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144
Christliches Kunstblatt für Kirche, schule und Haus
Nr. 5

als ein Gotteswunder, von dem es singen und sagen soll, als von einem heiligen
Geheimnis. Und es muß des Lebens rinnenden Wechsel mit seinem Leid und
seiner Freude fassen und verweben mit seinem hoffen und seinem Lehnen nach
Glück und Liebe und Frieden. Das dünkt uns Rindern einer Zeit der Maschinen
und des hastend-siebernden Erwerbs freilich eine seltsame Botschaft. Wie ein
finsterer Geist schleicht durch alle Gaue die Jagd nach Genuß und Erwerb. Die
Stadt hat das Dorf in ihre eiserne Umarmung gezogen, und der Kampf ums
Dasein hat die deutsche Familie zerstört. Wir leben nicht mehr ein Leben innerer
und äußerer Harmonie. Wir bilden uns und unsre Wohnstätte nicht mehr
heraus aus dem Geiste eines sicheren und zielfrohen Ligendaseins. Undeutsch
sind wir geworden in unsrem ganzen handel und Wandel. Wir müssen uns
erst einmal wieder aufmachen und die Wege suchen, die uns zurücksühren ins
deutsche Haus und in die deutsche Heimat, wo des Waldes Rauschen uns Runde
bringt von einer Vergangenheit kampfesfroher Helden und stolzer Frauen. Wo
wir unfern Gott suchen in der Einsamkeit heiliger Stille, und aus den verschütteten
Liefen den Schatz deutschen Glaubens wieder ans Tageslicht fördern, daß er als
ein Symbol weit über die Lande strahle. Und wenn wahr werden soll, was
ein deutscher Denker verkündete, daß dereinst noch am deutschen Wesen die Welt
genesen soll, dann mag und soll das nicht nur geschehen durch das stolze Wissen
jener führenden Geister, die auf einer höheren Warte als der des Rlltags
stehen, sondern auch durch die schlichte deutsche Volkskraft, die nun wieder aus
allem Stürmen und Drängen den Weg zur höhe gefunden hat. Und es ist nun
einmal des deutschen Wesens ureigenster Zug, dem Strengen das Milde und Zarte
zu paaren. Dem hohen und himmelstürmenden Flug der Gedanken das traum-
selige, weltverlorene Sinnen und hoffen zum Geleite zu geben. Der Dichter und
Sänger des deutschen Liedes, das Volk, steht neben dem Lehrer und Erzieher.
Lins gibt dem andern, was es hat und was es kann. So schreiten sie beide
vorwärts. Und wie aus weiter Ferne klingen zu uns schlichte weisen, wie
Melodien unsrer Rindheit dringen sie uns in Ohr und Herz und wecken eine
Sehnsucht nach Stille und Frieden. Lin bescheidener Gast ist es, der an unsre
Tür klopft und Einlaß begehrt. Er will wieder heimisch werden bei uns und
der Vorzeit gute Geister geleiten ihn. Er will uns ein trauter und tröstender
Wandergenosse sein und ein guter Ramerad für alt und jung. Fragt ihr nach
seinem Namen: Das deutsche Volkslied nennt er sich. Th. Ebner.
 
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