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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0195

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1043 [No. 33/4.]

BERLINER PHILOLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. 120. August 1904.] 1044

Taf. III durchaus nicht wie ein menschliches Auge
aus; der Hundskopfaffe darüber scheint ein totes
Tier (einen Esel?) am Halse aufgehängt auf
dem Rücken zu tragen; die Gestalt zwischen
Steinbock und Wassermann ist bestimmt keine
Giraffe, sondern eine menschliche Figur (also
der SaqAcuv dxscpaXo? (S. 221) wie auf dem recht-
eckigen Tierkreis), kenntlich an der Bildung von
Armen und Händen, Beinen und Füßen; nur
der Rumpf ist dem eines Tieres angenähert. Beim
Schützen sehe ich auf Taf. III den zweiten Schweif
(Roßschweif) deutlich, die ithyphallische Bildung
dagegen, die der Stich zeigt, nicht; der oexavoc
[xeTa Aa|XTtaou>v (S. 216 f.) ist nicht nur auf dem
runden, sondern auch auf dem rechteckigen Tier-
kreis vorhanden, hier unmittelbar vor dem Skor-
pion. Aber das sind schließlich Minutien. Als
Ganzes gilt mir eben Kap. X als ein Glanz-
stück des Buches; zu den zweierlei oben er-
wähnten ansehnlichen Resultaten kommt noch
eine ausgezeichnete Untersuchung, zu welcher
die Beobachtung Anlaß gibt, daß der Schütze
in Dendera völlig babylonischen Typus hat5):
B. revidiert daraufhin die bisher mit mehr Be-
geisterung als Kritik erörterten Sternbilderdar-
stellungen auf babylonischen Grenzsteinen, die von
Hommel und anderen schlechtweg als Zodiakal-
bilder in Anspruch genommen worden waren.
So wenig B. den Babyloniern die Erfindung des
Tierkreises absprechen will, so sicher zeigt er,
wie weit wir noch davon entfernt sind, seine
Bilderreihe für Babylon ganz zu kennen. Un-
mittelbar für die griechische Kulturwelt ist von
Bedeutung, was über den Ursprung des Stern-
bildes der Wage (S. 186) und zur Erklärung
des einzigen erhaltenen Fragmentes aus Kleo-
stratos (S. 392) beigebracht wird.

Kap. XI umfaßt den ganzen, sehr ansehn-
lichen Rest des litterarischen Materiales. Leider
reicht hier die neu erschlossene und die viel-
fach überraschend herangezogene sonstige Über-
lieferung fast nirgends aus, um die Identifikation
neuer Namen mit bestimmten Sterngruppen zu
ermöglichen. Aber der Nachweis, daß auch ab-
gesehen von den ägyptischen Sternbildern die
neuen Texte nicht isoliert stehen, ist für einen
großen Teil der Namen erbracht. Der Zu-
sammenhang mit babylonischen Vorstellungen wird
gleich aus der ersten Nummer, die eine förm-

5) Schon rein äußerlich tritt die ungestüm erregte
Gestalt auffällig aus der langweilig-feierlichen ägyp-
tischen Prozession heraus.

liehe Darstellung der Unterwelt mit Styx6) und
Fährmann behandelt, klar. Sonst sind indes die
Beziehungen zu Babylon nicht zahlreich; möglich
allerdings, daß das nur uns so vorkommt, weil
wir von den Ufern des Euphrat viel weniger
Stoff zur Vergleichung besitzen als von denen
des Nils. Doch wäre auch denkbar, daß in
unsere Texte babylonisches Gut gar nicht direkt,
sondern durch Vermittelung des Nillandes ge-
langt ist7). Für Griechenland ist von Bedeutung
die Erklärung des Bildes der drei Chariten als
Orionsgürtel (S. 272) und der Ariadne als Er-
weiterung oder Umbildung des Sternbildes der
Krone (S. 275). Besonders schwierig, dafür aber
von glücklichem Erfolg belohnt war die Be-
handlung der arg entstellten Valensstelle über
den Satyr mit der Keule, unter dem Orion zu
verstehen ist.

Am weitesten spannt sich der Kreis der Unter-
suchung im XII. Kap.: „Die Dodekaoros, das
Marmorfragment des Bianchini und der ostasia-
tische Tierzyklus". Im ersten Teukrostext wird
zu jedem Zeichen als Paranatellon ein Tier ge-
nannt mit dem Beisatz xrj? owösxacupou. Die
nämlichen Tiere erscheinen (soweit die Tafel er-
halten ist) auch im innersten Ring des sogen.
Planisphärium des Bianchini (Taf. V), ganz ebenso
mit Tierkreiszeichen kombiniert, und auf einem
genau entsprechenden Monument aus Ägypten,
das gerade im rechten Augenblick zu Bolls
Kenntnis gelangte und nach einem guten Ab-
klatsch (als Taf. VI) abgebildet werden konnte;
als dritte Parallele kommen schematische Zeich-
nungen in einer Hs des Kamateros hinzu. In
all diesen Denkmälern hat man, denke ich,
Handwerkszeug der Astrologen zu erkennen.
Den Zugang zur Erklärung hat sich B. meines
Erachtens erschwert durch unrichtige Inter-
pretation der einzigen Stelle, die den Begriff
Scüos/aojpo? erklären will. Kamateros liefert sie,
verwoben in seine Teukrosparaphrase; ich zweifle
nicht, daß er sie aus Teukros entnommen hat.
Er sagt (S. 306f.): „Die Sphäre wird von
Pol zu Pol zerlegt in 12 Abschnitte, jeden zu
30°" (des Äquators offenbar, nicht der Ekliptik);
dann folgt nach meiner Lesung:
oK oacpvY)? av etxaaetas Iv xaiv TU.Y)|xaTu>v cpuXXio,

6) Ist Firmicus VIII 12 vielleicht zu lesen ter-
r<(oris plen>am Stygem?

7) Darf man vielleicht bei oöpavo? als Sternbild-
bezeiebnung (S. 251. 263) an Bilder in Scheiben
denken, wie sie in Dendera wiederholt vorkommen?
 
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