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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0043
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— 91 —

wurf in etwa 58 Compartimente von ungleicher Größe zer-
legen, ohne daß man Gefahr lauft, daß er in ſeinen Haupt-
theilen zu ſehr zerſtückelt wird. Jeder Stickerin werden un-
gefähr 1, Ellen bemalten Stramins zur Ausfüllung über-
wieſen. Vor Bemalung des Stramins werden dieſe 58 Theile
deſſelben mit Umſchlagnähten zuſammengenäht und auf der
Rückſeite ſo numerirt, daß die Zuſammenſetzung ſpäter ſchnell
erſichtlich iſt. Hernach wird der ganze Entwurf in allen ver-
ſchiedenen Farbentönen auf dem Stramin ſo ausgemalt, daß
ſämmtliche Umriſſe genau mit den Fäden und Maſchen des
Stramins übereinſtimmen. Nach dieſer Farbenſkizze werden
auch die Beſtellungen des Stickmaterials (dichter Kaſtor-Wolle)
in den verſchiedenſten Nüancirungen und zureichender Ouanti-
tät zum Voraus gemacht. Die einzelnen Stücke des bemalten
Stramins werden ſofort auseinander getrennt und ſammt der
nöthigen Stickwolle den Mitarbeiterinen übergeben. Jede der-
ſelben kann ſich noch mit Freundinnen umgeben und mit ver-
einter Kraft das ihr zugefallene Compartiment ausführen. Da-
mit jedoch die Technik des Stickens auf allen Theilen durchaus
gleichartig wird, ſo deutet vorher eine und dieſelbe Hand auf
ſämmtlichen bemalten Stücken ſowohl die Stichlage als auch
die Dichtigkeit der Kreuzſtiche an. Alsdann können die Com-
partimente einfach und bequem auf der Hand und nicht auf
Rahmen ausgefüllt werden.
Der unermüdliche Dr. Bock hat eine Sammlung von frei-
willigen Beiträgen einzuleiten übernommen, um mit deren Er-
trag die Baarauslagen für Zeichnung und Stickmaterial be-
ſtreiten zu können.
Zur weitern Aufmunterung wollen wir beifügen, daß nach Ver-
ſicherung Dr. Bocks in den letzten Jahren für die St. Dyoniſius-
kirche in Crefeld, für Dülken und St. Hubert bei Kempen reich-
geſtickte Altarteppiche nach meiſterhaften Entwürfen entſtanden ſind.
Ein ſinniger und tiefer Gedanke, der den ganzen Entwurf
beherrſcht, iſt nicht nur ein weſentlicher Faktor des künſtleriſchen
Werths einer ſolchen Arbeit; er beſeelt auch die Arbeit und
ermnthigt die fleißigen Hände durch das Bewußtſein, daß ihr
Produkt dieſen Gedanken immer neu ausſpricht und ſeinen
Wiederhall im Herzen des Beſchauers weckt. Mit den Namen
des großen Kaiſers Karl knüpft ſich die Erinnerung an eine
Thätigkeit, die der eines Apoſtels ähnlich iſt. Mit der Aus-
breitung ſeines Reiches ging die des Chriſtenthums und wahrer
Geſittung Hand in Hand; Glaubenseinheit und Gehorſam
gegen die Kirche waren die großen Principien der geiſtigen
Einheit, die ſein großes Reich und ſo verſchiedene Völker be-
herrſchten. Die von ihm gegründeten Schulen erzogen Miſſio-
näre, welche das Bekehrungswerk der germaniſchen Völker durch
ausländiſche Sendboten in würdiger Weiſe fortſetzten; daher
nennen wir es einen guten, ſinnigen Gedanken, wenn der Ent-
wurf unſeres Teppichs — nach den Angaben des Dr. Bock
von Kleinertz gefertigt — den engern Chor des Karlsmünſters
als den Garten Edens verfinnbildet, von dem die vier Para-
dieſes-Flüſſe in alle Weltgegenden ſegenſpendend ausgehen; der
von dem Sternenkreis umſtellt und zugleich von den allegori-
ſchen Bildern der vier Elemente und der vier Winde umgeben
iſt. Jn der Mitte des 26 Fuß langen und 22 Fuß breiten
Teppichs ſteht von einer großen, nach den vier Seiten halb-
kreisförmig ausladenden Mandorla eingefaßt, der Baum des
Lebens umgeben von Pflanzen und Blumen, die in der heil.
Schrift beſonders namhaft gemacht werden, als da ſind: plata-
s, oliva speciosa, cecdrus, palma, balsamum, eypressus,
lilia, myrrha, ſämmtlich durch Spruchbänder gekennzeichnet.
Auch die kleineren Thiere des Paradieſes, ſowie Sonne und
Mond in trefflicher Styliſirung angebracht.
Jn den genannten vier Kreis-Ausſchnitten gewahrt man
ähnlichen Darſtellungen des Mittelalters analog, vier Haupt-
ſtätte des chriſtlichen Erdkreiſes, Rom, Jeruſalen, Bethlehem,

zuletzt, wie billig, Aachen. Sie ſind blos an der Jnſchrift zu
erkennen. Ganz gewiß wäre es gerechtfertigt, jeder dieſer
Städte an den Kuppeln und Thürmen ihrer ausgezeichnetſten
Kirchen ein unterſcheidendes Wahrzeichen zu geben.
Ein nahezu drei Fuß breites, rechteckiges Ornament um-
randet dieſe mittlere Parthie. Jn den vier Ecken desſelben
ſind größere Medaillons mit den vier Paradieſes-Strömen, dar-
geſtellt durch allegoriſche Figuren mit Waſſerurnen; kleinere
Medaillons zwiſchen ihnen ſtellen die zwölf Sternbilder des
Thierkreiſes dar.
Eine zweite ornamentale Umrandung, breiter als die erſte,
faßt dieſe ein. Jn den vier Ecken ſtehen allegoriſche Halb-
Figuren, von Dreipäßen eingerahmt; ſie halten eine Geſichts-
larve in jeder Hand; der ſichtbare Hauch ihres Mundes, bald
ſtärker, bald ſchwächer, deutet die vier Winde an, die noch durch
die beigeſetzten Namen: Auster, Zephyr, Eurus, Aquilo un-
terſchieden ſind. Jn dieſer Einfaſſung lauft, der Darſtellung
des Thierkreiſes parallel, die Shmboliſirung der vier Elemente:
Luft, Erde, Fener und Waſſer. Das Teppichende, welches die
obere Altarſtufe bedeckt, nimmt die Darſtellung der Luft ein,
ausgedrückt durch ſtyliſirte Wolken; ein im Zickzack laufendes
Spruchband hat die Jnſchrift: ,,De Coelo Domino benedi-
cite ventus et aër'' (vom Himmel her lobet den Herrn, ihr
Winde und Lüfte.) Jn den zwei untern dreieckigen Feldern
erhebt ſich der König der Lüfte, ein ſtyliſirter Adler in kühnem
Fluge zum Licht empor.
Die gegenüberliegende Umrandung ſtellt das Erd-Element
in ſeinen Repräſentanten, der Pflanzen- und Thierwelt dar.
Die größern Thiere, Elephant, Löwe, Hirſch und Hund ſind
ſo ſtyliſirt, daß ſie in der Weiſe von phantaſievollen Arabesken
poetiſch auftreten. Der Text des Spruchbandes ſagt:
,,Terra Deum lauda, lapides, plantae pecudesque.
Erde, lobe den Herrn, und ihr Steine, Pflanzen und Thiere.
Rechts finden wir das Element des Waſſers mit ſeinen
Bewohnern, dem Wallfiſch und anderen Seeungethümen, ſowie
der ſagenhaften Sirene, welche mit Geſang die Schiffer ver-
lockte, geſinnbildet. Andererſeits ſtrömt aus ſthyliſirten Wolken
der Regen hernieder. Jm Spruchband iſt zu leſen:
,, Aequora quaeque moventur aquis benedicite Summo.'
Meere und Alles, was lebet im Waſſer dem Herrn lobſinget.
Der alten Anſchauung zufolge iſt das Feuer das Lebens-
Element der Dracheu, Molche und Salamander. Deßhalb ſind
ſie auf der vierten Seite die Sinnbilder dieſes letzten Elements.
Aus ſtyliſirten Wolken ſchießen Blitze. Das im Zickzack lan-
fende Band, welches das Feld in Dreiecke mit dieſen Darſtel-
lungen abtheilt, hat die Legende:
, Exaltate Deum, vos fulgura et ignis et aestus.
Blitze und Feuer und Gluth erhebet den Herrn.
Die letzte Einfaſſung, die in reichen Franſen ſchließt. ent-
hält die Wiedmung, alſo lantend:
,,Ad laudem Dei ownipotentis, et in honorem B. M. V.,
sine labe conceptae, et Divi nostri Caroli imperatoris ac
hujus insignis basilicae fundatoris, hoe opus acus perfe-
cerunt piae mulieres almae civitatis Aquensis, quarum
nomina seripta sint in libro vitae. Anno reparatae sa-
lutis MDOCLXJJJ.'' (Zum Lobe des allmächtigſten Gottes
und zur Ehre der allerſeligſten Jungfrau Maria, ohne Sünde
empfangen, und unſeres glorreichen Kaiſers Karl, Gründer die-
ſer erhabenen Baſilica, haben fromme Frauen der altberühmten
Stadt Aachen deren Namen im Buche des Lebens ſtehen mögen
— dieſes Nadelwerk gefertigt im Jahre des Heils 1863.)
Jn Betreff der Farbentöne dienten die Grundſätze der Polh-
chromie des 14. Jahrhunderts zur Richtſchnur. Es wurden alſo
entſchiedene Töne gewählt, die, wenn auch in reichem Wechſel, durch
richtige Zuſammenſtellung eine ruhige Farbenharmonie bewirken,
ohne durch buntes Durcheinander zu ſtören und zu verwirren.
 
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