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Der Islam.

Sprache melodisch, zwar ohne bestimmte Versmaße, aber die
Sätze werden mit wohlklingenden Endreimen aneinandergeflochten.
Die ganze Darstellungsweise, zumal als sie neu war, mußte aus
die Araber einen eigenthümlichen Reiz ansüben. Nach Muham-
med's Willen sollten die Offenbarungen in den Herzen der
Menschen leben; nach seiner eigenen Erklärung kam es auf den
Ausdruck nicht so sehr an als daraus daß der Sinn treu bewahrt
werde. Als die Offenbarungen sich häuften, schrieben seine
Jünger sich zur Hülfe des Gedächtnisses nieder was ihnen das
Bedeutendste war. In Mekka war von der Sammlung zu einem
Religionsbnche, dem Koran, noch nicht die Rede. Seit Muham-
med's Flucht nach Medina ändert sich der Charakter der Aus-
sprüche; sie verlieren an Schwung und dichterischer Schönheit;
sie beziehen sich auf die Tagesereignisse, enthalten Gesetze und
Anordnungen in Bezug ans das bürgerliche Leben, Ermahnungen
und Weisungen wie die Gläubigen die Begebenheiten benrtheilen,
das Walten Gottes in der Geschichte verstehen sollen. Muham-
med pflegte nun die Erlasse zu dictiren. Bei seinem Tode lagen
die Aufzeichnungen bunt durcheinander auf Lederstreifen, Schiefer-
tafeln, Palmblättern, Schnlterknochen von Kamelen und Schafen.
Zahd sammelte und ordnete sie; Omar ließ die Gläubigen ans-
sordern zur Ergänzung und Vergleichung mitzutheilen was sie
wußten. Daß Mnhammed jedes Jahr im Monat Ramadhan
mit Hülse des Engels Gabriel den Koran und die himmlische
Urschrift verglichen habe, ist eine Erfindung mit welcher erst die
Theologen späterer Tage die Zweifel an der Echtheit einzelner
Stellen niederschlngen. Goethe sagt: „Der Stil des Korans ist
seinem Inhalt und Zweck gemäß groß, streng, furchtbar, stellen-
weis wahrhaft erhaben; es treibt ein Keil den andern, und so
darf sich niemand über die große Wirksamkeit des Buches ver-
wundern."
An den Koran reiht sich die Sunna; das Wort bedeutet
Herkommen, Ueberliefernng; Berichte von Worten und Hand-
lungen des Propheten und seiner Genossen wurden gesammelt;
was durch gute Zeugnisse bekräftigt war fand Ausnahme. Die
Orientalen verlangten nach vorbildlichen Beispielen in verschie-
denen Lagen, sie wollten auch wissen wie man am besten esse,
trinke, sich kleide; und so ward die Lebensweise des Propheten
und seiner Freunde zur Richtschnur ausgeschrieben. All dies
Wissen war nicht Sache einer Priesterschaft, sondern Gemeingut
 
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