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Weber, Paul [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband — Marburg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.12581#0046

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26

Bauernhaus.

Tafel 10 zierung des Türsturzes finden sich: Tauschnüre, welche dann auch die Pforten umziehen, Zahnschnitt
oder geschweifte Zierleisten; auf diesen bei Bauten des 18. Jahrhunderts hier und da der Name des
Tafel 51, i Erbauers und die Jahreszahl, in ein besonderes Brett eingeschnitten.
Die alten Türflügel und Türgewände verschwinden jetzt sehr schnell, um hohen rechteckigen
Tafel 59 Türen mit Oberlicht und Vertikalteilung Platz zu machen. Zuweilen bestehen die alte und die moderne
Haustür friedlich nebeneinander.
Der Laubengang vom ersten Geschoß des Wohnhauses nach den Wirtschaftsgebäuden
ist selten geworden (Asbach, Vorderer Hof).
Die einst so beliebte fränkische Laube vor dem Hauseingang ist fast ganz verschwunden.
Verkümmerte Nachklänge auf dem Kirrhofe, in Auwalienburg, Fambach, Herges-Hallenberg und
Elmental.
Von alter Innenausstattung hat sich überraschend viel erhalten, namentlich bunt
Tafel 8 bemalte Schränke, öfters mit Tellerleisten im Oberteil oder mit zweiflügeligem verschließbarem
Tafel 6 Oberfach, ferner der alte deutsche Tisch mit gekreuzten oder konvergierenden, verpflockten Beinen
und mit zwei Schubladen übereinander, zuweilen noch beinahe gotisch in der Erscheinung. Ferner
bemalte und geschnitzte Truhen, Stühle mit ausgesägten Lehnen in Barock- und Rokokoformen;
der breite Lehnstuhl öfters noch in Renaissanceform mit Lederbezug und geschnitztem Aufsatz
auf der Rücklehne.
Von einer Aufzählung der alten Ausstattungsstücke unter dem Namen des einzelnen Besitzers
wird bei der nachfolgenden Beschreibung der einzelnen Ortschaften mit Vorbedacht Abstand ge-
nommen, um nicht dem Altertumshandel noch mehr die Wege zu ebnen. Er ist ohnehin aufs eifrigste
mit der Ausplünderung der an altem Kulturgut manchmal noch reichen Schmalkalder Bauern-
dörfer beschäftigt.
Tafel 8 Eine Ausnahme ist bei dem Linz’schen Hause in Springstille gemacht worden, um an einem
Typus zu zeigen, was alles in einem wohl erhaltenen alten Bauernhause an Kunstformen sich findet.
Wie stark der städtische Geschmack auch hier vor alters schon eingewirkt hat, zeigt die Stubentür
mit ihren zierlichen, in bunter Malerei aufgesetzten Rokoko-Ornamenten.
Ein Prachtstück ist in vielen Bauernhäusern, zum Teil auch in den Kleinfeuerarbeiter-
Tafel 10 häusern, der Ofen. Auf einem Unterbau von mächtigen gußeisernen Platten erhebt sich ein Aufbau
von dunkel glasierten Kacheln, in deren Verzierung sich alle Geschmacksrichtungen von der ein-
fachsten ursprünglichen Bauernform bis zum kunstreichen Empire und Biedermeierstil wieder-
spiegeln. Die aus Messingblech hergestellte Tür zur Röhre zeigt oft getriebene figürliche und orna-
mentale Darstellungen.
Unter den gußeisernen Platten finden sich selbst in ganz kleinen Häusern überraschend
schöne Stücke, zum Teil von hohem Alter, bis zurück ins 16. Jahrhundert. Manche davon lassen
sich auf die Gießerwerkstatt Kloster Haina zurückführen. Neben biblischen Szenen kommen be-
sonders häufig die Wappen oder das Monogramm der Landesherren vor, auch Jagdszenen, aller-
Tafel 11 hand Symbole, das springende Roß oder ornamentale Muster. Eine kleine Sammlung besonders
charakteristischer Ofenplatten aus den Landorten und der Stadt befindet sich im Henneberger Museum
auf Schloß Wilhelmsburg. Eine Anzahl schöner Stücke auch in der Eisengießerei zu Auehütte bei
Schmalkalden.
Tafel io Die Füße des Ofens sind oft reich verziert. Zur Seite des Ofens stehen eine oder zwei
steinerne Ofenbänke.
Auch dieser Rest volkstümlicher Kunst geht rasch seinem Untergang entgegen, erstens
durch die billige Fabrikware, mit der das Land überschwemmt wird, zweitens durch eine neue
Kaminfegeordnung, welche eine Änderung der Essenanlage des ganzen Hauses erzwingt und da-
bei diesen Öfen den Tod bringt.
 
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