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Gesetz seines Schaffens usurpieren. Er muß hier als Protestant in bewußtem
Gegensatz zu der katholischen Kirchenbildauffassung treten, welche für ihre
Bilder gemäß ihres adorativen Zweckes — gewisse qualitative und quanti-
tative traditionelle Voraussetzungen geben muß.
Das Kirchenbild in evangelischen Kirchen ist losgelöst von jeder rituellen
Beziehung zum gottesdienstlichen Handeln der sich vor Gott darstellenden
Gemeinde. Das Bild hat demnach der Gemeinde keine bestimmten gesetzlich
feststehenden Anschauungen zu übermitteln. Vielmehr ist das evangelische
Kirchenbild ein selbständiger, sekundärer, stiller Bekenner von den großen
Tatsachen des Glaubens, ohne die Verpflichtung, etwas Autoritatives über die
malerisch darzustellende biblische Vergangenheit zu produzieren.
Die einzige Forderung, die die evangelische Gemeinde an ihren Künstler
stellt, ist die, daß auf rein künstlerischem Wege ein selbst erlebter, religiöser,
nicht nur etwa ethisch fundierter Glaubensinhalt zur Darstellung kommt in
einer dem Gesamterleben verwandten — nicht notwendig völlig adäquaten
Weise.
Von diesem, ich möchte sagen fundamentalen, wissenschaftlichen Grund-
sätze aus, ergibt sich für mich allerdings die Ablehnung einer Kirchenmalerei,
die auf alte primitive Giottokunst znrückgeht, ohne innerlich erlebt zu sein.
Ich habe hier etwas ganz Bestimmtes im Auge, möchte aber nicht weiter
davon reden, um eine jnnge Bewegung, die, sobald sie auf den elektrischen
Funken des religiösen Selbsterlebens trifft, hoffnungsreich werden kann, nicht
von vorneherein öffentlich abzulehnen.
Ich weiß Wohl, daß gegen die Forderung, daß der Künstler selbst
Religion haben müsse, vielfacher Protest erhoben wird. Ich möchte dagegen
sagen: wir wollen in der evangelischen Kirche keine bestimmte dogmatische
Forderung für den Künstler stellen, aber die Religion muß im Künstler
Erlebnis geworden sein in persönlicher Form. So gewiß, als in Gebhardt,
Steinhaufen, Uhde und unserm Jubilar — Hans Thoma — Religion Er-
lebnis geworden ist. Und wer es wagt, dem Volke so herbe Bilder von
seiner Religion zu geben wie Thoma, den muß die Religion Christi selbst
in seinen Grundtiefen erschüttert haben.
Und eben deshalb sage ich — auch Thoma wäre ein Kirchenmaler
geworden, der gerade in seinem Gefühl für scharfen Linienausdruck, für
Rhythmik des Stils, für Beschränkung auf eine oder zwei Gestalten, für
monumentale Herausarbeitung des beherrschenden Körpers, für große Linien
zur Bestimmung des Seelenausdrucks im Gesichte — die besten Qualitäten
zum Kirchenmaler hatte. Aber dieses Einleben in den Kirchenstil darf nicht
als Aufgabe erst dem späteren Künstler kommen, wie es bei Hans
Thoma in seinen Heidelberger Fresken war. So großzügig diese Fresken
sind, so lassen sie doch nur ahnen, was geworden wäre, wenn Hans Thoma
— frisch weg von seinem Wagner-Fresken-Zyklus im Hause Ravenstein zu
Frankfurt — die Hand hätte ausstrecken dürfen nach Großflächen einer
Kirchenwand!
 
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