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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0196

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1045 [No. 33/4.]

BERLINER PHILOLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. [20. August 1904.] 1046

jjLEaov (xev eupoc [eupoi? cod.] I'^ovxa8), nrpo? 81 xots

86o axpas

d&*((s)vo\ axevouxCixov wv xoü evo? y.X^atC
Oüjoexatopov Xe-yerai tüjv xocxirjaxspiau-evcov.
Also: „Jeder Abschnitt hat die Gestalt eines
Lorbeerblattes, von einer gewissen Breite in der
Mitte, mit schmaler Spitze an den beiden Enden;
und jeder Abschnitt (nicht: die eine der
Spitzen) heißt Dodekaoron des Sternhimmels".
Der einzelne Abschnitt wird nicht Dodekaoron,
sondern 5pa geheißen haben; aber von diesem
Mißverständnis abgesehen, ist jetzt die Stelle
klar. Sie enthält ein gut Teil von dem, was B.
im weiteren Gange der Untersuchung gefunden
hat: die zwölf Tiere sind Symbole einer Reihe
von zwölf 'Doppelstunden' (zur Erklärung des
Begi'iffes, die B. vortrefflich liefert, ist doch wohl
auch Achilles p. 45,2 heranzuziehen); auf dem
Globus stellt sich die Reihe dar als eine
Zwölfteilung des Äquators9), der dann eine Zer-
legung der ganzen Sphäre in Stundenzweiecke
entspricht. Ob man sich die Tiere als wirkliche
Sternbilder denken darf, ist mir fraglich. Sie
konnten auf dem Astrologenglobus recht wohl,
als Sternbilder ohne Sterne sozusagen, aufgemalt
sein, um die xu/>}u.axa zu symbolisieren. Wenn
es sich um bloße Symbole handelt, versteht man
auch leichter, wie die Reihenfolge bei Uber-
tragung der Lehre von einem Ort zum anderen,
ja sogar in verschiedenen Systemen eines Landes
(vgl. das neue Material bei Reitzenstein, Poiman-
dres S. 256ff.) variieren konnte.

In der Gestalt, wie dieser sonderbare Doppel-
gänger der Ekliptik in den genannten littera-
rischen und plastischen Denkmälern auftritt, trägt
er deutliche Spuren ägyptischer Herkunft: Katze,
Sperber, Ibis, Krokodil sind unter den Tieren.
Die Tatsache der Zwölfteilung aber und der
Begriff der Doppelstunde weist auf Babylonien
als Ursprungsland. B. zeigt nun, daß wir bei
Teukros die ägyptisierende Umbildung einer
babylonischen Erfindung vor uns haben, indem er
uns nach dem fernsten Osten, Siam, China, Japan,
führt. Auch dort gibt es einen Kreis von zwölf
Tieren, im einzelnen denen des Westens nahe
verwandt, in dem weiten Gebiet fast völlig
identisch, und gebraucht zur Bezeichnung der
Jahre eines zwölfjährigen Zyklus, der Monate,
der Ekliptikzeichen, einer Reihe von zwölf Tagen

8) Absoluter Nominativ; vgl. Weigl a. a. 0. S. 46.

9) Bei Teukros sind die Notate als Liingenangaben
aufzufassen.

und endlich von zwölf Doppelstunden. Dieses
System, das vorher von A. v. Humboldt, Chr.
L. Ideler, Bilfinger behandelt war, wird von B.
völlig klargelegt und bringt so Licht in eine
bisher rätselhafte Stelle desManilius (III510ff.)10).
Endlich macht B. auf einen indischen Tierzyklus
aufmerksam, der zwischen dem östlichen und
dem westlichen ungefähr in der Mitte steht.

Der dritte Teil des Werkes, Kap. XII—XV,
beschäftigt sich mit der Aufgabe, die im zweiten
Teil gewonnenen Erkenntnisse für die Geschichte
der Sphäre, speziell der nichtgriechischen, zu
verwerten, oder richtiger diese Geschichte zum
ersten Male mit zureichendem Material aufzubauen.
Mit Recht geht B. von dem ersten litterarisch
festen Punkte aus, der Sphaera graecanica und
barbarica des Nigidius Figulus, welche die beiden
astrothetischen Systeme noch unvermengt zeigt.
Jetzt zum ersten Male gewinnen wir von dem
Werke, das nach B. auch auf Lucan (Pharsal.
I 639 ff.) eingewirkt hat, ein klares Bild. Daran
ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn
E. Maaß (Tagesgötter S. 254,8) recht behalten
sollte mit seinem Zweifel, ob die Sternsagen
zum Tierkreis in den Baseler Germanicussckolien
dem Nigidius mit Grund zugeschrieben werden.
Die Beobachtung, daß die Stücke dort Spuren
mangelhafter Übersetzung aus dem Griechischen
tragen, habe ich vor zehn Jahren auch gemacbt.
Aber ich bin doch nicht sicher, ob man sie darauf-
hin dem Nigidius absprechen muß; passen sie
doch mit ihren vielen abstrusen Einzelheiten gut
zu der Art des römischen Antiquarius. Ich
glaube mit Maaß, daß sie einst in den Hygini-
schen 'Genealogien' gestanden haben, und weiter,
daß diese dem Magister Dositheus in griechischer
Fassung vorlagen. Sollten nicht die Nigidius-
fragmente eben aus den griechischen 'Genea-
logien' ins Lateinische zurückübersetzt sein?

Von Nigidius ausgehend wird in dem ergebnis-
reichen XIV. Kapitel rückwärts und vorwärts
Ausschau gehalten. Übel steht die Frage, da
sichere Zeugnisse fehlen, für die ältere Zeit.
Vermittler mag für die babylonische Sphäre
Berossos gewesen sein (weiteres s. S. 368 f.),
für die Ägypter nebenManetho (S. 371) Nechepso-
Petosiris, deren aus einem 2aXu,sa^oivtaxa betitelten
Buch schöpfendes Werk auch B. nunmehr ins

10) Wenn Hygin (Astr. IV 5, vgl. B. S. 336,1) bei
der Zwölfteilung die latitudo signorum nennt, so
möchte ich dabei an den popul*är-astronomischen An-
satz der Breite des Tierkreises zu 12° (Gem. p. 62,8.
Manil. I 682. Mart. Capella 834) denken.
 
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