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Verlag Bruno Cassirer
Almanach: auf das Jahr ... — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.70232#0084
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Almanach 1920

der vorzeitliche Fürst wie ein kranker Lebemann höchst
unglücklich darin ausnahm. Der Zeichner hatte sich
aber daran erinnert, daß Thule im hohen Norden ge-
legen wäre, und deshalb den Louis XIV.- Stuhl mit
irischer Ornamentik versehen. Der Effekt war 'so
lächerlich, daß dadurch allein der Eindruck des Bildes
und damit des Gedichtes vernichtet wurde. Auch mit
keiner anderen Gestaltung des Thrones hätte der Illu-
strator mich befriedigen können. Jede Formung der
Geräte, der Kleidung und der Architektur versetzt den
Vorgang aus der Balladensphäre in eine zeitlich und
örtlich bestimmte Lage und zieht die Phantasie mit
Bleigewichten zur Erde.
Überdies ist der Zeichner im Nachteile, weil er die
Bewegungen, die das Wort ausdrückt und denen die
beflügelte Einbildung des Lesers zu folgen vermag,
nicht veranschaulichen kann. Er staut und stuft den
zeitlichen Fluß — oft zum Schaden und manchmal
zur Aufhebung der dichterischen Absicht.
Hat der Poet mit dem Wort ins Schwarze getroffen.
Ö ’
seine Empfindung und Anschauung in dem Leser
wachgerufen, dann ist das Maximum von Wirkung
erreicht. Darüber hinaus gibt es keine Steigerung oder
Vertiefung, wie nicht durch Kommentar so nicht durch
bildliche Ausprägung. Dem Dichter hingegeben, duldet
der Leser nicht, daß eine dritte Persönlichkeit sich
einmische. Wenigstens kein guter Leser wird eine
Sehnsucht verspüren nach illustrierten Ausgaben Flau-
berts oder Dostojewskis. Stefan George kann bei
seinen Gedichten höchstens taubstummes Ornament
dulden.
 
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