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Aus der Matthäuskirche in Frankfurt a. M.

den und die deutschen Humpen von den Paneelbrettern genommen
wurden, auch das Buch den tauben Aufputz, die verwirrenden Schnörkel
und die schwindsüchtige Armut verlor. Ein gründliches Reinigungsbad
wurde ihm appliziert; alle seine Elemente, der Einband, das Papier,
die Type, das Schmuckwerk, der Satzspiegel, der Druck, erfuhren einen
radikalen Abstrich des Äberflüssigen, eine erquickliche Gesundung nach ein-
deutigen Prinzipien der Technik, der Würde und der Schönheit. Ilm die
Distanz von einst und jetzt klar zu erkennen, braucht man nur ein respek-
tables Buch der siebziger Jahre mit einem beliebigen Bande aus dem
Insel-Verlage, dem von Eugen Diederichs oder sonst irgendeiner geachteten
Offizin der Gegenwart zu vergleichen; dann sieht man sofort, in welch
Höherent Maße die Forderungen der Brauchbarkeit erfüllt werden, emp-
findet aber auch, um wieviel charaktervoller und ästhetisch wirksamer das
neue Buch ist.
Leider blieb von dieser Entwicklung das sakrale Druckwerk beinahe
unberührt. Obgleich zwei unserer bedeutendsten Reformer der Typographie,
Otto Hupp und Peter Behrens, unverkennbar nach dem religiösen Pathos
strebten, obgleich sie zur Probe manche kirchliche Aufgabe lösten, beharrte
im allgemeinen das Niveau des feierlichen Druckwerkes weit unter dem
des zu neuer Blüte gelangenden Profanbuches. Das einzige, wirklich beach-
tenswerte Resultat war ein Gesangbuch, das Hupp für Straßburg her-
richtete, war hier und da einmal ein anständiger Konfirmationsschein oder
sonst irgendeine kultisch notwendige Drucksache. Wobei übrigens die katho-
lische Kirche sich um einige Grad zugänglicher erwies als die protestan-
tische. Deren schwerste Unterlassungssünde ist es, daß niemand daran dachte,
einen Halbwegs kultivierten Bibeldruck zu besorgen.
Die meisten der umlaufenden Bibeln entstammen der britischen Ge-
sellschaft, eine größere Zahl liefern ferner: die Preußische Haupt-Bibel-
gesellschaft, die Württembergische Bibelgesellschaft und das gallische Waisen-
haus. Davon sind die württembergischen die besten, die britischen die
schlechtesten Druckwerke. Diesen besonders haben wir den penetranten Ge-
ruch der Billigkeit vorzuwerfen. Gewiß, es ist lobesam, daß für die Zwecke
der missionierenden Propaganda ganz wohlfeile Ausgaben (die selbst unter
dem Selbstkostenpreis abgegeben werden) zu haben sind. Indessen, es
ist nicht einzusehen, warum ein Mann, dem es auf ein paar Mark nicht
 
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