Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122

Ihren Höhepunkt erreicht die künstlerische Ausstattung der Kapelle in
dem den Halbkreis über dem Altar ausfüllenden Wandgemälde von Kunst-
maler Th. Lauxmann in Stuttgart.
Der Schw. Merkur schreibt über dieses Werk am 4. November 08:
„Das Motiv ist die Grablegung Jesu und der Aufbau enthält Anklänge
an Friedrich Kellers Grablegung in unserer Galerie. Bestimmend war in
mancher Hinsicht auch Sinn und Wille des Stifters. Die Gestalt des Toten,
der als sehr kräftiger Mann mit dunklem Bart und Haupthaar aufgefaßt ist
und eher als Schlafender, denn als Leichnam erscheint, nimmt die Mitte des
Bildes ein, empfängt und gibt mit ihrem Weiß das stärkste Licht. Die
Gruppe der klagenden Frauen links vom Beschauer ist gut und zwanglos
in das sich senkende Halbrund gefügt, der kräftige Ton des blauen Mantels
wie die mehr horizontalen Linien stehen in wirkungsvollem Gegensatz zu der
aufstrebenden, voranschreitenden Gestalt in Rotbraun, deren begeistert auf-
blickender Kopf sich schön vom Horizont abhebt und das Leben zu schauen
scheint, das aus diesem Tode hervorgehen sollte. Kellers Schule bewährt sich
auch in dem Nachdruck und dem Verständnis, womit Bewegung und Muskel-
anspannung gegeben sind. Lauxmann gibt sich in dieser Arbeit als über-
zeugter Anhänger der Renaissancisten zu erkennen und, indem er daraus ver-
zichtet hat, neue Bahnen zu suchen, ist er auch vor allen Gefahren, die
Pioniere bedräuen, bewahrt geblieben und hat seine Aufgabe in würdiger,
allgemein verständlicher Weise gelöst." W
Das „Christliche Kunstblatt" bietet das schöne Werk seinen Lesern heute
als Ostergabe. Sie mögen selbst urteilen, inwiefern das oben Gesagte zutrifft.
Es liegt eine weihevolle Stimmung über der Gruppe. Sie ruft dem Be-
schauer nicht nur den schlichten Bericht der Evangelien, sondern auch jene
ergreifenden Töne ins Gedächtnis, mit welchen Bach in seiner Matthäus-
Passion den Weg zum Grabe Jesu begleitet. Dort singt eine Stimme: „Nun
ist der Herr zur Ruh gebracht", und eine andere: „Die Müh ist aus, die
unsre Sünden ihm gemacht", eine dritte: „O selige Gebeine, seht, wie ich
euch mit Buß und Reu beweine, daß euch mein Fall in solche Not gebracht."
Eine vierte Stimme schließt: „Habt lebenslang für euer Leiden tausend Dank,
daß ihr mein Seelenheil so wert geacht't!" — Nnd jedesmal antwortet der
Chor: „Mein Jesu, gute Nacht!" Aber das Dunkel des Karfreitags mußte
dem Osterlichte weichen. Auf dieser seligen Gewißheit ruht unser Glaube:
Gekreuzigt, gestorben, begraben, auferstanden! Daher auch das Bild an dieser
Stätte. Der selige Braun, den sie später auch in Jerusalem zu Grabe
getragen haben, läutet in einem seiner schönsten Gedichte, „Am Grabe Jesu",
das Totenglöcklein:
Wir gehn so manchen schweren Gang
durchs stille Friedhoftor;
Laut sagt der Glocken dumpfer Klang,
was unser Herz verlor.
So war es auch in jenen Abendstunden des Karfreitags: „Die Liebe
tut das Grab ihm auf und trägt ihn sanft hinein." Das zeigt unser Bild.
 
Annotationen