und mit
Zwirnwachs verklebte Schreiben. Dasſelbe kam von
Fran Reichmann aus Eichkamp und lautete:
„Lieber und geſtrenger Herr Baron!
Mit Freuden ergreife ich die Feder, um Sie mit-
zuteilen, das mein Alter ſehr krank is. Er is gans
hinterſinnig und redet lauter dummes Zeug. Es
fteht hier Allens auf den Kopf womit ich verbleibe
ihre Sie innig liebende
Anna Margarete Reichmann
gebohrene Hammel.“
„Sie hätte bei ihrer Geburt verbleiben ſollen,“
murrte Geldern und griff nach dem zweiten Briefe.
Dieſer kam aus Berlin, war mit Bleiſtift auf
die Rückſeite einer Speiſekarte geſchrieben und ent-
hielt ohne Datum und Unterſchrift nur die Worte:
„Man will Ihrem Rembrandt ans Leder. Ach-
tung!“
„So ’n anonymer Wiſch!“ ſagte Geldern grim-
mig! „Und davor ſoll man Achtung haben! —
Niels!“
—— —
„Gib mir meine Pfeife.“
Der Baron ſtopfte ſich, noch immer im Bette lie-
gend, ſeine Pfeife, faltete die Speiſekarte zu einem
Fidibus und zündete an.
Dann griff er nach dem dritten Brief. Dieſer
kam aus Kopenhagen von dem Orientaliſten Pro-
feſſor Sörenſen. Der Gelehrte ſchrieb:
„Sehr geehrter Herr Baron! Geſtatten Sie mir
die Mitteilung einer Nachricht, welche für Sie
vielleicht von einigem Intereſſe ſein wird. Auf
meiner ſoeben beendigten Reiſe nach Italien, wo ich
im Vatikan einige Handſchriften ſtudierte, traf ich
zufällig mit dem Grafen Borromeo zuſammen, dem
Eigentümer der bekannten Inſeln, der Iſola Bella
und Iſola Madre im Lago maggiore. Bei einer
Korbflaſche Chianti, die wir in einer Oſteria in
Trastevere leerten, kam die Rede auf den berühmten
ſpaniſchen Alicante, und der Graf erzählte von einem
feuchtfröhlichen Abend, den er vor mehreren Jahren
an der Geburtsſtätte dieſes edlen Weines mit einem
Berta eben-
falls Ich habe
Katzenjammer.“
—— 4 —
„Dann biſt
du in der rich-
tigen Redak-
tionsſtimmung.
Wir wollen
nach Berlin zuz
rückfahren.“
Baron v.Gel-
dern richtete ſich
in ſeinem
ſchmalen eiſer-
— —
auf und warf
die Decke zu-
rück Dann rieb
er ſich die Augen
und dachte nach.
Er hatte ei-
nen wunderbar