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Zuni 1911

Dreiundfünfzigster Jahrgang

Nr. 6



hriflliches KunflOlatt

fürMchysrliuleunbüfsus
iherausgegeben von
D.theol. David lstoch
Erscheint monatlich in einem heft;u Z2 bis 48
Zeiten uni) enthält viele Tertillustrationen, 1-2
farbige Kunstbeilagen unb bisweilen Noten.
Preis für bas Vierteljahr 2 sstark. ?u beziehen
burch alle Postämter und öuchhanölungen.

Vrgsn des Sundes der freunde für Volkskunst.

Pieta.
Sonett von Vittoria Colonna.

Da hielt die heilge Mutter tot im Schoße
Den vielgeliebten Sohn. Keimt in Gedanken
Vie Ahnung ihres Sieges ohne Schranken,
Der Glorie hehr, weit über alle Lose?
Wuchs bei derWundenRnblick auch dergroße,
Der herbe Jammer noch, wenn farblos sanken
vieteurenZüge ein? ver ch Öffnung Ranken
Zum kfimmel stiegen doch an dunkler Rose.

Und ein Geheimnis, andern noch verborgen,
(öffnet der Vater dem betrübten cherzen:
„Vein Sohn ersteht siegreich am
nahen Morgen!"
Doch, da als wahre Mutter sie geboren,
Rein Zweifel ist's, daß bis zum Tod die
Schmerzen
Rus treuer Brust sich nimmermehr verloren.


Michelangelo als Dichter.
Von Or. R. I. ks artm ann.
NFuch das Größte und Tiefste, den Erlösungssegen vom Kreuze Christi, haben
Männer und Frauen der Renaissance mit ganzer Seele erfaßt und mit
starker Empfindung haben sie auch diesem Mysterium dichterischen Ausdruck ver-
liehen. Ruch Michelangelo. Er war einer von den Menschen, in denen Kraft
des Geistes und Kraft der Empfindung in höchstem Maße sich geoffenbart haben.
Und eben darin liegt es, daß er auch ein großer Dichter werden mußte, wenn
er Gedanken und Empfindungen in der Mortform der Kunst Ausdruck gab,
wie er der große Meister war in allen bildenden Künsten. Um deswillen, was
er als Bildhauer, als Maler und Baumeister schuf, haben seine Zeitgenossen ihn
als clivino Maestro, den göttlichen Meister über alle andern Künstler des an
Kunst so unvergleichlich reichen Jahrhunderts gehoben und hat die Nachwelt ihm
den Kranz unvergänglichen Ruhmes zuerkannt. Auch seinen Dichtungen haben
seine Zeitgenossen hohen Ruhm gezollt, und nicht nur die Freunde stellten ihn
neben Dante und Petrarca. Und wenn so viele damals mit mehr oder weniger
 
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