traue und die Schritte der Polizei auf den Stufen
der Treppe erwarte; einmal griff er auch nach dem
kurzen ſchweren Brecheiſen, das unter der Bettſtelle
lag, und richtete ſich halb empox. Abex es wax nur
das Ehepaar Müller, welches ſich unten im Keller
zankte. Der Bahnſchaffner mochte ſoeben nach Hauſe
gekommen ſein und hatte vielleicht die beſſere Hälfte
im Duſel vorgefunden.
Dann wurde es ſtille, und der Verbrecher ſchlief
gleichfalls ein. Er lag in dem Bette ſeines ſchlimmſten
Feindes, und wenn der Traum ihm ixgend etwas
vorgaukelte, ſo waren das jedenfalls Pläne für eine
dunkle Zukunft, während Felix ſich höchſtens mit
einer ebenſo dunklen und verworrenen Begebenheit
beſchäftigte, welche bereits der Vergangenheit an-
gehörte, nämlich mit der Vorgeſchichte des geſtohle-
nen Rembrandt. Fortſetzung folat.)
— 534 —
Zum 50jährigen Jubiläum der
Semmeringbahn.
Siehe das untenſtehende Bild)
halbes Jahrhundert iſt verfloſſen, ſeit Kaiſer Franz
Joſeph die erſte Gebirgsbahn der Erde, die Sem-
meringbahn, dem Vexkehr übergeben hat, und mit Recht
hat man in Sſterreich das 56jährige Jubiläum dieſes
Ereigniſſes mit großen Feſtlichkeiten feierlich hegangen.
Denn eine Großtat der Technik wurde damit verrich-
tet, eine Aufgabe gelöſt, die bis dahin für unmöglich
galt. Der geniale Techniker Rarl Ghega, der ſpäter
geadelt und zum Miniſterialdirektor ernannt wurde,
hat das kühne Werk entworfen und allen Hinderniſſen
zum Trotz mit eiſerner Tatkraft durchgeführk, und zwar
in ſo vollendeter Weiſe, daß es heute noch daſteht wie
vor fünfzig Jahren. Niemals war in dieſer Zeit der
Betrieb geſtört, nirgends mußte die Linie verlegt werden,
der Unterbau iſt heute noch dem ſo ungeheuer geſtiegenen
Verkehr gewachſen. — Die Semmeringbahn, welche die
Donau mit der Adria, Wien mit Trieſt auf dem nächſten
Wege verbindet, beginnt in Gloggnitz in Niederöſterreich,
erreicht ihren höchſten Punkt in der Einſattelung zwiſchen
den Berggruppen der Kampalpe und des Sonnwend-
ſteins im großen Tunnel 897 Meter über der Meeres-
fläche und hat bis zu ihrem Endpunkte Mürzzuſchlag
in Steiermark eine Geſamtlänge von nur 42 Kilometer.
Aber von dieſer kurzen Strecke liegt die Hälfte in zum
Teil ſehr engen Kurven, die Steigung beträgt oft zwiſchen
20 und 25 Meter auf 1000 Meter, es werden 15 Tunnel
mit 4533 Meter Geſamtlänge durchfahren, 129 kleinere
Brücken, 16 ſteinerne Viadukte waren zu bauen, Schwierig- _
keiten, vor denen bei dem damaligen Stand der Technit
jedermann zurückſchreckte, waren zu überwinden, und die
Koſten beliefen ſich denn auch auf die ungeheure Summe
von 22 Millionen Gulden Aber nicht nur als genialer
Techniker, auch als Künſtler hat ſich der Erbaͤuer er-
wieſen. Die Bauten der Semmeringbahn ſchmiegen ſich
formvollendet dem Charakter der Landſchaft an, deren
reizende Naturſchönheiten allbekannt ſind. Die Wiener
haben den Vorzug, ſie ſtets genießen zu können, und die
an allen Sonn- und Feiertägen nach Mürzzuſchlag ab-
gehenden Vergnügungszüge ſind ebenſo wie die fahr-
planmäßigen ſtets überfüllt. Von den Kunſtbauten und
Naturſchönheiten der Linie zeigt unſer Bild die Pollexos-
oder Bollerswand. Sie liegt nicht weit von der Paß-
höhe. Die Bahn paſſiert die lotrechten Mauern der
Polleroswand mittels eines Tunnels und überſchreitet
dann die Schlucht der Kalten Rinne auf 46 Meter hohem,
184 Meter langem Viadukt. Im Hintergrunde ſieht man
die Raxalpe, das Paradies der Wiener Bergſteiger, zu-
gleich den Berg der Alpen, deſſen Beſteigung die meiſten
Opfer fordert.
—
Das Todaustragen in Zöhmen.
(Siehe das Bild auf. Seite 535.)
e weniger ein Volk noch in der Kultur vorgeſchritten
iſt, in deſto innigexem Zuſammenhang lebt es mit
der Natur. In den Sagen und Kulten aller Völker
findet man daher auch einſt eine viel engere Anlehnung
an die Jahreszeiten, die Phantaſie dex Völker per-
ſonifizierte den Wechſel derſelben im Mythus. Ein
Gott wird von einem anderen, ſtärkeren verdrängt.
Götter des Lichts und Lebens kämpfen mit denen der
Finſternis und des Todes. Exklärlicherweiſe erfreuten
fich die Licht und Sonnenſchein, Wärme und Frucht-
der Menſchen, während man die mit Dunkelheit und
Nebelwetter, Froſt und Unfruchtbarkeit einhexziehenden
fürchtete und ſcheute So feierte man noch bis vor
nicht langer Zeit den Einzug dex holden Frühlings-
götter; in vielen Oſterbräuchen ſind uns davon noch
Kachktänge geblieben. Wenn das Eis der Flüſſe und
Bäche ſchivand, wenn es auf Feldern, Wieſen und Triften
zu grünen begann, dann wax es Zeit, dem ſcheidenden
Winter das Grabgeleit zu geben, bevor man den Einzug
des Mais feierte! Bei der Darſtellung des Winters
als altersſchwacher Perſönlichkeit zeigte ſich nach der Eiy⸗—
führung des Chriſtentums auch der Volkswitz, an Stelle
des Reif⸗ und Froſtrieſen trat eine „Tod“ genannte Puppe
aus Stroh und Lumpen, die man mit allen verblichenen
Bändern ausputzte und an eine hohe Stange band.
Jubelnd und Spottlieder ſingend ſcharte ſich damı, wie
auf unſerem Bilde, die ganze Jugend um dieſe Stroh-
puppe, um mit ihr durch das Dorf zu wandern und ſie
ſchließlich in den nächſten Fluß zu werfen oder zu be-
graben. Winteraustreiben oder Todaustragen nennt
man dieſe Sitte, die in manchen Gegenden Böhwens,
Schleſiens und dex Lauſitz noch heute üblich iſt Dahei
wird natürlich allerlei Scherz getrieben, und der alte
Frühlingsbrauch gibt den Burfchen und Mädchen des
Dorfes willkommene Gelegenheit zu näherer Bekanntſchaft,
wie dies in ganz Deutſchland bei den üblichen Wald-
ſpaziergängen in der Morgenfrühe des erſten Mait, dem
„Maitdulaufen“, auch bei der Jugend unſerer Städte
noch der Fall iſt.
— —
Rette ſich, wer kann!
(Siche das Zilo auf Seite 5539.)
jm allgemeinen hört man nur dapon, daß der Hirſch
gejagt wird und nicht, daß dieſer ſonſt ſo flüchtige,
ſchen dem Menſchen ausweichende König der deutſchen
Wälder“ ſelbſt jagt und noch dazu Menſchen. Und doch
kommt es nicht ſo ſelten vor, daß Hirſche, ja ſelbſt Reh-
böcke den Menſchen „annehmen“, das heißt ihn angreifen
oder wenigſtens ſich energiſch gegen ihn zur Wehr ſetzen.
Beſonders in der Brunſtzeit, wenn die Tiere höchſt auf-
geregt und zum Kampf auf Leben und Tod mit einem
Nebenbuhler entſchloſſen ſind, aber auch bei anderen Ge-
legenheiten werden ſie dem unbewaffneten Menſchen zu-
weilen gefährlich. Das mußte auch die kleine Geſell-
ſchaft auf unſerem Bilde S. 539 erfahren. Die beiden
jungen Pärchen, die da noch hei Sterngeflimmer am Rande
des Waldſees wandelten, haben es ſich nicht im geringſten
träumen laſſen, welch ein Abenteuex ihrex harxte. Da
plötzlich knackt das Unterholz unter dem elaſtiſchen Tritt
eines mächtigen Hirſches. Zornig funkeln ſeine Augen
— ein kurzes wildes Schnauben, und in großen Sätzen
ſtürmt er gegen die Ahnungsloſen an. Jetzt heißt es:
Rette ſich wer kann!“ Zum Glück bietet ein Draht-
zaun ſicheren Schutz vor den ſpitzen Enden des Geweihs,
und hinter den fehen wir jetzt unſere beiden Paare ſich
mit fabelhafter Geſchwindigkeit flüchten. Der Hirſch
muß ſich damit begnügen, ſeine Wut an einem verloren
gegangenen Muff auszulaſſen.
—
der Treppe erwarte; einmal griff er auch nach dem
kurzen ſchweren Brecheiſen, das unter der Bettſtelle
lag, und richtete ſich halb empox. Abex es wax nur
das Ehepaar Müller, welches ſich unten im Keller
zankte. Der Bahnſchaffner mochte ſoeben nach Hauſe
gekommen ſein und hatte vielleicht die beſſere Hälfte
im Duſel vorgefunden.
Dann wurde es ſtille, und der Verbrecher ſchlief
gleichfalls ein. Er lag in dem Bette ſeines ſchlimmſten
Feindes, und wenn der Traum ihm ixgend etwas
vorgaukelte, ſo waren das jedenfalls Pläne für eine
dunkle Zukunft, während Felix ſich höchſtens mit
einer ebenſo dunklen und verworrenen Begebenheit
beſchäftigte, welche bereits der Vergangenheit an-
gehörte, nämlich mit der Vorgeſchichte des geſtohle-
nen Rembrandt. Fortſetzung folat.)
— 534 —
Zum 50jährigen Jubiläum der
Semmeringbahn.
Siehe das untenſtehende Bild)
halbes Jahrhundert iſt verfloſſen, ſeit Kaiſer Franz
Joſeph die erſte Gebirgsbahn der Erde, die Sem-
meringbahn, dem Vexkehr übergeben hat, und mit Recht
hat man in Sſterreich das 56jährige Jubiläum dieſes
Ereigniſſes mit großen Feſtlichkeiten feierlich hegangen.
Denn eine Großtat der Technik wurde damit verrich-
tet, eine Aufgabe gelöſt, die bis dahin für unmöglich
galt. Der geniale Techniker Rarl Ghega, der ſpäter
geadelt und zum Miniſterialdirektor ernannt wurde,
hat das kühne Werk entworfen und allen Hinderniſſen
zum Trotz mit eiſerner Tatkraft durchgeführk, und zwar
in ſo vollendeter Weiſe, daß es heute noch daſteht wie
vor fünfzig Jahren. Niemals war in dieſer Zeit der
Betrieb geſtört, nirgends mußte die Linie verlegt werden,
der Unterbau iſt heute noch dem ſo ungeheuer geſtiegenen
Verkehr gewachſen. — Die Semmeringbahn, welche die
Donau mit der Adria, Wien mit Trieſt auf dem nächſten
Wege verbindet, beginnt in Gloggnitz in Niederöſterreich,
erreicht ihren höchſten Punkt in der Einſattelung zwiſchen
den Berggruppen der Kampalpe und des Sonnwend-
ſteins im großen Tunnel 897 Meter über der Meeres-
fläche und hat bis zu ihrem Endpunkte Mürzzuſchlag
in Steiermark eine Geſamtlänge von nur 42 Kilometer.
Aber von dieſer kurzen Strecke liegt die Hälfte in zum
Teil ſehr engen Kurven, die Steigung beträgt oft zwiſchen
20 und 25 Meter auf 1000 Meter, es werden 15 Tunnel
mit 4533 Meter Geſamtlänge durchfahren, 129 kleinere
Brücken, 16 ſteinerne Viadukte waren zu bauen, Schwierig- _
keiten, vor denen bei dem damaligen Stand der Technit
jedermann zurückſchreckte, waren zu überwinden, und die
Koſten beliefen ſich denn auch auf die ungeheure Summe
von 22 Millionen Gulden Aber nicht nur als genialer
Techniker, auch als Künſtler hat ſich der Erbaͤuer er-
wieſen. Die Bauten der Semmeringbahn ſchmiegen ſich
formvollendet dem Charakter der Landſchaft an, deren
reizende Naturſchönheiten allbekannt ſind. Die Wiener
haben den Vorzug, ſie ſtets genießen zu können, und die
an allen Sonn- und Feiertägen nach Mürzzuſchlag ab-
gehenden Vergnügungszüge ſind ebenſo wie die fahr-
planmäßigen ſtets überfüllt. Von den Kunſtbauten und
Naturſchönheiten der Linie zeigt unſer Bild die Pollexos-
oder Bollerswand. Sie liegt nicht weit von der Paß-
höhe. Die Bahn paſſiert die lotrechten Mauern der
Polleroswand mittels eines Tunnels und überſchreitet
dann die Schlucht der Kalten Rinne auf 46 Meter hohem,
184 Meter langem Viadukt. Im Hintergrunde ſieht man
die Raxalpe, das Paradies der Wiener Bergſteiger, zu-
gleich den Berg der Alpen, deſſen Beſteigung die meiſten
Opfer fordert.
—
Das Todaustragen in Zöhmen.
(Siehe das Bild auf. Seite 535.)
e weniger ein Volk noch in der Kultur vorgeſchritten
iſt, in deſto innigexem Zuſammenhang lebt es mit
der Natur. In den Sagen und Kulten aller Völker
findet man daher auch einſt eine viel engere Anlehnung
an die Jahreszeiten, die Phantaſie dex Völker per-
ſonifizierte den Wechſel derſelben im Mythus. Ein
Gott wird von einem anderen, ſtärkeren verdrängt.
Götter des Lichts und Lebens kämpfen mit denen der
Finſternis und des Todes. Exklärlicherweiſe erfreuten
fich die Licht und Sonnenſchein, Wärme und Frucht-
der Menſchen, während man die mit Dunkelheit und
Nebelwetter, Froſt und Unfruchtbarkeit einhexziehenden
fürchtete und ſcheute So feierte man noch bis vor
nicht langer Zeit den Einzug dex holden Frühlings-
götter; in vielen Oſterbräuchen ſind uns davon noch
Kachktänge geblieben. Wenn das Eis der Flüſſe und
Bäche ſchivand, wenn es auf Feldern, Wieſen und Triften
zu grünen begann, dann wax es Zeit, dem ſcheidenden
Winter das Grabgeleit zu geben, bevor man den Einzug
des Mais feierte! Bei der Darſtellung des Winters
als altersſchwacher Perſönlichkeit zeigte ſich nach der Eiy⸗—
führung des Chriſtentums auch der Volkswitz, an Stelle
des Reif⸗ und Froſtrieſen trat eine „Tod“ genannte Puppe
aus Stroh und Lumpen, die man mit allen verblichenen
Bändern ausputzte und an eine hohe Stange band.
Jubelnd und Spottlieder ſingend ſcharte ſich damı, wie
auf unſerem Bilde, die ganze Jugend um dieſe Stroh-
puppe, um mit ihr durch das Dorf zu wandern und ſie
ſchließlich in den nächſten Fluß zu werfen oder zu be-
graben. Winteraustreiben oder Todaustragen nennt
man dieſe Sitte, die in manchen Gegenden Böhwens,
Schleſiens und dex Lauſitz noch heute üblich iſt Dahei
wird natürlich allerlei Scherz getrieben, und der alte
Frühlingsbrauch gibt den Burfchen und Mädchen des
Dorfes willkommene Gelegenheit zu näherer Bekanntſchaft,
wie dies in ganz Deutſchland bei den üblichen Wald-
ſpaziergängen in der Morgenfrühe des erſten Mait, dem
„Maitdulaufen“, auch bei der Jugend unſerer Städte
noch der Fall iſt.
— —
Rette ſich, wer kann!
(Siche das Zilo auf Seite 5539.)
jm allgemeinen hört man nur dapon, daß der Hirſch
gejagt wird und nicht, daß dieſer ſonſt ſo flüchtige,
ſchen dem Menſchen ausweichende König der deutſchen
Wälder“ ſelbſt jagt und noch dazu Menſchen. Und doch
kommt es nicht ſo ſelten vor, daß Hirſche, ja ſelbſt Reh-
böcke den Menſchen „annehmen“, das heißt ihn angreifen
oder wenigſtens ſich energiſch gegen ihn zur Wehr ſetzen.
Beſonders in der Brunſtzeit, wenn die Tiere höchſt auf-
geregt und zum Kampf auf Leben und Tod mit einem
Nebenbuhler entſchloſſen ſind, aber auch bei anderen Ge-
legenheiten werden ſie dem unbewaffneten Menſchen zu-
weilen gefährlich. Das mußte auch die kleine Geſell-
ſchaft auf unſerem Bilde S. 539 erfahren. Die beiden
jungen Pärchen, die da noch hei Sterngeflimmer am Rande
des Waldſees wandelten, haben es ſich nicht im geringſten
träumen laſſen, welch ein Abenteuex ihrex harxte. Da
plötzlich knackt das Unterholz unter dem elaſtiſchen Tritt
eines mächtigen Hirſches. Zornig funkeln ſeine Augen
— ein kurzes wildes Schnauben, und in großen Sätzen
ſtürmt er gegen die Ahnungsloſen an. Jetzt heißt es:
Rette ſich wer kann!“ Zum Glück bietet ein Draht-
zaun ſicheren Schutz vor den ſpitzen Enden des Geweihs,
und hinter den fehen wir jetzt unſere beiden Paare ſich
mit fabelhafter Geſchwindigkeit flüchten. Der Hirſch
muß ſich damit begnügen, ſeine Wut an einem verloren
gegangenen Muff auszulaſſen.
—