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Zweiter Abschnitt. Die liturgische Gewandung.

Bild 115. I'Va^iiii'iit (]■■] Gr;i!)sl;il

Benedikt* XII. Avigilen, Museui

(Nach Rohaul t de Fkury.)

sei dies etwa zu der Zeit geschehen, als sich
die liturgische Mitra gleichsam von ihm ab-
zweigte, d. i. im 10. Jahrhundert. Jedenfalls
war das phrygium, welches Innozenz III. am
Osterfeste'1130 beim Zug zur Abteikirche,
zu St-Denis trug, nach der Schilderung des
Abtes Snger schon mit dem Kronreifen ge-
schmückt. Es heißt demgemäß nun auch in
den römischen Ordines des 12. Jahrhunderts
Corona. Der Name Tiara begegnet uns
zum erstenmal in der Vita des Papstes
Paschalis IL (f 1118). Eine Zackenkrone
erscheint an dem Kopfschmuck erst auf
den Monumenten des späten 13. Jahrhun-
derts. Ebenso kommen seine Behänge (caudae)
erst auf den Bildwerken der gleichen Zeit vor,
doch dürfte ihr Fehlen auf älteren Darstellungen wohl lediglich auf Rechnung
der Künstler zu seizen sein. Bemerkenswert ist, daß sie im 13. Jahrhundert,
ja bis ins 15. von schwarzer Farbe waren, wie nicht bloß aus den Bild-
werken erhellt, sondern namentlich auch aus den Inventaren. Unter
Bonifaz VIII. erhielt die Tiara den zweiten Kronreifen. Drei Statuen,
die in der letzten Lebenszeit des Papstes, und zwar unter seinen Augen,
ja in seinem Auftrag entstanden und sämtlich zwei Kronen an der Tiara
aufweisen, lassen keinen Zweifel daran. Zwei befinden sich jetzt in den
Grotten von St Peter, eine — gewöhnlich irrig als die Nikolaus' IV.
bezeichnet - - im Lateran. Ob es Prachtliebe war, was den Papst
zur Einführung des zweiten Kronreifens veranlaßte, oder ob er dadurch
seine Anschauung über die päpstliche Doppelgewalt zum Ausdruck bringen
wollte, muß dahingestellt bleiben. Von einer dritten Krone an der
Tiara hören wir zum erstenmal in einem Inventar von 1315/16. Von
den Papstmonumenten zeigt das noch ganz im Geschmack des 13. Jahr-
hunderts gehaltene Benedikts XI. (y 1304) zu Perugia eine Tiara alten Stiles.
Die Grabstatue Klemens' V. zu Uzeste (Gironde) wurde zu sehr von den
Kalvinisten verstümmelt, als daß sie uns über die Form der Tiara Auf-
schluß geben konnte. Johannes XXIII. war auf seinem Grabmonument
mit einer doppelkronigen Tiara geschmückt, die Statue Benedikts XU.
auf dem Grabmal in der Kathedrale zu Avignon, von der sich glücklicher-
weise noch der Kopf erhalten hat, zeigt dagegen klar drei Kronen (Bild 115).
Von nun an ist die dreikronige Tiara auf den Papstmonumenten die Regel,
während es freilieb noch eine gute Weile dauert, bis sie sich auch sonst all-
gemein auf den Bildwerken eingebürgert hat. Mit der Annahme des dritten
Kronreifens war die Tiara das, was sie heute ist. Ein Kreuzchen kam
erst im 16. Jahrhundert auf dieselbe; im 13.-15. Jahrhundert bildete
ein Knauf den Abschluß.
 
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