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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0441
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Erstes Kapitel. Das Material des Tragaltares

423

des Heiligen antraf, von der 1104 darin entdeckten und dem hl. Leib wieder bei-
gegebenen verschieden. Richtig ist, daß bei der Erhebung vom Jahre 1104 auch
Gegenstände in den Sarg gelegt wurden, die vorher nicht in ihm waren, als
Gewandstücke, Decken, Sudarien. Allein das gilt nicht von dem Tragaltar. Denn
der Berichterstatter nennt klar und bestimmt den silbernen Tragaltar unter den
Dingen, die man bei dem hl. Leibe vorfand und später wieder beilegte5. Sed et alia
sicut fuerant inventa, cum illo recondiderunt, pecten scilicet
eburneum ... et quae sacerdotem decebant, altare videlicet argenteum,
corporalia cum patena, etiam calicem parvum, sed materia et opere pretiosum, cuius
inferior pars figuram leonis ex auro purissimo habens gestat dorso lapidem onichi-
num, arte pulcherrima cavatum.

Daß die Tafel lediglich aus Holz besteht, ist kein Grund, ihr den Portatile-
charakter abzusprechen. Denn auch der Tragaltar, den man im Grabe Accas fand,
war aus Holz gemacht. Es
müssen sogar noch lange nach-
her im westlichen England und
in Irland die Tragaltäre vielfach
von Holz gewesen sein. Denn
wenn dort bis in das 11. Jahrhun-
dert, in Irland sogar bis gegen
Ende des 12., selbst die altaria
fixa vielfach aus Holz bestan-
den6, dann darf als sicher
angenommen werden, daß es
allda ebenso lange auch noch
Portatilien aus Holz gab.

Auch das Fehlen von
Reliquien beweist nichts
gegen den Portatilecharakter
der Tafel. Es wäre eine durch-
aus irrige Voraussetzung, wollte
man annehmen, es seien früher
immer in den Portatilien Re-
liquien geborgen worden. Im
Ritus der Konsekration des
altare fixum bildet freilich die Einlegung von Reliquien schon im frühen Mittel-
alter einen ständigen Bestandteil der Weihezeremonien, dagegen findet sie in
dem der Portatilienweihe erst im 13. Jahrhundert allmählich Aufnahme. Bis dahin
ist sie diesem in allen Pontifikalien völlig fremd; keines kennt vor dieser
Zeit im Ritus der Portatilienweihe die Zeremonie. So langsam aber bürgert sich
diese im späten Mittelalter in demselben ein, daß es noch im 14. und 15. Jahr-
hundert manche Pontifikalien gibt, welche von einem Einschließen von Reliquien
m die Portatilien nichts wissen. Eine streng verbindliche Vorschrift, in ihnen Reli-
quien zu bergen, hat es das ganze Mittelalter nicht gegeben, jedenfalls keine, die
«"gemeine Geltung gehabt hätte.

Daß der Tragaltar schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts im Schrein des
hl- Cuthbert lag, folgt aus dem Bericht über die Translation im Jahre 1104. Unsicher
lst, wann er in den Sarg gelangte, ob schon beim Tode des hl. Cuthbert, ob bei der
ersten Erhebung des Leibes, die elf Jahre nach dem Tode des Heiligen stattfand,
°b etwa ein Jahrhundert später, als die Mönche die Gebeine, den Schatz von Lindis-
'arne, vor den Dänen flüchteten, oder erst, als der Heilige nach manchen Irrfahrten

Tragaltar des hl. Cuthbert. Durham, Museum der Kathedrale
(Nach Rohault)

' Historia transl. c. 1, n. 8 (AA. SS. 20.
Ma"-t-; III, 139).

• Vgl. oben S. 105.
 
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