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liegt sicher in dieser Richtung des Vergessens aller Tradition, aller künstle-
rischen Hochkultur. Wer so etwas wagt, schlägt die Masse der Alltagsdenker
vor die Stirne. Der Reformer aber wird recht behalten, wenn in seiner
Rechnung kein logischer Fehler ist. Zur Hälfte hat Hodler recht. Bis
zu dem Punkte stimmt seine Logik: eine Reform der Monumentalkunst ist
nur möglich, wenn der gewollte Gedanke in einfachster Bewegung, in
wenigsten Gestalten und in klarster Einheit gesagt wird. — Unlogisch wurde
Hodler aber in dem Augenblick, als er vergaß, daß unser modernes Auge
nicht mehr in die raumlose Vorstellung der alten griechischen und orien-
talischen Relief-Plastiker zurückgeschraubt werden kann. Diese Zumutung
fand die Masse als Beleidigung, als Zwang zu einer naiven kindlichen
Kunstanschauung. Hätte Hodler einen fortlaufenden Fries geschaffen, statt
zwei Friese übereinanderzubauen, so hätte er durchschlagender gewirkt.
Für die christliche Monumentalmalerei ist wertvoll die Erkenntnis
des Gesetzes der Einfachheit. Der Gedanke einer friesartigen Darstellung
des Themas — so etwa, wie Steinhausen die Geschichte des Verlorenen
Sohnes in Frankfurt darstellte, ist sehr erwägenswert.
Auch Theodor Fischer hat ihn in Schwabing an den Emporenflächen
angewendet. Es liegt hier ein modernes monumentales Prinzip, das noch
nicht diskutiert ist. Theodor Fischer hat seine Schwabinger Kirche bis hinein
in die Apsis nach diesem Friesgedanken — vielleicht unbewußt — ange-
legt. Die Forderung, daß unsre Architekten und Maler zusammen die
Kirchen bauen sollen, erfordert einmal auch eine Aussprache über diesen
Punkt, die ich mir Vorbehalte. — Die Professur für Monumentalmalerei
in Düsseldorf, von der wir schon berichteten, wird ja gewiß auch ihren
Beitrag zu dieser Frage geben.
In Sachen der christlichen Kunst ist von der Berliner „Großen" nichts
Wesentliches zu berichten. In der Plastik, besonders der Grabmalplastik,
wunderte ich mich, daß die Charlottenburger Plastiker relativ wenig von ihrem
ausgezeichneten Können gezeigt haben. Einen bleibenden Eindruck hat mir
nur „Das weinende Mädchen" von Hans Dammann in Grünewald
hinterlassen. Ein anmutiger Realismus hat hier einen selten ehrlichen
Ausdruck für Kindertrauer am Grabe gefunden. Das Hineingreifen in
Situationen des Menschenlebens, das die Grabmalplastiker von Mailand,
Verona usw. in schweren Entgleisungen betreiben, hat hier einen ehrlichen
künstlerischen Ausdruck gefunden. Die Haltung des Mädchens mit den
bloßen Füßen scheint von Uhdes Bergpredigt inspiriert.
Die Berliner Plastik neigt im Gegensatz zu der Münchener Plastik
gern zu ideologischen Darstellungen. Themata wie: „Zur Sonne" — ein
anbetender Jüngling — „Prometheus und seine Geschöpfe" von Ernst
Seger — „Der Anachoret" — „Quelle der Kraft" — „Ave Maria" —
„Adam zum Leben erwachend" — geben Zeugnis von diesem Willen, die
Wucht der Plastik zu Lebenssymbolen zu wählen.
Die religiöse Malerei tritt noch stärker als sonst zurück in Berlin,
 
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