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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0645
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Viertes Kapitel. Inhalt des Reliquiengrabes 627

Denn der Herr habe bei der Einsetzung des hl. Sakramentes gesagt: Accipite et
comedite, nicht recondite. Daß auch Nichtkanonisten der Brauch, im Sepulcrum den
Leib des Herrn einzuschließen, nicht gefiel, zeigt die Äußerung, die Salimbene seinem
vorhin angeführten Bericht über die zu Reggio in einem Altargrab gefundene Hostie
folgen läßt: Non placet mihi, quod corpus Domini in altari pro reliquiis in-
cludatur.

Nichtsdestoweniger erhielt sich die Gepflogenheit verschiedenerorten bis
gegen Ende des Mittelalters.

Nikolaus de Tudeschis und Johannes de Turrecremata erwähnen sie, ohne sich in-
dessen für oder gegen sie auszusprechen. Sie begnügen sich, die Ansicht eines
Hugo von Pisa, Heinrich von Segusia, Johannes Teutonicus und Durandus anzu-
führen. Immerhin ist bemerkenswert, daß sie den Brauch nicht als Mißbrauch
verurteilen2*. Wilhelm Lyndwode30 bemerkt zur Rekondierung der Eucharistie:
Unde licet reliquiae non sint de substantia consecrationis altaris, ubi tarnen non
habent, solent aliqui apponere corpus Christi et hoc aliqui doctores dicunt debere
fleri, etiamsi habentur reliquiae. Et licet hoc posset dici verum quoad consecra-
tionem ecclesiae, . . . non tarnen puto hoc verum esse in consecratione altaris,
ut scilicet corpus dominicum loco reliquiarum sepeliatur in altari, licet commu-
nis opinio faciat in contrarium. Er lehnt also zwar selbst den Brauch
ab, bezeichnet ihn jedoch noch als der gewöhnlichen Anschauung entsprechend.

Auch unter den Pontifikalien des 14. und 15. Jahrhunderts gibt es noch manche,
welche nach wie vor die Rubrik enthalten, es sollten zu den Reliquien drei
hl. Hostien gelegt oder beim Mangel an Reliquien wenigstens drei hl. Hostien im
Sepulcrum beigesetzt werden. Beispiele sind ein Pontifikale von Noyon (14. Jahr-
hundert)31, ein Pontifikale aus Freising (14. Jahrhundert) in der Staatsbibliothek
zu München, Clm. 6429, ein Pontifikale von Bergamo (um 1455)32, das Pontifikale
Vat. lat. 7114 (14. Jahrhundert), der Ordo dedicationis ecclesiae Borgh. 11 A1
(15. Jahrhundert), das Pontifikale Vat. lat. 6748 (Pontifikale von Monreale, 14. Jahr-
hundert), alle vier in der Vaticana33. Immerhin hat sich das Verhältnis der-
jenigen Pontifikalien, welche den Brauch noch kennen, zu jenen, in denen er sich
nicht findet, im ausgehenden Mittelalter in das Gegenteil von dem verkehrt, welches
uns in den Sakramentaren und Pontifikalien des 9.—13. Jahrhunderts entgegentritt.
Die Pontifikalien, welche die Rubrik betreffend die Beisetzung von drei konse-
krierten Hostien beibehalten haben, bilden im ganzen gegenüber den anderen jetzt
eine geringe Minderzahl. Deutlich tritt der Wechsel in der Anschauung im Bam-
berger Pontifikale Cod. 56 der Staatsbibliothek zu Bamberg, einer Schöpfung des
14. Jahrhunderts, zutage. Es hat als Vorlage Cod. 53 (11. Jahrhundert) und 55
(12. Jahrhundert) der Bibliothek. Allein während diese noch die Rubrik betreffend
die Rekondition von drei portiones corporis Christi haben, ist sie in Cod. 56, offen-
bar weil nicht mehr in Kraft, vom Kopisten ausgelassen worden.

Sehr zäh scheint man an dem Brauch in Katalonien festgehalten zu haben. So
wird berichtet, daß Bischof Ramön von Vieh 1360 bei der Weihe des Altares des
Kapitelsaales der Kathedrale in das Sepulcrum desselben loco reliquiarum sacra-
mentum corporis Domini legte. Beim Abbruch des Altares am 11. Mai 1568 entdeckte
Man in demselben laut Protokoll in einer silbernen Kapsel, die wiederum in einer
mit Seide umkleideten Holzkapsel lag, eingehüllt in ein Stück Korporale eine in
drei Teile gebrochene Hostie. Einer derselben war in Staub zerfallen, die beiden

Panormit. de consecr. eccl. vel alt. c. 1 " Vat. lat. 1145.

aa 2 (Lugd. 1512) 196. Joann. de Turrecremata, " Vgl. auch die Rubrik eines Pontifikales von

Tv"™" in tract- de consecr. dist. 1, c. Placuit; Lyon (ca. 1400) bei Mart. 1. 2, c. 13, n. XI; II,

io eV 1578) 19- 243> und eines Pontifikales aus Kloster Schwarz-

Provinciale 1. 3, c. De reliquiis et venera- ach in der Würzburger Universitätsbibliothek

•one sanetorum (ed. Londin. f. CLXXX). aus dem 15. Jahrhundert (Archiv für kath.

«art. 1. 2, c. 3, n. XI; II, 243. Kirchenrecht 102 [1922] 40).

40»
 
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