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Weber, Paul [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband — Marburg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.12581#0044

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Bauernhaus.

Eine geschlossene Abgrenzung des Gehöftes nach der Straße zu gehört jetzt selbst in den
reinen Bauerndörfern bereits zu den Ausnahmen. (Ein schönes Beispiel für den alten Typus der
Tafel 18 überdachten Torfahrt mit dem Fußgängertörchen daneben in Asbach.) Selbst in den reichen Ge-
höften in Fambach, wo bäuerlich geschmückte Steinpfosten, bekrönt mit riesigen steinernen Eicheln
Tafel 6 (meist aus dem Ende des 18. oder Beginne des 19. Jahrhunderts) die Einteilung der alten Torfahrt
in Erinnerung halten, sind doch die Torflügel verschwunden. Das Offenliegen des Hofes scheint
Volkssitte geworden zu sein.
Nur in seltenen Fällen findet sich das sonst bei der fränkisch-thüringischen Hofanlage
übliche Vorgärtchen vor der Giebelseite des Wohnhauses nach der Straße zu. Das Wohnhaus
steht fast immer mit der Giebelseite nach der Straße. (Ausnahmen häufiger in Seligenthal und Fambach.)
Datierungen und Inschriften an den Häusern sind leider selten. Doch läßt sich mit ziemlicher
Sicherheit annehmen, daß von den Bauerngehöften in ihrem jetzigen Bestände wenige über die
Zeit des dreißigjährigen Krieges zurückgehen.
Tafel 52 Eine Ausnahme macht sowohl im Alter wie in der Gestaltung der Kapitelhof in Näher-
stille, ein noch durchaus mittelalterlicher Fachwerkbau, über welchen unter Näherstille ausführlich
gehandelt wird.
Leider dringt die Gewohnheit, das schöne alte Fachwerk unter Kalkputz zu verstecken,
mit riesiger Geschwindigkeit bis ins fernste Gebirgsdorf vor, so daß dadurch der baugeschichtlichen
Erforschung und Datierung schon jetzt sehr enge Grenzen gezogen sind. Einheitlich bäuerliche
Dorfbilder gehören leider bereits zu den Ausnahmen. Sehr übel wirken auch die bunt gemusterten
Zementziegeldächer zwischen den einheitlichen dunkelroten Ziegeldächern1). (Strohdächer sind
nicht mehr vorhanden.)
Der Grundriß des Wohnhauses entspricht dem üblichen fränkisch-thüringischen
Schema.
Tafel 6 u.8 Wir bringen zwei Beispiele, aus Fambach und aus Springstille: Der Eintritt erfolgt vom
Hofe aus seitwärts. Zuerst gelangt man in den Ehrn, dessen rückwärtiger Teil in den neueren
Bauten meist als Küchenraum abgetrennt und selbständig ausgestaltet ist, während in den älteren
Häusern eine Trennung zwischen Küche und Ehrn noch nicht besteht. Als Anbau nach rückwärts
der Backofen. Auf der einen Seite kommt man aus dem Ehrn in die Wohnstube, gewöhnlich über einige
Stufen hinweg, denn der Wohnraum ist fast regelmäßig unterkellert; nach der andern Seite in die
Kammer, die, falls unterkellert (was oft zutrifft), natürlich auch erhöht liegt. Zwei weitere
Kammern schließen sich rechts und links der Küche nach rückwärts an. Häufig ist die Wohnstube,
die stets nach der Straßenseite geht, von der dahinterliegenden Kammer nur durch einen offenen
Bogen geschieden. Zuweilen, wie auf dem von uns abgebildeten Beispiel aus Fambach, befindet
sich hier der Backofen.
In der Küche steht ein — bei den älteren Häusern meist recht großer — steinerner Herd,
überdeckt von einem mächtigen Rauchfang, dessen Esse erst an der Diele des Oberstockes beginnt.
Aus der Küche führt die Treppe hinab zum Keller. Ist das Haus beiderseitig unterkellert, so führt
rechts und links je eine gesonderte Kellertreppe hinab.
Aus dem Ehrn steigt die Treppe zum Oberstock empor. Im Oberstock finden sich bei
den stattlicheren Gehöften zwei Stuben nach vorn heraus, zwei Kammern nach rückwärts, bei den
einfacheren eine Stube und eine Kammer. Durch ein viereckiges Loch im Boden wird die Wärme
aus der darunter liegenden heizbaren Wohnstube für diese obere mit nutzbar gemacht. Das
Dachgeschoß enthält in der Regel nur einen einzigen großen Bodenraum. Zuweilen findet sich noch

1) Das obrigkeitliche Verbot störender Zementziegeldächer, das jetzt für weite Strecken Deutschlands gilt, ist
aus den traurigen Erfahrungen des Kreises Schmalkalden und aus der Energie seines Landrats Dr. Hagen zuerst hervor-
gewachsen.
 
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