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lösers Miene. Es ist, als hafte an seinem Gewand noch etwas vom Moder der
Gruft, als liege in seinem Antlitz noch etwas vom Grauen des Todes. Und
doch vermag auch diese wundersame, rätselhafte Erscheinung, in der jener
Krieg, da »Tod und Leben rungen«, scheinbar noch nicht beendet ist, in der
Seele des armen geängsteten Weibes einen wahren Lichtstrom seliger Oster-
freude zu entfesseln — Dazu eine Landschaft, morgenfrisch und
frühlingsfreudig, voll Sonnenglanz und blühender Anemonen, ein Tag, da
die Ostersonne leuchtender und schöner denn je ihre Bahnen wandelt."
(Abb. S. 297.)
Fromme! wirft anläßlich dieser Bilder die Frage auf: „Ist Thomas
religiöse Kunst kirchlich?" und bejaht sie. „Wenn ich mich in die mir altbe-
kannte, trauliche Peterskirche hindenke, an einem Ostermorgen, lauschend
den Klängen des herrlichen, neuen Orgelwerks, umgeben von den hohen
gotischen Pfeilern und Gewölben, wo möchte mein Auge lieber ruhen,
als auf diesen Glaubensbildern, die Meister Thoma hier geschaffen? Ich
bin überzeugt, dann würde in mir alle Kritik schweigen, und ich würde nur
ein einziges Gefühl des Dankes empfinden für solche Kunst."
Nach Entwürfen von Hans Thoma -sind an den vier Ecken des Bet-
und Lesepults, das man im Choreingang derselben Kirche aufgestellt hat, die
vier Evangelisten-Symbole in Email-Keramik angebracht. (Forts, folgt.)
jöj
Hans Thoma-Erinnerungen und -Aussprüche
^>m Jahre 1907 hatte ich anläßlich einer von mir veranstalteten Aus-
Ostellung guter Reproduktionen Gelegenheit, Hans Thoma in seinem stillen
Hein: hinter der Kunsthalle in Karlsruhe zu besuchen. In der gütigsten
Weise stellte er mir in unbegrenzter Zahl seine Handlithographien und Vor-
zugsdrucke für die Ausstellung zur Verfügung; in ungezwungener Art plau-
dernd über Kunst und Leben, Religion und Kunst, ließ er mich in sein
künstlerisches Schaffen und Denken hineinschauen. Am interessantesten war
mir, was er mir beim Zeigen des Steindrucks „Der Schöpfer" sagte; er habe
über dem Wogen der Wasser und des Chaos die Gestalt des Schöpfers in
die geometrischen Linien eines Kristalls hineingezeichnet, die Mathematik als
die Kunde vom Gesetzmäßigen in Verbindung mit dem Schöpfungswerk ge-
setzt; denn die Grundlage des Weltalls und die Grundlage alles geistigen
Schaffens sei die Gesetzmäßigkeit, und Gott sei ihm das Prinzip der gesetz-
mäßigen unverbrüchlichen Ordnung.* Auch aus andern Bemerkungen über
seine Bilder und das Leben kam mir zum Bewußtsein, was für eine gesunde
Philosophie in dem schlichten Denker- und Künstlerkopf steckt.
Auf des nunmehr verstorbenen Adolf Schmitthenners Einladung hin

Siehe auch „Im Herbste des Lebens" S. 187—193
 
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