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gekommen wie die Männer. Herzlich gönne ich es ihnen, wenn sie sich
von Zwang und Einzwängung freimachen. Ihr angeborener Sinn für
Schmuck und Sichherausputzen geht dabei jedenfalls nicht verloren, und
es wird die Künstler freuen, wenn sie etwas dazu beitragen können, es den
Frauen zu erleichtern, daß sie sich praktisch kleiden dürfen und dabei doch
gerade so schön bleiben wie zu allen Zeiten, vielleicht noch schöner.
Bei Männerkleidung ist nichts zu machen; wir sind zum steifen Kragen
und Hemd, zur harten Handschelle verurteilt, wir stecken in Futteralen.-
Es ist eine Strafe, die über uns gekommen ist." (Aus dem Jahre 1903.
Seite 144)
KunstundPhilosophie
„Auch die Kunst steht mit der Philosophie in Verbindung als ein
Teil unseres geistigen Daseins, indem sie mit ihren Mitteln nach der
gleichen Quelle ahnungsvoll hinzuweisen berufen sein kann, aus der unser
aller Dasein geheimnisvoll hervorgeht."
„Daß von so hoher Stelle aus die Kunst geehrt wird, wird derselben
zum Segen gereichen — diese Ehre verpflichtet und wird sie stärken in dem
Streben nach hohen Zielen, die weit über das Tages- und Luxusbedürfnis
hinaus von den reinsten Regionen geistiger Tätigkeiten ihr entgegenleuchten."
(Anläßlich der Verleihung der Doktorwürde durch die philosophische Fakultät
der Universität Heidelberg im Jahre 1903. Seite 142)
Wesen der Kunst. Kunst und Glauben
„Die Kunst ist ein frohes, geistiges Spiel, welches den Künstler
zumeist für sich selber zu seiner eigenen Befriedigung vollführt.-
Aber dieses Spiel scheint uns auf einmal neuen Blick zu öffnen in geheimnis-
volle Tiefen, in welchen unser Dasein wurzelt. Wir ahnen dann vor den
Werken der Kunst, daß hinter dem heitern Kinderspiel ein tiefer Ernst steckt
— und daß das, was Willkür schien, aus folgerichtiger Notwendigkeit her-
vorgeht, und wir empfinden diese notwendige Folge, die wir Harmonie
nennen, als Einheitlichkeit, die aller guten Kunst eigen ist. — Wir sollen
dieses Ahnen nicht geringschätzen, es ist doch der liebliche Vorbote des
Glaubens, der ja ebenso aus der Gemeinsamkeit unseres Gefühlsleben seinen
Ursprung hat. Aus dieser Gemeinschaft des Gefühlslebens entsprungen,
erhaben über alle egoistischen Bewegungen, die der Tag und das Leben
mit sich bringen, die entzweien und zum Kampfe führen, stellt die Kunst
einen schönen Frieden her. Wir können durch sie erhoben sein in eine
Region über allem Lieben und Hassen." — — — „Da wir Deutsche sind,
freuen wir uns auch, wenn wir in der Kunst Spuren von dem finden, was
wir als unser Eigenstes erkennen, und die Kunst kann sehr gut eine Antwort
geben auf die Frage: Was ist deutsch? — Sie kann ebenso wie die
Sprache ein Band unserer Gemeinsamkeit sein, wenn auch nicht des Denkens,
so doch unseres Fühlens." (Aus der Rede in Frankfurt am 60. Geburtstag
den 2. Oktober 1899. Seite 201 ff., cf. Seite 244 ff.)
 
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