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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0439
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Erstes Kapitel. Das Material des Tragaltares 421

tabulae nur als Portatilien verstanden werden können. Im Pontifikale von Noyon
heißt es nämlich nach Beendigung der Altarweihe: Deinde ponat tabulas altaris in
circuitu, worauf die zwei ersten Weihegebete des Gelloner Sakramentars folgen.
Im Trierer schließt sich unmittelbar an das Schlußgebet der Altarweihe die Bemer-
kung an: Deinde tenentes subdiaconi et acolyti t a b u 1 a s, linteamina et omnia orna-
menta ecclesiae quaecumque ad cultum Dei videre perhibentur und dann an diese
sofort unter der Rubrik Consecratio tabularum der Ordo der Portatilienweihe des
Gellonense. Die tabulae waren hiernach offenbar nur Steintafeln von geringen Ab-
messungen; denn sonst hätte man sie weder rings um den Bischof herumlegen, noch
hätten die Subdiakonen und Akolythen sie halten können. Sie waren darum auch
keine gewöhnlichen Altarmensen, wie man angenommen hat7, es können vielmehr
nur Portatilien unter ihnen verstanden werden.

Das Sakramentar von Gellone entstammt dem 8. Jahrhundert. Zu wel-
cher Zeit der Ordo der Portatilienweihe des Gellonense entstand, ist nicht
festzustellen. Jedenfalls reicht er aber noch über das 8. Jahrhundert zurück.
Er ist nicht erst für das Sakramentar von Gellone verfaßt worden, sondern
nur die Wiedergabe eines längst in Gebrauch befindlichen Weiheformulars.
Das bekundet sowohl die eine längere Entwicklung voraussetzende Häufung
der Weihegebete — drei Orationen und eine Präfation —, wie sie der Ordo
zeigt, als auch die große Zahl fehlerhafter, zum Teil sogar bis zur Unver-
ständlichkeit entstellter Lesarten des Textes des Gellonenser Ordo, die den-
selben als Abschrift einer älteren, allem Anschein nach schon verderbten
Vorlage erweisen. Reicht aber hiernach der Ordo der Portatilienweihe des
Sakramentars von Gellone bis wenigstens in das 7. Jahrhundert hinauf, so ist
damit Stein als Material des Tragaltares ebenfalls zum mindesten schon für
das gleiche Jahrhundert bezeugt.

Die älteste ausdrückliche Vorschrift, den Tragaltar aus Stein zu machen,
begegnet uns 857 in den Kapiteln Hinkmars von Reims.

Da es vorkommen könne, daß in einer nicht konsekrierten Kirche, in einer
Kapelle, die der Konsekration nicht wert sei, oder auf nicht geweihtem Altare zele-
briert werden müsse, heißt es im dritten Kapitel, solle jeder Priester, für den diese
Notwendigkeit bestehe, eine nach seinem Vermögen geziemend gezierte Tafel aus
Marmor, Schwarzstein oder sonst einem passenden Stein beschaffen, dem Bischof
zum Konsekrieren bringen und dann vorkommenden Falles mit sich nehmen, um
auf ihr, wie es dem kirchlichen Brauch entspreche, zu zelebrieren8. Die Verordnung
Hinkmars hatte keine allgemein gültige Bedeutung, sondern war lediglich für den
Bereich des Reimser Sprengeis verpflichtend. Sie war aber sachlich durchaus nichts
Neues, sondern verordnete nur, was der gewöhnliche kirchliche Brauch war. Das
erhellt deutlich aus dem Schlußsatz des Kapitels: I n q u a (sc. tabula) mysteria sacra
secundum ritum ecclesiasticum agere valeat. Da nämlich das Kapitel
ausschließlich von dem Tragaltar und seiner Beschaffenheit, nicht aber von dem
Ritus der Meßfeier handelt, von dem in ihm mit keinem Worte die Rede ist, kann
sich secundum ritum ecclesiasticum nicht auf mysteria sacra, sondern nur auf in qua
(sc. tabula) beziehen. Freilich wurde der kirchliche Brauch nicht immer beobachtet,
sei es, daß man ohne Portatile (tabula) auf ungeweihtem Altar zelebrierte, sei es
sich eines hölzernen Portatiles bediente. Andernfalls hätte Hinkmar keinen Anlaß
gehabt, in seinem Kapitel den Gebrauch eines steinernen Tragaltares einzuschärfen.

Metzger a. a. O., 114. secundum possibilitatem suam honeste affec-

' Cap. 3 (M. 125, 794): Tabulam de mar- tatam habeat.
m°re vel nigra petra aut litio honestissimo
 
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