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Hans Thoma macht mit seiner Kunst alle Theorie zuschanden. Er
malte nicht um zu malen, sondern von den schönen Bildern zu reden,
deren seine Menschenseele voll war. Und weil er ein tieffrommer Mensch
war von Jugend auf — als Katholik geboren — so mußte er auch von den
Bildern reden, die mit dem Tiefsten in seiner Menschenseele zusammen-
klangen — mit der Religion. Diese Bilder in seiner Seele waren bei
ihm immer Musik. Er fühlte sich zurückgetragen an den Urquell aller
künstlerischen Offenbarung, wo alle Kunst eins ist: Musik, Dichtung, Bildnerei.
So sagt er auch ein andermal:
„Bei schöner Musik habe ich oft gerade den Eindruck großer Stille —
von jener Stille, die einen heraushebt aus der großen Welt und allein sein
läßt — mit sich? Mit seinem Gott? Ich verstehe nichts von Musik im tech-
nischen Sinn, aber wenn ich so recht hören kann, so ist mir oft, als ob
jemand zu mir spräche, den ich kenne und liebe. Das ist besonders der
Fall, wenn ich — Bach höre."
Ich sagte davon, daß ich die These beweisen wolle, daß Hans Thoma
einer der ersten Führer der modernen Volkskunst gewesen ist. — Er — und in
Verwandtschaft mit ihm Wilhelm Steinhaufen — war der erste, der daran
dachte, dem gemeinen Manne neue Kunst ins Haus zu geben und dabei
erkennt er, daß der Steindruck dazu das beste und billigste Mittel war.
Bei Breitkopf L Härtel ließ er die ersten Volkskunstblätter ins Volk gehen
— es waren bald 20 Blätter.
Und wie kam er zu dieser Liebe zum Volk und zu dem Willen, dem
Volke etwas zu schenken vom Born der Kunst? Thoma ist, wie wir alle
wissen, ein Schwarzwaldbauernbub gewesen — eine Rosegger-Natur. Er hat
— trotzdem ihn die Freilichtbewegung in Paris zum großen Maler und
Könner machte, nicht aufgehört, mit dem einfachen Volke zu fühlen und
zu denken — und da sind drei Töne der deutschen Volksseele in ihm zur
gemalten Musik geworden: Religion, mystisch und realistisch zugleich
angeschaute Natur und die Lust zu fabulieren. So sehr es mich
auch heute lockt, das ganze Thema zu schildern, so möchte ich von Thomas
Landschaftsgefühl schweigen und mich auf das Thema seiner religiösen
Volkskunst beschränken und kann nur ein Wort über die Iugendkunst
sagen. Es ist vielleicht noch gar nie ganz erkannt worden, wie bei Hans
Thoma auf so vielen Bildern ein Iugendton mit hereinklingt.
Zu den ersten Bildern, die wir von Hans Thoma haben, gehört ein
religiöses Bild, ein Symbol auf die Religion des Alters und der Jugend:
„Am S o n n t a g m o r g e n". Thoma hat es mit 27 Jahren gemalt — 1866.
— Da sitzt seine Mutter und Schwester — Alter und Jugend — vor dem
aufgeschlagenen Gebetbuch. Wir haben hier schon die ganze Seele Thomas:
gelassene Ruhe, gepaart mit beschaulicher Tiefe. Diesen
Charakter trägt von Anfang an jedes Bild, ob es religiös ist oder eine
Landschaft oder ein Symbol. Das erste Bild ist auch schon ein Bruch
mit der Tradition: die Genremaler um 1866 hätten allerlei Mätzchen um
 
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