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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0173

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1331

O.Dezember. WOCHENSCHRIFT EUR KLASSISCHE PHILOLOGIE. 1903. Nu. 40. 13b*

Solch neue Funde, die Licht verbreiten können j
über ganze Strecken dieses Gebietes, legt uns
trefflich ediert jetzt F. Boll vor. Bei seinen Ar-
beiten als Mitherausgeber des Catalogus codicum
astrologorum graecorura fand er in mehreren
Handschriften astrologische Texte, die richtig ab-
gefragt zum erstenmal wirklichen Aufschlufs geben
über den orientalischen (babylouisch-ägyptischeu)
Einflufs auf die astroguostische Literatur der Grie-
chen und Römer und sein Fortleben in ihr. Wie
weit durch sie unser Verständnis der antiken
Astrologie gefördert wird, für die Astronomie
geben sie kaum etwas aus, scheint B. erst in
zweiter Linie untersucheuswert, ihm kommt es
mit Recht vor allem darauf an, sie nutzbar zu
macheu für die Geschichte der Sternbilder. Durch
seine umfassende uud intime Kenntnis des ein-
schlägigen antiken Materials, des gedruckten wie
handschriftlichen, des illustrativen wie monumen-
mentalen, unter Heranziehung ägyptischer, baby-
lonischer und ostasiatischer Denkmäler wie Schrif-
ten und unter sorgfältiger Benutzung aller, selbst
der frühesten uud entlegensten Vorarbeiten gelingt
es ihm, von den scheinbar dürftigen Texten nach
den verschiedensten Seiten hin Beziehungen auf-
zudecken uud über mannigfaltige Gebiete der
Altertumswissenschaft Klaihuit Zu > ci fer?5TfPÖte Öa*
mit werden seine Erläuterungen, ein Buch von
564 Seiten, eiu wichtiger Beitrag zur Mythologie
und Literaturgeschichte, der in vielen Teilen das
Interesse des Agyptologeu und Assyriologen nicht
weniger als das des klassischen Philologen erregen
wird.

Diese Texte, deren handschriftliche Überliefe-
rung und Rezension nicht einheitlicher Natur sind,
gehören inhaltlich zu einer Gruppe: es sind Para-
natellontenverzeichuisse. Als solche geben sie von
jedem Sternbild, auch denen des Zodiacus, die
Länge uud die vier für die Bestimmung der Nati-
vität wichtigsten Stellungen, die cardines genitu-
rarum (Aufgang, Untergang, Kulmination, Gegen-
kulmination) an mit Rücksicht auf die Tierkreis-
zeichen oder richtiger die Ekliptik, diese bald
durch Grade, bald durch Dekane (= 10°) oder
signa (= 30°) bezeichnend. Sie bieten damit zwei
verschiedene Elemente eng vereinigt, von denen
das eine, die Angaben der Sternlängen, aus schrift-
licher Tradition stammen mag, schou Hipparchs
Fixstern Verzeichnis enthielt jene, während das
andere, die Notizen über die vier astrologisch be-
deutsamsten Stellungen der Sternbilder, in letzter
Linie von Bildergloben abhängig ist. Ursprüng-
lich für den Gebrauch bei nur einem Volke be-

rechnet uud daher nur auf dessen Himmclsbild
bezogen wurden solche Listen, um ihrer Verwend-
barkeit ein gröfseres Gebiet zu eröffnen uud der
astrologischen Deutung einen weiteren Spielraum
zu gewähren, später in der Weise mit einander
verschmolzen, dafs für dasselbe Sternbild die in
verschiedenen Sphären (den Beschreibungen des
Sternhimmels verschiedener Völker) gebräuchlichen
Namen neben einauder angeführt wurden und
auch neue, meist durch andere Gruppierung der
Einzelsterne gewonnene, Sternbilder Aufnahme
fanden. Eine derartige enge Verbindung mehrerer
Sphären (der griechischen uud uichtgriechischen),
höchst bedeutsam als der sichtbare Ausdruck einer
Mischung verschiedener Kulturen, liegt iu unseren
Verzeichnissen vor. Geliugt es durch Ideutifizirung
der unbekannten mit bekannten Sternbildern dies
Gemisch in seiue Bestandteile zu zerlegen uud
eine reinliche Scheidung durchzuführen, so
mufs uns dadurch Aufklärung werden über die
verschiedenen Sphären, ihr gegenseitiges Verhältnis
und das Wesen ihrer Verbindung. Iu dieser weit-
tragenden Bedeutung unsere Texte richtig zu
werten, befähigte B. die Vorstellung, die er von
der Sphaera als literarischer Gattung gewonnen
hatte. Gegenüber den früheren unrichtigen Deu-
"TfflP^u üuo TTTTTLTSPfjfl'i^r'fRu^riSj^^Lei^iSpuaeKi
barbarica erkannte er mit glücklichem Scharfsinn,
dafs damit ursprünglich die Beschreibung des
Sternhimmels eines barbarischen Volkes, speziell
der Babylonier und Ägypter, im Gegensatz zur
Sphaera graecania bezeichnet werde, später aber,
relativ jedoch schon früh, eiu Gemisch aus diesen
drei gegenüber der reingriechischen Sphäre. In
diesem letzteren Sinn gehören auch unsere Texte
zur Sphaera barbarica, von der sie noch eiu
zweites Charakteristikum, den mehrdeutigen Ge-
brauch des Wortes nccqavuTsXXsiVj aufweisen. Mit
diesem nämlich, das als Terminus Boll ausführlich
erläutert, werden hier unterschiedslos uud ohne
nähere Erklärung die fünf verschiedenen, oben
genannten Angaben über die einzelnen Sternbilder
gemacht, so dafs die jeweilige Bedeutung in jedem
Falle besonders festzustellen ist.

Die meisten dieser Parauatellontenlisten, von
denen sich mehrere als leicht herauszuhebende
Bestandteile astrologischer Syutagmeu erweisen,
gehen, wie die Kapitelüberschriften lehren, auf
Teucros, den Babylonier, zurück, einen vorwiegend
sammelnden Astrologen des I. nachchristlichen
Jahrhunderts. Zwar besitzen wir sie nicht iu ur-
sprünglicher Fassung, sondern nur exzerpiert, doch
lassen uns die verschiedenen Brechungen der Uber-
 
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