Der Rembrandt.
Roman von Friedrich Jacobſen.
(Fortfebung.)
—
Nachdruck verboten)
gon war den Nachmittag übex auf der
Redaktion geweſen und kam erſt Abends
um acht Uhr nach Hauſe. Als er die
Korridortür aufſchloß, hörte er im roten
5 Salon ſeinen Freund herumrumorxen.
Es bot ſich dem Eintretenden ein Bild der
Wüſtenei.
Auf dem verſchoſſenen Teppich lag ein rampo-
nierter Manöverkoffer, umgeben von Kleidern und
Wäſche; Felix ſtand in Strümpfen und Hemdsärmeln
oben auf und trampelte ein Chaos von Gegenſtänden
in der einen Abteilung feſt.
„Nanu,“ ſagte Egon, „willſt du
Miete iſt doch bezahlt!“
„Ausrücken — jawohl. O wenn ich doch noch
meinen Burſchen hätte! Der Kerl war ſonſt ſo
dumm wie ein Nilpferd, aber packen konnte er.“
rücken? Die
„Das kannſt du auch, wie es ſcheint.“
Es geht Willſt Dır hinein! Er ſtampfte ein
der Slirn „Nämlich, ich habe ganz plötzlich meinen
Urlaub bekommen. Zetzt paſſierte doch nichts, meinte
der Cher, da wäre eS die beſte Jeit. Co u Mı
ſchuldsvoller Engel, und dabei wird eingebrochen,
daß es nur ſo kracht! So das Nachthemd
ſitzt feſt, das läßt ſich nur mit einer Dynamitpatrone
herausſprengen!“
Egon ſetzte ſich auf das Sofa und faltete die
— Orakitlierve, menr Aylnce. An o —
Reiſe denn hingehen?“
„Ins Seebad natürlich.
heißt doch das Neſt?“
„Neukirchen natürlich.“ —
Felix ſetzte ſich auf die Kofferabteilung, um dem
Nach Dingsda — wie
Inhalt die letzte Weihe zu geben, und faltete eben-
falls die Hände „Woher haſt du denn dieſen pythi-
ſchen Ausſpruch? Es ſtimmt nämlich.“
Ein Wort JC e Saa
„Vielleicht nebenbei — ovvder hHauptfächlich —
oder ausſchließlich, je nachdem. Man muß nämlich
immer zwei bis drei Fliegen mit einer Klappe ſchlagen:
Bad, Bild und Berta — eine ſchöne Alliteration.“
ſetzt; ich ſoll nämlich wirklich als Berichterſtatter
auf die Mailänder Blumenausſtellung.“
„Glücklicher! Wann?“ ;
„Bald. Morgen, heute, in einer Stunde —
Vorſchuß habe ich ſchon in der Taſche.“
Felix richtete ſich auf und überſah mit einem
Feldherrnblick das geſamte Terrain. „Dann verliert
Berlin an einem Tage zwei ſeiner bedeutendſten
Söhne. Ob es den Schlag verwinden WDE —
Übrigens glaube ich, daß wir unter dieſen Umſtänden
abſchließen müſſen.“
„Kann nicht Frau Müller — —4
„Nein, Frau Müller kann nicht.
meiſt im Duſel, und zweitens wird ſie niemals nüch-
tern. Das wäre noch netter, wenn dieſes Gemüſe-
weib in unſexer kalten Pracht Orgien feierte! Wir
müſſen zudecken, einkampfern und umdrehen — alles,
wie ſich's gehört. Haſt du zufällig etwas Inſekten-
pulver bei dir?“
„Wie ſollte ich dazu kommen?“
„Du willſt doch nach Italien. Haſt du dir ſchon
einen Zug ausbaldowert?“
„Vier Uhr früh könnte allenfalls paſſen.“
„Der geht ja Frankfurt Baſel“
„Ich wollte nämlich die Schweiz ein bißchen
mitnehmen. Die Mailänder Ausſtellung beginnt erſt
in einigen Tagen.“
„Alſo gut,“ entſchied Felix.
den
„Ungefähr um die-
Spult das Bild wieder? — —
„Es ſpukt. Ich habe meinem Chef natürlich
berichtet, aber er will nicht ran Es fehlte an einer
Anzeige, ſagte er Natürlich, man kann 0 A -
minelles Akteuſtück doch nicht mit einem außerdienſt-
lichen Morgenbummel eröffnen. Nun werde ich in
Eichkamp meine Spuren privatim verfolgen. Es
muß da was herauszukriegen ſein!“
„Und hier bleibt die Angelegenheit ruhen?“
Nicht ganz mein Lieber Es ſoll vigiliert wer-
den — auf den Pulverkopf, den Schmierfritz und
— nun ja, auch auf das Frauenzimmer, obgleich
die immer mur ein Nebelbild bleibt.“
„Ich glaube auch nicht daran, daß Maxgot“
— amn jeme Ziebe
ſoll man immer glauben.“ ;
Schweig Scheufal !“ . : }
Eie ſchwiegen eine Weile, Jaßen da und dachten
ein jeder an ſeine Liebe. Dann begann Felix aufs
neue zu packen. —
„Du machſt das ſo CIl ſagte Ca daß dl
mir eigentlich auch helfen könnteſt.“ —
„Dir? Willſt du denn auch verreiſen?“
„Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb.
Mein Ehef hat mız die Piſtole a e D
ſelbe Zeit brauſt auch irgend ſo 'n Bummelzug nach
Norden. Was machen wir denn mit der angeriſſe-
nen Nacht?“
„Ich glaube, in der Kuͤche ſteht noch Sr D
wird doch ſauer, bis wir zurückkommen.“
„Schön, kneipen wir durch! — Mein Koffer iſt
fix und fertig, deiner wird wohl auch nicht viel Zeit
ın Anſpruch nehmen. Eine Zahnbürſte und zwei
Papierkragen ſind bald gepackt“
Nachdem Egons „Felleiſen“, wie Felix ſich qus-
drückte, glücklich beſorgt war, ſiedelten die beiden
Globetrolter in den blauen Salon über, der nach
Egons Behauptung noch nicht fo ſehr nach Auf-
bruch ausſah.
Die Flaſchenbatterie erwies ſich als ziemlich be-
deutend, und wie das erſte Dutzend vertilgt war,
wurde Felix ſentimental.
„Nach Ablauf des Urlaubs kriege ich das An-
ſtellungsdekret,“ ſagte er. „Was ſoll man alsdann
mit den ungeheuren Geldern anfangen? Zindeſt
du nicht, daß dieſe Zimmerflucht für eine Familie
ausreicht?“
Egon brach das zweite Dutzend an.
ich dann mein Haupt hinlegen?“
„Wir könnten dich allenfalls als Schlafburſchen
in die Küche nehmen.“
„Wir? Wer?“
„Hm — ich meine nur ſo. Kann Berta kochen?“
„Wo ſoll
Alles was ſie mir vorſetzte, ſchmeckte wie Am-
broſig.“ /
„Jawohl, beſonders der Kuß. Den würde ich
mir uͤbrigens für die Zukunft verbitten.“ x
Aber Kelix — @IS Tetolide Da
Der Teufel ſoll euch Literaten LWan Ihr
ſeid'im ſtande, mit des Nächſten Weib durchzugehen,
bloß um eine Novelle daxuͤber zu ſchreiben. Das
nennt man alsdann Realiſtik.“
„Ich werde niemals einem Frauenzimmer nach-
laufen,“ beteuerte Egon.
„Wetten Ddaß —“ ;
Meinetwegen eine Pulle Sekt.“ ;
Proſit!
Dann ſchliefen ſie ein, jedex in ſeiner Sofaecke,
Egon träumte von dem kleinen Linné, demer bereits
murmelte er ekwas pon der vierten Klaſſe.“
„Pfui Teufel,“ ſagte Felix, au wirſt als Kor-
reſpondent der Landeszeitung doch. hoffentlich min-
deſtens zweiter Güte fahren Übrigens krähen die
Hähne. Es wird Zeit, daß wir an den Aufbruch
denken.“
Er verſchwand im Schlafzimmer und kehrte, zwei
Bettlaken hinter ſich ſchleppend, zurück.
„Was bedeutet das?“ fragte Egon gähnend.
„Häſt du das Traumwandeln?“
„Nein, mein Sohn, aber die Möbel müſſen zu-
Roman von Friedrich Jacobſen.
(Fortfebung.)
—
Nachdruck verboten)
gon war den Nachmittag übex auf der
Redaktion geweſen und kam erſt Abends
um acht Uhr nach Hauſe. Als er die
Korridortür aufſchloß, hörte er im roten
5 Salon ſeinen Freund herumrumorxen.
Es bot ſich dem Eintretenden ein Bild der
Wüſtenei.
Auf dem verſchoſſenen Teppich lag ein rampo-
nierter Manöverkoffer, umgeben von Kleidern und
Wäſche; Felix ſtand in Strümpfen und Hemdsärmeln
oben auf und trampelte ein Chaos von Gegenſtänden
in der einen Abteilung feſt.
„Nanu,“ ſagte Egon, „willſt du
Miete iſt doch bezahlt!“
„Ausrücken — jawohl. O wenn ich doch noch
meinen Burſchen hätte! Der Kerl war ſonſt ſo
dumm wie ein Nilpferd, aber packen konnte er.“
rücken? Die
„Das kannſt du auch, wie es ſcheint.“
Es geht Willſt Dır hinein! Er ſtampfte ein
der Slirn „Nämlich, ich habe ganz plötzlich meinen
Urlaub bekommen. Zetzt paſſierte doch nichts, meinte
der Cher, da wäre eS die beſte Jeit. Co u Mı
ſchuldsvoller Engel, und dabei wird eingebrochen,
daß es nur ſo kracht! So das Nachthemd
ſitzt feſt, das läßt ſich nur mit einer Dynamitpatrone
herausſprengen!“
Egon ſetzte ſich auf das Sofa und faltete die
— Orakitlierve, menr Aylnce. An o —
Reiſe denn hingehen?“
„Ins Seebad natürlich.
heißt doch das Neſt?“
„Neukirchen natürlich.“ —
Felix ſetzte ſich auf die Kofferabteilung, um dem
Nach Dingsda — wie
Inhalt die letzte Weihe zu geben, und faltete eben-
falls die Hände „Woher haſt du denn dieſen pythi-
ſchen Ausſpruch? Es ſtimmt nämlich.“
Ein Wort JC e Saa
„Vielleicht nebenbei — ovvder hHauptfächlich —
oder ausſchließlich, je nachdem. Man muß nämlich
immer zwei bis drei Fliegen mit einer Klappe ſchlagen:
Bad, Bild und Berta — eine ſchöne Alliteration.“
ſetzt; ich ſoll nämlich wirklich als Berichterſtatter
auf die Mailänder Blumenausſtellung.“
„Glücklicher! Wann?“ ;
„Bald. Morgen, heute, in einer Stunde —
Vorſchuß habe ich ſchon in der Taſche.“
Felix richtete ſich auf und überſah mit einem
Feldherrnblick das geſamte Terrain. „Dann verliert
Berlin an einem Tage zwei ſeiner bedeutendſten
Söhne. Ob es den Schlag verwinden WDE —
Übrigens glaube ich, daß wir unter dieſen Umſtänden
abſchließen müſſen.“
„Kann nicht Frau Müller — —4
„Nein, Frau Müller kann nicht.
meiſt im Duſel, und zweitens wird ſie niemals nüch-
tern. Das wäre noch netter, wenn dieſes Gemüſe-
weib in unſexer kalten Pracht Orgien feierte! Wir
müſſen zudecken, einkampfern und umdrehen — alles,
wie ſich's gehört. Haſt du zufällig etwas Inſekten-
pulver bei dir?“
„Wie ſollte ich dazu kommen?“
„Du willſt doch nach Italien. Haſt du dir ſchon
einen Zug ausbaldowert?“
„Vier Uhr früh könnte allenfalls paſſen.“
„Der geht ja Frankfurt Baſel“
„Ich wollte nämlich die Schweiz ein bißchen
mitnehmen. Die Mailänder Ausſtellung beginnt erſt
in einigen Tagen.“
„Alſo gut,“ entſchied Felix.
den
„Ungefähr um die-
Spult das Bild wieder? — —
„Es ſpukt. Ich habe meinem Chef natürlich
berichtet, aber er will nicht ran Es fehlte an einer
Anzeige, ſagte er Natürlich, man kann 0 A -
minelles Akteuſtück doch nicht mit einem außerdienſt-
lichen Morgenbummel eröffnen. Nun werde ich in
Eichkamp meine Spuren privatim verfolgen. Es
muß da was herauszukriegen ſein!“
„Und hier bleibt die Angelegenheit ruhen?“
Nicht ganz mein Lieber Es ſoll vigiliert wer-
den — auf den Pulverkopf, den Schmierfritz und
— nun ja, auch auf das Frauenzimmer, obgleich
die immer mur ein Nebelbild bleibt.“
„Ich glaube auch nicht daran, daß Maxgot“
— amn jeme Ziebe
ſoll man immer glauben.“ ;
Schweig Scheufal !“ . : }
Eie ſchwiegen eine Weile, Jaßen da und dachten
ein jeder an ſeine Liebe. Dann begann Felix aufs
neue zu packen. —
„Du machſt das ſo CIl ſagte Ca daß dl
mir eigentlich auch helfen könnteſt.“ —
„Dir? Willſt du denn auch verreiſen?“
„Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb.
Mein Ehef hat mız die Piſtole a e D
ſelbe Zeit brauſt auch irgend ſo 'n Bummelzug nach
Norden. Was machen wir denn mit der angeriſſe-
nen Nacht?“
„Ich glaube, in der Kuͤche ſteht noch Sr D
wird doch ſauer, bis wir zurückkommen.“
„Schön, kneipen wir durch! — Mein Koffer iſt
fix und fertig, deiner wird wohl auch nicht viel Zeit
ın Anſpruch nehmen. Eine Zahnbürſte und zwei
Papierkragen ſind bald gepackt“
Nachdem Egons „Felleiſen“, wie Felix ſich qus-
drückte, glücklich beſorgt war, ſiedelten die beiden
Globetrolter in den blauen Salon über, der nach
Egons Behauptung noch nicht fo ſehr nach Auf-
bruch ausſah.
Die Flaſchenbatterie erwies ſich als ziemlich be-
deutend, und wie das erſte Dutzend vertilgt war,
wurde Felix ſentimental.
„Nach Ablauf des Urlaubs kriege ich das An-
ſtellungsdekret,“ ſagte er. „Was ſoll man alsdann
mit den ungeheuren Geldern anfangen? Zindeſt
du nicht, daß dieſe Zimmerflucht für eine Familie
ausreicht?“
Egon brach das zweite Dutzend an.
ich dann mein Haupt hinlegen?“
„Wir könnten dich allenfalls als Schlafburſchen
in die Küche nehmen.“
„Wir? Wer?“
„Hm — ich meine nur ſo. Kann Berta kochen?“
„Wo ſoll
Alles was ſie mir vorſetzte, ſchmeckte wie Am-
broſig.“ /
„Jawohl, beſonders der Kuß. Den würde ich
mir uͤbrigens für die Zukunft verbitten.“ x
Aber Kelix — @IS Tetolide Da
Der Teufel ſoll euch Literaten LWan Ihr
ſeid'im ſtande, mit des Nächſten Weib durchzugehen,
bloß um eine Novelle daxuͤber zu ſchreiben. Das
nennt man alsdann Realiſtik.“
„Ich werde niemals einem Frauenzimmer nach-
laufen,“ beteuerte Egon.
„Wetten Ddaß —“ ;
Meinetwegen eine Pulle Sekt.“ ;
Proſit!
Dann ſchliefen ſie ein, jedex in ſeiner Sofaecke,
Egon träumte von dem kleinen Linné, demer bereits
murmelte er ekwas pon der vierten Klaſſe.“
„Pfui Teufel,“ ſagte Felix, au wirſt als Kor-
reſpondent der Landeszeitung doch. hoffentlich min-
deſtens zweiter Güte fahren Übrigens krähen die
Hähne. Es wird Zeit, daß wir an den Aufbruch
denken.“
Er verſchwand im Schlafzimmer und kehrte, zwei
Bettlaken hinter ſich ſchleppend, zurück.
„Was bedeutet das?“ fragte Egon gähnend.
„Häſt du das Traumwandeln?“
„Nein, mein Sohn, aber die Möbel müſſen zu-