Chriſtliche
Kunſtbläͤtter
Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)
Nro. 86.
Domine diloxi doeorem domus tuae. Ps. 25, 8.
Februar 1869.
J. Die Kirche des hl. Polyeukt in Conſtantinopel.
(Schluß.)
— war der Kaiſerin Eudokia aller Wahrſcheinlichkeit nach von dem
in Melitene gebürtigen Abte Euthymius gegeben worden, deſſen
Eltern dieſem Heiligen mit großer Verehrung zugethan waren. Jn
ihrer letzten Lebensfriſt hatte Eudokia eine nähere Verbindung mit
Euthymius angeknüpft; es wird von demſelben berichtet, er habe
ſie aufgefordert, ſich auf ihr bevorſtehendes Ende vorzubereiten.)
Durch ihren Tod wurde der auf ihrem Befehl in Conſtanti-
nopel begonnene Kirchenbau unterbrochen. Die Fortführung und
Erweiterung wurde von Juliana erſt nach einer längern Friſt in
Angriff genommen, als dieſe ſchon ſelbſt in einem vorgerückten
Lebensalter ſtand. Dies geht daraus hervor, daß in den be-
treffenden Jnſchriften bereits Enkelkinder derſelben erwähnt ſind.
Nach Gregor von Tours,) dem auch eine Kunde von dem
prächtigen Bauwerk zugekommen war, entſtand dasſelbe erſt in
den Tagen des Kaiſers Juſtinian. Genau wiſſen wir nicht,
wie lange noch Juliana unter der Regierung dieſes Kaiſers
ihr Leben fortführte. Da nach ihrem Tode ihre Eunuchen in
das Kloſter des hl. Sabas bei Jeruſalem eintraten,) dieſer
aber im Jahre 531 ſtarb, ſo fällt das Ableben der Juliana vor
Ueber die Thätigkeit, womit Juliana ihre weitern Lebens-
jahre ausgefüllt hat, finden wir Angaben in dem Geſchichtswerke
des Theophanes, der Oſter⸗Chronik, dem Ungenannten des Ban-
duri (welchem Codinus ſeine Nachrichten verdankt), und einigen
Epigrammen der griechiſchen Anthologie. Von dieſen Quellen
werden ihre Verdienſte für die Aufführung von Kirchen hervor-
gehoben, die ſie in allen Gegenden des römiſchen Erdkreiſes —
d. h. wohl überall, wo ihre Eigengüter zerſtreut lagen, — ſtif-
tete. Namentlich angeführt werden eine Marienkirche jenſeits
der Propontis, die Kirchen der hl. Euphemia und des hl. Poly-
euktus in Conſtantinopel. Nur mit der Letztern habe ich mich
hier zu beſchäftigen; ich behalte es mir vor, über die ander-
weitigen Leiſtungen der Anicia Juliana weitern Bericht in
ſpätern Mittheilungen abzuſtatten.
Die erſte Gründerin dieſer Kirche war die Kaiſerin Eu-
dokia geweſen, von welcher jedoch dieſelbe in geringerer Aus-
dehnung und weniger ſchmuckreich hergeſtellt wurde. Der Bau
der Eudokia ſcheint aber noch nicht unternommen geweſen zu
ſein, als ſie, in Folge der Entzweiung mit ihrem Gatten,
Theodoſius JJ., im Jahre 440 nach Jeruſalem überſiedelte.
Nach dem Scholiaſten der Anthologie kam die Vollendung durch
Juliana in 4. Jahren zu Stande. Der Ungenannte des
Banduri gibt an, die Bauleute ſeien aus dem Abendlande
herbeigezogen worden.
Die Anregung zur Erbauung einer dem hl. Polyeukt —
einem Martyrer, der, während der Verfolgung des Kaiſers De-
cius, zu Melitene in Kleinarmenien ſeinen Tod gefunden hatte, )
genannten Neichsgrenzen waren freilich ſchädliche Thiere in ſehr großer
Anzahl verbreitet; der hl. Hieronymus verſichert (Comment. in Ezech. Lib.
IX. eap. 30.) die Grenzen Aegyptens würden durch giftige Schlangen unzu-
gänglich gemacht. Jn Meſopotamien mußten während des Feldzugs im
Jahre 505 die römiſchen Truppen gegen die Raubthiere verwendet werden.
(Iosns Stylites ap. Assemani Biblioth. oriental. T. J. p. 281.) Bei der
in Frage ſtehenden bildlichen Darſtellung muß man aber wohl die alle-
goriſchen Erklärungen des hl. Auguſtin berückſichtigen, (Enarrat. in Psalm.
39 et 69) denen zufolge der Löwe die offene und gewaltthätige Verfolgung.
der Drache, ſowie die Schlange die ſchleichende, argliſtige Untergrabung
der Kirche durch die Häretiker bedeutet. Auf unzähligen Bildwerken des
Mittelalters ſind dieſe Allegorien zur Anwendung gekommen; ich erinnere
beiſpielsweiſe nur an die Seulpturen des Kaiſerſtuhles, der ehemals in
dem Dome zu Goslar errichtet war. Neben der rohen Gewalt welche De-
eius zur Bekämpfung des Chriſtenthums anwendete, gerieth dasſelbe gleich-
zeitig durch das Sektenweſen, namentlich durch die Traditoren, in große
Bedräͤngniß. Hierauf mögen die neben Deeius geſtellten Löwen und Schlan-
gen angeſpielt haben. Der Kunſtler mag zugleich auf die Drangſale haben
hinweiſen wollen, welche in ſeiner eigenen Zeit die Kirche von der kaifer-
lichen Macht zu erdulden hatte.
) Oyri lus, Vita S. Buthymii abb. cap. 2. ap. Oote1er. 1. e. p. 202
2) De gloria Martyrum. cap. 103.
o ii. vita s. Sabae. oap. 69. ap. Goteler. 1. e. p. 338.
) Von der Oſterehronik (P. J. p. 504 Bonn.) wird berichtet, man
vflege den Kaiſer Deeius zwiſchen Löwen und Schlangen abzubilden. Ein
ſolches Gemälde mag der Verfaſſer in der Polyeuktuskirche geſehen haben.
Als die Veranlaſſung zu dieſer Darſtellung gibt er an, Deeius habe um
die Grenze Aegyptens gegen die Einfälle der Nomaden und Blemmyer ſicher
zu ſtellen, giftige, aus Arabien gebrachte Schlangen dort angeſiedelt, und
zur Abwehr der Saraeenen Löwen und Löwinnen aus Afrika nach Arabien
und Paläſtina bis zum Euphratufer verſetzen laſſen. Daß, wie Ritter meint,
(Erdkunde. Oſtaſien. Bd. IV S. 381) der letztern Angabe eine hiſtoriſche
Thatſache zu Grunde lag, ſcheint mir höchſt zweifelhaft. An den beiden
Kunſtbläͤtter
Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)
Nro. 86.
Domine diloxi doeorem domus tuae. Ps. 25, 8.
Februar 1869.
J. Die Kirche des hl. Polyeukt in Conſtantinopel.
(Schluß.)
— war der Kaiſerin Eudokia aller Wahrſcheinlichkeit nach von dem
in Melitene gebürtigen Abte Euthymius gegeben worden, deſſen
Eltern dieſem Heiligen mit großer Verehrung zugethan waren. Jn
ihrer letzten Lebensfriſt hatte Eudokia eine nähere Verbindung mit
Euthymius angeknüpft; es wird von demſelben berichtet, er habe
ſie aufgefordert, ſich auf ihr bevorſtehendes Ende vorzubereiten.)
Durch ihren Tod wurde der auf ihrem Befehl in Conſtanti-
nopel begonnene Kirchenbau unterbrochen. Die Fortführung und
Erweiterung wurde von Juliana erſt nach einer längern Friſt in
Angriff genommen, als dieſe ſchon ſelbſt in einem vorgerückten
Lebensalter ſtand. Dies geht daraus hervor, daß in den be-
treffenden Jnſchriften bereits Enkelkinder derſelben erwähnt ſind.
Nach Gregor von Tours,) dem auch eine Kunde von dem
prächtigen Bauwerk zugekommen war, entſtand dasſelbe erſt in
den Tagen des Kaiſers Juſtinian. Genau wiſſen wir nicht,
wie lange noch Juliana unter der Regierung dieſes Kaiſers
ihr Leben fortführte. Da nach ihrem Tode ihre Eunuchen in
das Kloſter des hl. Sabas bei Jeruſalem eintraten,) dieſer
aber im Jahre 531 ſtarb, ſo fällt das Ableben der Juliana vor
Ueber die Thätigkeit, womit Juliana ihre weitern Lebens-
jahre ausgefüllt hat, finden wir Angaben in dem Geſchichtswerke
des Theophanes, der Oſter⸗Chronik, dem Ungenannten des Ban-
duri (welchem Codinus ſeine Nachrichten verdankt), und einigen
Epigrammen der griechiſchen Anthologie. Von dieſen Quellen
werden ihre Verdienſte für die Aufführung von Kirchen hervor-
gehoben, die ſie in allen Gegenden des römiſchen Erdkreiſes —
d. h. wohl überall, wo ihre Eigengüter zerſtreut lagen, — ſtif-
tete. Namentlich angeführt werden eine Marienkirche jenſeits
der Propontis, die Kirchen der hl. Euphemia und des hl. Poly-
euktus in Conſtantinopel. Nur mit der Letztern habe ich mich
hier zu beſchäftigen; ich behalte es mir vor, über die ander-
weitigen Leiſtungen der Anicia Juliana weitern Bericht in
ſpätern Mittheilungen abzuſtatten.
Die erſte Gründerin dieſer Kirche war die Kaiſerin Eu-
dokia geweſen, von welcher jedoch dieſelbe in geringerer Aus-
dehnung und weniger ſchmuckreich hergeſtellt wurde. Der Bau
der Eudokia ſcheint aber noch nicht unternommen geweſen zu
ſein, als ſie, in Folge der Entzweiung mit ihrem Gatten,
Theodoſius JJ., im Jahre 440 nach Jeruſalem überſiedelte.
Nach dem Scholiaſten der Anthologie kam die Vollendung durch
Juliana in 4. Jahren zu Stande. Der Ungenannte des
Banduri gibt an, die Bauleute ſeien aus dem Abendlande
herbeigezogen worden.
Die Anregung zur Erbauung einer dem hl. Polyeukt —
einem Martyrer, der, während der Verfolgung des Kaiſers De-
cius, zu Melitene in Kleinarmenien ſeinen Tod gefunden hatte, )
genannten Neichsgrenzen waren freilich ſchädliche Thiere in ſehr großer
Anzahl verbreitet; der hl. Hieronymus verſichert (Comment. in Ezech. Lib.
IX. eap. 30.) die Grenzen Aegyptens würden durch giftige Schlangen unzu-
gänglich gemacht. Jn Meſopotamien mußten während des Feldzugs im
Jahre 505 die römiſchen Truppen gegen die Raubthiere verwendet werden.
(Iosns Stylites ap. Assemani Biblioth. oriental. T. J. p. 281.) Bei der
in Frage ſtehenden bildlichen Darſtellung muß man aber wohl die alle-
goriſchen Erklärungen des hl. Auguſtin berückſichtigen, (Enarrat. in Psalm.
39 et 69) denen zufolge der Löwe die offene und gewaltthätige Verfolgung.
der Drache, ſowie die Schlange die ſchleichende, argliſtige Untergrabung
der Kirche durch die Häretiker bedeutet. Auf unzähligen Bildwerken des
Mittelalters ſind dieſe Allegorien zur Anwendung gekommen; ich erinnere
beiſpielsweiſe nur an die Seulpturen des Kaiſerſtuhles, der ehemals in
dem Dome zu Goslar errichtet war. Neben der rohen Gewalt welche De-
eius zur Bekämpfung des Chriſtenthums anwendete, gerieth dasſelbe gleich-
zeitig durch das Sektenweſen, namentlich durch die Traditoren, in große
Bedräͤngniß. Hierauf mögen die neben Deeius geſtellten Löwen und Schlan-
gen angeſpielt haben. Der Kunſtler mag zugleich auf die Drangſale haben
hinweiſen wollen, welche in ſeiner eigenen Zeit die Kirche von der kaifer-
lichen Macht zu erdulden hatte.
) Oyri lus, Vita S. Buthymii abb. cap. 2. ap. Oote1er. 1. e. p. 202
2) De gloria Martyrum. cap. 103.
o ii. vita s. Sabae. oap. 69. ap. Goteler. 1. e. p. 338.
) Von der Oſterehronik (P. J. p. 504 Bonn.) wird berichtet, man
vflege den Kaiſer Deeius zwiſchen Löwen und Schlangen abzubilden. Ein
ſolches Gemälde mag der Verfaſſer in der Polyeuktuskirche geſehen haben.
Als die Veranlaſſung zu dieſer Darſtellung gibt er an, Deeius habe um
die Grenze Aegyptens gegen die Einfälle der Nomaden und Blemmyer ſicher
zu ſtellen, giftige, aus Arabien gebrachte Schlangen dort angeſiedelt, und
zur Abwehr der Saraeenen Löwen und Löwinnen aus Afrika nach Arabien
und Paläſtina bis zum Euphratufer verſetzen laſſen. Daß, wie Ritter meint,
(Erdkunde. Oſtaſien. Bd. IV S. 381) der letztern Angabe eine hiſtoriſche
Thatſache zu Grunde lag, ſcheint mir höchſt zweifelhaft. An den beiden