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https://doi.org/10.11588/diglit.61220#0092
MATERIALKRITIK
DIE STILKRITISCHE BEOBACHTUNG ALLEIN REICHT NICHT IMMER ZUR
Beurteilung eines Stückes aus, bestimmt nicht, wenn sich diese Kritik nur
auf rein Formales erstreckt. Wie wären sonst die Irrtümer, denen selbst Fach-
gelehrte oft verfallen, zu erklären! Bei raffinierten Fälschungen wird uns sicher
die einfache Stilkritik nicht viel nützen, und wenn wir nicht in das Reich
unserer Beobachtungen auch alle technischen Merkmale sowie die durch die
Zeit hervorgebrachte Abnutzung einbeziehen, werden wir leicht zu falschen
Resultaten gelangen. Man hört oft sagen, daß bei der Beurteilung alter Kunst
alles „Gefühlssache“ ist. Dies mag auch bedingt wahr sein, jedoch um dieses
sichere Gefühl des Urteils zu erlangen, ist außer natürlicher Begabung eine
lange, intensive Beschäftigung mit der Materie in allen ihren Eigenschaften
unerläßlich.
Wenn wir ein Chinastück in die Hand bekommen, handelt es sich zuerst darum
zu erkennen, ob wir es mit einem alten Stück oder mit einer Fälschung oder
mit einem modernen Stück alten Stils zu tun haben. Kang-hsi-Stücke wurden
und werden noch ziemlich gut gefälscht, und zwar sind gerade die modernen
Fälschungen die besten. Die älteren Imitationen tragen gewöhnlich Stilmerk-
male ihrer Entstehungsepoche und sind daher nicht so schwer als solche zu
erkennen wie die Arbeiten der heutigen chinesischen Töpfer, denen für ihre
Zwecke alle technischen Mittel zur Verfügung stehen. Der Preis erstrangiger
Originale ist ein so hoher, daß die Unkosten für perfekte Nachahmungen sich
reichlich bezahlt machen. Der besseren Übersicht wegen wollen wir zuerst die
Einzeleigenschaften der Kang-hsi-Porzellane gesondert betrachten.
Das erste wichtige Moment, die Form, haben wir am Anfang unserer Arbeit
ausführlich besprochen. Hier ist nur noch hinzuzufügen, daß moderne oder
gefälschte Stücke fast immer, wenn auch oft nur geringe, Abweichungen von
< 85 >
DIE STILKRITISCHE BEOBACHTUNG ALLEIN REICHT NICHT IMMER ZUR
Beurteilung eines Stückes aus, bestimmt nicht, wenn sich diese Kritik nur
auf rein Formales erstreckt. Wie wären sonst die Irrtümer, denen selbst Fach-
gelehrte oft verfallen, zu erklären! Bei raffinierten Fälschungen wird uns sicher
die einfache Stilkritik nicht viel nützen, und wenn wir nicht in das Reich
unserer Beobachtungen auch alle technischen Merkmale sowie die durch die
Zeit hervorgebrachte Abnutzung einbeziehen, werden wir leicht zu falschen
Resultaten gelangen. Man hört oft sagen, daß bei der Beurteilung alter Kunst
alles „Gefühlssache“ ist. Dies mag auch bedingt wahr sein, jedoch um dieses
sichere Gefühl des Urteils zu erlangen, ist außer natürlicher Begabung eine
lange, intensive Beschäftigung mit der Materie in allen ihren Eigenschaften
unerläßlich.
Wenn wir ein Chinastück in die Hand bekommen, handelt es sich zuerst darum
zu erkennen, ob wir es mit einem alten Stück oder mit einer Fälschung oder
mit einem modernen Stück alten Stils zu tun haben. Kang-hsi-Stücke wurden
und werden noch ziemlich gut gefälscht, und zwar sind gerade die modernen
Fälschungen die besten. Die älteren Imitationen tragen gewöhnlich Stilmerk-
male ihrer Entstehungsepoche und sind daher nicht so schwer als solche zu
erkennen wie die Arbeiten der heutigen chinesischen Töpfer, denen für ihre
Zwecke alle technischen Mittel zur Verfügung stehen. Der Preis erstrangiger
Originale ist ein so hoher, daß die Unkosten für perfekte Nachahmungen sich
reichlich bezahlt machen. Der besseren Übersicht wegen wollen wir zuerst die
Einzeleigenschaften der Kang-hsi-Porzellane gesondert betrachten.
Das erste wichtige Moment, die Form, haben wir am Anfang unserer Arbeit
ausführlich besprochen. Hier ist nur noch hinzuzufügen, daß moderne oder
gefälschte Stücke fast immer, wenn auch oft nur geringe, Abweichungen von
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