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Bröndsted, Peter Oluf
Reisen und Untersuchungen in Griechenland: nebst der Darstellung und Erklärung vieler neu entdeckter Denkmäler griechischen Styls, und einer kritischen Übersicht aller Unternehmingen dieser Art, von Pausanias bis auf unsere Zeit (Band 2) — Paris, 1826

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https://doi.org/10.11588/diglit.681#0029
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i34 zweites buch. DER PARTHENON. Einleitung, i.

mehr oder weniger im Einzelnen durchgeführt, dass die Form aller Hauptglieder
der sogenannten dorischen, das heisst der ältesten europäisch-griechischenBduart,
aus der Beschaffenheit des frühesten Baumaterials, nämlich des Holzes und
der zum Gebäude selbst, zu seinem Dache und zu der Tragung desselben nö-
thigen Baumstämme und Balken entstanden sey; und dass nicht nur das Vor-
bild der stämmigen und sich immer, mehr oder weniger, nach oben hin ver-
jüngenden dorischen Säule, ihrer Kannelirung und ihres Kapitals, sondern auch
die Entstehung des Gebälkes mit seinen Triglyphen, Metopen und übrigen Ver-
zierungen , die Form der Decke mit ihren viereckigen Vertiefungen, die Gestalt
des dreieckigen Giebels u. s. w. aus den Beschaffenheiten jenes ältesten Ma-
terials, und aus dem danach eingerichteten Verfahren um dasselbe stark und
bequem zusammen zu fügen und gegen Nässe und Verwitterung sicher zu
stellen, hergeleitet und erklärt werden müssen '.

Diese Ansicht kann allerdings, so wie jeder menschliche Gedanke, schief

' Man sehe, unter andern, Qualremere de
Quincj's geistvolle Schrift « De PArchitecture
egyptienne, consideree dans son origine, ses prin-
cipes et son goüt, et comparee sous les meines
rapports ä PArchitecture grecque, etc. (Paris,
l8o3,in-8°) an mehreren Orten, p. 18, 26-29
und vorzüglich p. 227-287. Die doppelte Idee:
das Holz als der UrstoJf(\e principe de la char-
pente) und Nachahmung der hölzernen Hütte
(Imitation de la cabane) bildet überhaupt, nach
Q. de Quincy, den leitenden Begriff in der grie-
chischen Baukunst, so wie hingegen alle Haupt-
motive der ägyptischen Architektur aus dem Be-
griffe vom Steine als Ursloffe und von der Nach-
ahmung unterirdischer Wohnungen erklärt wer-
den müssen. Um diese, unstreitig wahren Ge-
danken dreht sich seine ganze Beweisführung.—
Man vergleiche Antiquities of Ionia, etc., part
the second(London, 1797, in-fol.) pag. II11. III;
Stieglitz : Archaeologie der Baukunst der Griechen
und Römer (Weimar, i8oi,in-8°) 1 Th.p.Ö7u.f.;
Hirt: Die Baukunst nach den Grundsätzen der Al-
ten (Berlin, 1809, in-fol.) a. m. O., vorzüglich
im sechsten Abschnitte, p. 26 u. f. Sein Satz (p. 28,
§ 3) « der Natur der Sache gemäss musste der

Holzbau dem Steinbaue vorangehen» gilt allerdings
von Griechenland, obauch von holzarmen Ländern,
welche früh eine Architektur hatten? ich glaube
nicht; und was dieser kenntnissreiche Baukünstler
(ibid. pag. 26, § 1) sagt, um seine, sehr im All-
gemeinen ausgesprochene Meinung « die Höhle
konnte nie als Vorbild (der Architektur) dienen »
weiter durchzuführen , ist mir nicht überzeugend
gewesen. Behaupten zu wollen, dass die Höhlen
der alten troglodytischen Bewohner des heissen
und holzarmen Ägyptens gar keine Motive für
ihre Architektur hergegeben hätten, kömmt mir
eben so dreist vor, als wenn jemand läugnen
wollte, dass die Chinesen (ein ursprünglich no-
madisches Volk) in ihrer Baukunst dem Zelte
vieles nachgebildet haben. Das eigene, von Vi-
truvius (lib. II, cap. 1, § 5) beschriebene Ver-
fahren der holzarmen und deswegen troglodyti-
schen Phryger, bei der Verfertigung ihrer ersten
Wohnungen, konnte schwerlich ohne Einfluss
auf ihre Architektur geblieben seyn, wenn dieses
Volk, so wie die .ZEgyptier, früh eine einheimi-
sche, nicht durch fremde Cultur entstandene
Baukunst gebildet hätte. Vergl. die interessante
Schrift von Leo Klenze : Versuch einer Wieder-
 
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