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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0440
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422 Dritter Abschnitt. Das altare portatile

II. HOLZ ALS MATERIAL DES TRAUALTARES

War dem Gesagten zufolge zweifelsohne schon in vorkarolingischer Zeit
Stein dasjenige Material, aus dem vornehmlich der Tragaltar hergestellt wurde
und hergestellt werden mußte, so war es doch nicht das ausschließliche.

So war der Tragaltar, den man um die Mitte des 11. Jahrhunderts im
Grab des hl. Acca, Bischofs von Hexham (f ca. 740) fand, aus Holz gemacht.
Er war, wie Simeon von Durham um 1100 berichtet, eine tabula lignea, in
modum altaris facta, bestand aus zwei Holzstücken, die durch silberne Nägel
aneinander befestigt waren, und trug die eingegrabene Inschrift: Almae
Trinitati, Agiae Sophiae, Sanctae Mariae. Ob in ihm Reliquien geborgen
waren, sagt Simeon, wisse man nicht1. Das Portatile ist nicht mehr vor-
handen, wohl aber, wenn auch nur in Fragmenten, ein anderes, einige De-
zennien älteres Holzportatile, der Tragaltar, den man 1828 zu Durham im
Schrein des hl. Cuthbert (f 687) fand.

Er war 13,3 cm tief, 15,2 cm breit, tafelförmig, aus Holz gemacht, mit einer 4 mm
dicken Pasta überzogen und mit reichornamentiertem Silber bekleidet. Die Pasta
zeigte außer Spuren von Eindrücken des Ornaments des Silberüberzuges die mit
einem scharfen Instrument eingeritzte, in eckigen Kapitalen ausgeführte Inschrift:
In honor . . . S. Petru, unter deren Anfang und Ende ein längliches Kreuzchen
angebracht war. Holz und Pasta zerfielen bald, nachdem man die Tafel auf-
gefunden hatte. Die Silberbekleidung, mit der das Portatile ausgestattet war,
hatte sich nur in Bruchstücken erhalten. Das Ornament der Rückseite, nach
Raine' eine nimbierte Figur, ist kaum mehr zu erkennen. Von einer Inschrift, die
hinten von einer Seite zur andern lief, liest man noch die Buchstaben P ... OS ... S.
Die Oberseite zeigt in der Mitte eine Scheibe mit Kreuz, dessen Arme in einem mit
einer Palmette gefüllten Halbkreis endigen, und dessen Zwickel mit dem bekannten
Flechtwerk gefüllt sind. Rings um die Scheibe zieht sich, durch eine Perlenschnur
von ihr getrennt, ein ca. 2,4 cm breites Band, das mit einer Inschrift verziert war,
von der aber heute nur mehr eine Anzahl kaum deutbarer Buchstaben erhalten sind.
In den Ecken der Oberseite befindet sich, auf dem äußeren Rand der Umrahmung
der Scheibe sitzend, ein symmetrisch gebildetes Blattornament, in den Achsen sieht
man links zwischen Rahmen und Rand ein gleicharmiges Kreuz, hinten den Rest
einer Inschrift O H. Rechts und vorne ist die Silberbekleidung verschwunden. Als
Einfassung der Oberseite dient eine zweite Perlenschnur. Reliquien waren in der
Tafel nicht geborgen3.

Man hat in jüngerer Zelt Zweifel an dem Portatilecharakter der Tafel erhoben4,
jedoch meines Erachtens ohne Grund. Oder was soll sie anderes als ein Portatile
sein. An eine Reliquientafel bei ihr zu denken, verbietet ja der Umstand, daß sie der
Reliquien entbehrte. Einen positiven Beweis, daß wir es bei der Tafel mit einem
Portatile zu tun haben, dürfte aber die vorhin erwähnte Inschrift In honor . • •
s. Petru, bilden, aller Wahrscheinlichkeit nach der Rest einer Weiheinschrift. Ein
anderer ist der Bericht des Durhamer Mönches über die 1104 erfolgte Eröffnung
des Schreines des hl. Cuthbert. Es ist in ihm nämlich ausdrücklich angegeben, daß
man damals bei dem Leibe des Heiligen einen silbernen Tragaltar fand, der bei der
Neubettung der Reliquien denselben wieder beigefügt wurde. Es liegt aber kein
Grund vor, anzunehmen, es sei die silberbekleidete Tafel, die man 1828 im Schrein

1 Hist. regum Anglorum ad 740 (London • Vgl. die Skizze des Portatiles bei Raine a.

1885) II, 33. a. O., Tu. VI; besser ist die Abb. bei Ron- v'

■ Life of Saint Cuthbert (Durham 1828) Tu. 340.
199'. « Zeitschrift XVI (1903) 339.
 
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