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Sechstes Kapitel. Behandlung der Paramente, 73

Große Sorgfalt erfordert die Restauration von Stickereien.
Gemeint sind natürlich nicht die billigen Maschinenstickereien, mit denen
heute die ganze Welt überschwemmt wird, sondern echte Handstickereien,
namentlich solche aus früherer Zeit, sei es dem Mittelalter, sei es der
Zeit der Renaissance, des Barocks und selbst des Rokoko. Schadhaft
gewordene Stickereien dieser Art zu restaurieren, ist noch lange nicht
Sache der ersten besten Stickerin, am wenigsten aber, wenn es sich um
figürliche Darstellungen oder überhaupt um feine, delikate Arbeiten handelt.
Ihre Restauration setzt nicht bloß eine gründliche Kenntnis und Be-
herrschung der Sticktechniken, sondern auch ein ausgebildetes Verständnis
für stilistische Eigentümlichkeiten sowie geübten Sinn und Empfinden für
Farben gebung und Farbenwirkung voraus. Größere, tiefer eingreifende
Restaurationen besserer Stickereien dürfen daher nur Kräften anvertraut
werden, die im Sticken durchaus geschult und in der Wiederherstellung
alter Stickereien bereits erfahren sind, niemals aber sollen sie in die
Hände von Unberufenen gelegt werden. Schon manches wertvolle Stück
ist auf diese Weise gründlich verdorben worden. Nur wenn es sich um
Ausbesserung ganz geringfügiger Schäden handelt, wozu keine besondere
Fertigkeit erfordert ist, mag auch eine minder geübte Stickerin sich mit
der Arbeit befassen.

Es kann nicht Aufgabe dieses Buches sein, einen ausgiebigen Unter-
richt über das Restaurieren von Stickereien zu geben. Immerhin dürfte
es zweckmäßig sein, zur Nachachtung für diejenigen, welche Stickereien
wiederherstellen lassen wollen, auf einige Punkte von größerem Belang
kurz hinzuweisen.

Vor allem ist es nötig, daß die Restauration sich in der Technik
durchaus und aufs treueste den bei den Stickereien angewendeten Stichen
und Stickweisen anpasse, wenn etwas wirklich Befriedigendes erzielt wer-
den soll. Ebendarum aber muß die Stickerin vor Beginn ihrer Arbeit
das zu restaurierende Stück sorgfältig auf die dabei benutzten Techniken
prüfen.

Ein zweiter Punkt von größter Bedeutung ist die Beschaffung pas-
sender Stickseiden. Die Seide, welche man zum Ausbessern gebrauchen
will, muß genau zu den zu restaurierenden alten Stickereien passen, vor-
nehmlich aber in der Farbe. Alle, auch die solidest gefärbten Seiden-
garne verbleichen im Laufe der Zeit, die einen mehr, die andern weniger,
Es gibt darum keine älteren Stickereien, die nicht irgendwie verschossen
waren. Bei der Restauration von Stickarbeiten aber muß man sich in
der Farbe an die Earbentöne halten, welche die Stickereien zur Zeit
haben, nicht an die Töne, welche sie früher hatten. Dies ist eigentlich
selbstverständlich, und doch wird bei der Restauration gegen diese so
natürliche Forderung nicht selten gründlich gefehlt, so daß man schon
von weitem erkennen kann, was alt und was neu ist. Die zu den Wieder-
herstelhmgsarbeiten nutigen Farbennuancen sind bei der Unmenge von
 
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