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Eugene Burnand Der verlorene Groschen
Aus den „Parabeln". Verlag Berger-Levrault, Nancy


Hirte" führt seine Herde durch einen riesigen Hochwald; Zypressen und
Steineichen, Busch und Dorn reden von den tausend Irrwegen, auf denen
die Menschenseele verstrickt und zerrissen wird. Nur auf dem Pfad vor
dein göttlichen Führer leuchtet ein verheißender Schimmer von Sonne. Und
der Sohn, den die „bösen Weingärtner" erschlagen haben, liegt auf weiter,
trostloser Steppe, über der ein dunkler Himmel hängt. Ins Unendliche hinaus
sieht der Beschauer, aber er sieht nichts als völlige Oede: der Jammer der
Menschenwelt, die den Frieden für immer von sich gestoßen hat.
Nicht als ob die Landschaft das Erste und Hauptsächlichste in diesen
Bildern wäre! Im Gegenteil, sie tritt zurück, mehr als bei Steinhaufen,
dem das Herz eben vielleicht doch noch mehr an der Landschaft hängt als
an den Figuren. Das Figürliche ist in den ?nrubole8 der Mittelpunkt.
Ganz dem Charakter der Gleichnisse entsprechend, in denen er mit seiner echten
Künstlernatur Jesus, das Beiwerk und den Hintergrund nur zart angedeutet
hat, während das Persönliche und Menschliche mit starkem Akzent heraus-
gehoben wird. Das Persönliche und Menschliche — das ist der Charakter
der Figuren Burnands. Nicht als ob er das Orientalische völlig unterdrückte!
Es schwebt wie ein leiser Hauch über mehreren Blättern. Die prachtvollen
Pharisäerköpfe sind wie aus den Herrschertypen der Beduinenscheichs heraus-
gesehen. Aber der Typus des Beduinenscheichs dient nicht dazu, den Aus-
druck historischer Treue, landschaftlicher Echtheit zu erwecken, wie bei der
herkömmlichen Orientmalerei der evangelischen Stoffe, sondern um den
Charakter des Stolzes, der Selbstgewißheit, der Ueberlegenheit über das
 
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