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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0091
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Zweites Kapitel. Altare fixum und altare po'rtatile in Gegenwart und Geschichte 73

praesumat2. Eine Verordnung Hinkmars von Reims von 857 gestattet in Kirchen,
die noch nicht konsekriert seien, oder in Kapellen, die einer Konsekration nicht
wert seien, nur im Notfall zu zelebrieren, und zwar dann bloß unter Benützung
eines vom Bischof geweihten Altarsteines3.

Bestimmungen wie die vorstehenden zeigen, daß allerdings schon die Vor-
schrift bestand, sich beim Mangel eines altare fixum eines geweihten Portatiles zu
bedienen, daß dieselbe jedoch noch in der Karolingerzeit in der Praxis keineswegs
überall genügend beobachtet wurde, und daß es noch immer vorkam, daß man in
solchen Fällen auch ohne Tragaltar zelebrierte. Es wird sich aber damals nicht
bloß im Frankenland so verhalten haben, sondern nicht minder anderswo, wenn
sich auch Nachrichten darüber nicht erhalten haben und wir nichts von Verord-
nungen hören, die man hier gegen den Mißbrauch, ohne Portatile zu zelebrieren,
erließ. Daß solche im Frankenreich gegen ihn ergingen, ist wohl die Frucht der
Reformtätigkeit, welche Karl d. Gr. im kirchlichen Leben entwickelte, und die
auch nach seinem Tode fortdauerte.

Daß man in Privathäusern die hl. Messe las, um den Kranken, die
nicht zur Kirche kommen konnten, den Trost der Teilnahme am heiligen Opfer zu
ermöglichen, an sich eine fromme Übung, die aber leicht in Mißbräuche ausarten
konnte und, namentlich im späten Mittelalter, wirklich zu mancherlei Mißständen
lührte, ist schon für die Frühe des 5. Jahrhunderts durch Uranius bezeugt, welcher
uns erzählt, der hl. Paulin (f 431) von Nola habe kurz vor seinem Tode durch die
Bischöfe Symmachus und Acindynus vor seinem Krankenlager das hl. Opfer feiern
lassen, ut una cum sanetis episcopus oblato sacrificio animam suam Deo commen-
daret*. Das Vorgehen des hl. Paulin stand also zu seiner Zeit sicher nicht ver-
einzelt, da, wie es auch nicht das erste Beispiel gewesen sein wird. Von Theodoret
von Cyrus hörten wir schon, daß er auf Bitten des alten Einsiedlers Maris in dessen
Zelle die hl. Geheimnisse darbrachte, wobei der Diakon Brot und Kelch halten
mußte, da ein fester Altar in der Hütte natürlich nicht vorhanden, ein geweihter Trag-
altar als Ersatz sich offenbar nicht beschaffen ließ, ein profaner Tisch aber für die
heilige Handlung nicht geziemend erschien5. Der hl. Wunibald (f 761) errichtete,
als er in seiner letzten Krankheit die Kirche nicht mehr besuchen konnte, an einer
Seite seiner Zelle einen Altar, um darauf, wenn es sein Zustand gestattete, die Messe
zu lesen'. Der hl. Silvinus (f ca. 720), Bischof von Alciacum (Anchy-les-moines, bei
Hesdin), ließ, als er sich dem Tode nahe fühlte, alle Tage vor sich das hl. Opfer
darbringen7. Ausdrücklich nimmt Hayto von Basel (802—822) in seinen Statuten
vom Verbot, in Privathäusern die Messe zu feiern, den Fall aus, in dem es sich
darum handle, das hl. Opfer zum Trost von Kranken darzubringen8, während die
Metzer Synode von 888, wohl mit Rücksicht auf vorgekommene Mißbräuche, selbst
das aufs entschiedenste untersagt.

Die Synode von Metz zeigte sich auch sonst sehr streng in bezug auf die Meß-
feier an nicht konsekrierten Orten, da sie nicht einmal bei längeren Reisen an
solchen das Zelebrieren erlaubte, ganz im Gegensatz freilich zu der im gleichen
Jahre abgehaltenen Synode von Mainz, die es gestattete, wenn eine Kirche fehle
und außer dem übrigen Altargerät auch eine geweihte Altartafel -vorhanden sei".

Ein Tragaltar war namentlich auf Missionsreisen sowie auf Kriegs-
z ü g e n zum Zelebrieren notwendig. Ein Beispiel seiner Verwendung durch Missionäre
des 7. Jahrhunderts findet sich bei Beda. Die beiden angelsächsischen Priester Hewald
der Weiße und Hewald der Schwarze, die von England sich zu den Sachsen be-
geben hatten, um sie zu bekehren, bedienten sich, wie uns derselbe erzählt, zur

! Can. 14 (M. G. SS. Capit. I, 46). « N. 9 (M. G. SS. 15, 113).

' Cap. 3 (H. V, 408). ' Vita s. Silv. 2,16 (AA. SS. 17. Febr.; III, 31).

* Epistola de obitu s. Pauliui n. 2 (M. 53, « Cap. 14 (M. 105, 765). Syn. Metens. c. 5

°)- (Hartzh. II, 382).

' Vgl. oben S. 67. » C. 9 (Hartzh. II, 732).
 
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