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bestimmen; der Sänger braucht nur seine Skala und seine Hauptdreiklänge
fest im Ohr zu haben, mit diesem Besitz ausgerüstet wird er auch ohne
jene Hilfsmittel, die ja freilich dem gebildeten Musiker unentbehrlich sind,
die ihm vorliegenden Tonreihen zu verstehen und, wenn sie sangbar sind,
auch zu singen wissen. Daß das freilich nicht von heute auf morgen geschieht,
daß auch die neue Methode kein Zaubermittel ist, das dem Sänger und
Lehrer und Dirigenten die gebratenen Tauben nur so ins Maul fliegen
läßt, daß gerade die stete Beziehung der einzelnen Noten auf den
Grundton dem Sänger geläufig werden muß und darum tüchtigen Lernens
und fleißiger Äbung bedarf, das versteht sich von selbst. Aber daß diese
Art zu singen viel mehr Sinn hat, als das bisherige unsichere Nmhertasten,
daß damit ein Schlüssel gefunden ist, der zu manchem bisher verschlossenen
Gelaß den Zugang öffnet, das dürfte doch ebenso dem, der die Sache unbe-
fangen prüft, einleuchten. !
Doch ich bin noch nicht zu Ende mit der Darlegung der Beutterschen
Vorschläge. Schon lange höre ich den Einwurf: aber die Modulation!
Macht sie nicht zu große Schwierigkeit? — Nicht mehr und nicht weniger
als beim alten Ziffernsingen, das ja, so wie die Sache lag, seinen guten Sinn
gehabt hat. Es muß mit dem Eintreten der neuen Tonart einfach nur der
Grundton derselben gerade so, wie vorher der der Haupttonart hervorgehoben
werden, und es wird nicht allzu schwer sein, dem Schüler klarzumachen,
daß nun mit diesem Ton eine neue anders liegende, aber ganz in der ge-
wohnten Art verlaufende Skala beginnt, ihn durch Äbung dahin zu bringen,
den hervorgehobenen Ton als Grundton sich zu denken und die nun
folgenden Töne zu diesem neuen Grundton in Beziehung zu setzen, gerade
so, wie er's mit der Haupttonart gemacht hat. Beutter sagt mit Recht, daß
bei dieser Art die Modulation zu bezeichnen, die Tonverhältnisse klarer
hervorgetreten, als dies bei der bisherigen Notenschrift selbst für den ge-
bildeten Sänger der Fall ist, wenn er nicht etwa die Partitur, sondern nur
seine Singstimme vor sich hat.
Bei dem Mollgeschlecht ist gerade so wie bei dem Durgeschlecht
zu verfahren, nur daß durch eine ändersartige Bezeichnung der Grundtonstelle
dem Sänger gezeigt wird, daß er die entsprechende Molltonart vor sich
hat. Beutter schlägt Strichelung der Linie und eine gegenüber der Dur-
tonart nach anderer Richtung geneigte Schraffierung des Zwischenraumes
vor. Freilich alles Stricheln und Schraffieren ist nutzlos, wenn nicht die
Voraussetzung erfüllt ist, daß der Sänger das Mollgeschlecht überhaupt ge-
lernt, geübt und dem Gehör eingeprägt hat. Da aber bei der Beutterschen
Notenschrift alle Erklärungen und Abungen für die einzelnen Durtonleitern
Wegfällen und ja nur die eine natürliche Skala zu üben ist, so ist zu hoffen,
daß auch im Schulgesangunterricht, wenn die Reform zur Durchführung
gekommen ist, Zeit für die Erlernung der Molltonleiter übrig sein wird.
Im übrigen gilt aber auch hier die alte Wahrheit, daß es keine Methode
gibt, die den Lehrer und den Lernenden der ernsten Arbeit enthebt; auch
 
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