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Es ist ein Glück, daß das Bild noch zn kaufen ist. Wenn sich einer ein
unvergängliches Denkmal für eine moderne evangelische Kirche stiften wollte,
da wäre eines. Wenn ich aber Tschudi wäre und als solcher noch was
in Berlin zu sagen hätte, würde ich in mein Budget greisen. Das gäbe ein
wunderbares Pendant zu Böcklins Pieta. Ich sehe im Geiste diesen Meister-
saal — wie sie beieinander wären und noch ein großer Gebhardt — und
ein großer Steinhaufen. Sollte man so was nicht machen können? Etwa
Gebhardts „Verlorener Sohn" und Steinhaufens „Iairi Töchterlein". Diese
Bilder hätten auch in ihrem volkstümlichen Sujet besondere Galerie-
Qualitäten.
Es gab eine Zeit, wo ich „Die Grablegung Christi" von Arnold
Böcklin als modernes Bild empfand, weil uns eben Böcklin modern war.
Heute empfinde ich Böcklins Bild nicht mehr in diesem Sinne modern,
viel eher antik, im Sinne einer zeitlosen Darstellung, so wie die Antike
den Dingen das rein Menschliche, Zeitlose, man kann sagen göttliche Gewand
überkleidete. Von diesem Bilde aus empfinden wir den Unterschied der
neuprotestantischen Kunst und die starke persönliche Kraft zeitlicher Gegen-
wartskunst, aber vielleicht auch die Unnot, über die Richtigkeit beider Auf-
fassungen zu streiten. Die Gegenwartskunst, die uns Uhde in letzten Konse-
quenzen gab, ist nicht absolut richtig, sondern nur relativ notwendig in unsrer
Zeit als Reaktion gegen ein weichliches klassizistisches Ideal, notwendig für
das persönliche Empfinden dieses subjektivsten aller bisherigen Zeitalter.
Line Ausstellung für christliche Kunst, da sie geistige Arbeit darstellt, zeigt
klar, daß die Kunst sich immer wieder nach psychologischen Gesetzen ent-
wickelt und daß auch die Kunst immer wieder zu ihrer Zeit die Individuali-
täten prägt, die die Zeit'braucht und die der Zeit das sagen, was die Zeit
fühlt und will. Noch einen andern Gedanken löste mir Böcklins Pieta
aus: der „historische Christus" wird immer am glaubhaftesten mit
Mitteln der antiken Kunst dargestellt. Dieser monumentale Leichnam Christi
in sein«: geschlossenen Formen hat historische Größe und Würde. Der
Christus auf der „Grablegung" Nhdes wirkt nicht unhistorisch, aber seine
überzeugende Kraft beruht in der rein menschlichen Würde und Bürde des
Todes. Zu der Pieta Böcklins knüpfen sich mir objektive, zur Pieta Uhdes
subjektive Gefühlsbeziehungen.
Und so glaube ich auch, daß wenn unser Volk Uhde in seiner gefühls-
mäßigen, modernen Innerlichkeit, Subjektivität, noch mehr verstehen gelernt
hat, daß dann gerade für Uhde noch eine besondere Zeit der Wertschätzung
anbricht. Ich erfahre das bei der Popularität, die Uhdes Seepredigt jetzt
schon als Konsirmandenschein hat und die nur der Volkstümlichkeit von
Steinhaufens Gastmahlsbild und Gebhardts „Jesus und Maria" zu ver-
gleichen ist. Böcklins Pieta würde ich nicht wagen, als Konfirmandenblatt
auszugeben. Dagegen konnte man's mit Uhde wagen und einige Tausend
haben's auch schon verstanden.
Man kann nicht sagen, daß diese Subjektivität nur eine Eigenschaft
 
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