Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
126

sätze, von denen wir hier Fig. 62 einen besonders anmntigen
mitteilen, znmal auch deswegen, weil hier ein seltsamer Wider-
spruch in der Erfindung zu Tage tritt, welcher geeignet ist,
unseren modernen kunstgewerblichen Bestrebnngen als eben so
belehrendes wie warnendes Beispiel zu dienen. Es ist das ein
in Pompeji gefundener bronzener Gefäßhalter, welcher einen
Silen vorstellt. Der bärtige Alte, nackt bis auf einen um die
Lenden gegürteten Schnrz, hält hier mit aller Kraft und schwerer
Anstrengnng mit seiner Linken ein Gefäß empor, welches in
einem mit Palmetten (die das Herabgleiten des Gefäßes ver-
hindern sollten) versehenen Ring stand; Fragmente des Gefäßes
sind mit der Figur gefunden worden. Stellung und Haltung
der Statuette sind meisterhaft ausgeführt; breitbeinig, um einen
recht festen Halt am Bodcn zu haben, steht der dickbäuchige Ge-
sell da, mit dem rechten Arm das Gleichgewicht gegen die schwere
Last herzustellen suchend, das bärtige Kinn gegen die Brust ge-
drückt, die Stirn wie im Ärger über die ihm zugemutete Arbeit
unwillig gerunzelt. Jndessen mit Recht weist Overbeck darauf
hin, daß sich mit dieser untadelhaft ausgeführten, vortrefflichen
Komposition eine ganz ungereimte Erfindung zur Aufnahme des
von der Figur getragenen Gefäßes verbindet. Zwar daß die
Palmctten unorganisch aus dem Ringe hervorspringen, soll nicht
fo sehr betont werden; aber daß der Leib des Ringes von einer
Schlange gebildet wird, daß der Silen diesen Ring an einem
Punkt seines klmkreises faßt und so die Last hcbt, ist schon an
und für sich statisch und mechanisch ein Ding der Unmöglichkeit;
und das ärgste ist, daß eine lebendige, sich ringelnde Schlange,
deren Wesen die Biegsamkeit, die Elasticität ist, hier als der
eigentliche Träger erscheint. „Es dürfte schwer sein", bemerkt
Overbeck, „ein zweites Beispiel aus der verwandten Antike anfzu-
finden, in welchem sich der feinste künstlerische Geschmack mit einem
ähnlichen Mangel an Takt und Gesühl verbände, während wir
Modernen freilich zu hunderten dergleichen Erfindungen machen,
gegen welche diese hier noch als musterhaft gelten muß."*)

Överbeck, Pvmpeji, 4. Aufl. S. 552.
 
Annotationen