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Januar 1918

Sechzigster Jahrgang

Nr. 1


hnflliches KunflMalt
sm MA, schule llMus
erscheint monatlich in einem tieft zu Z2-4S Zeiten u. enthält viele
Textillustrationen, sowie Kunstbeilagen. Preis für das Vierteljahr
2 stlark. beriehen durch alle Postämter und Buchhandlungen.

Lin Luther-Lntwurf von Karl Nauer
für das Kunstblatt.
Zum Eingang von Idl8. Mit einem Bild.
O'arl Bauer hat uns auf die Luther-Festzeit 1917 einen Entwurf für eine
neue Auffassung Luthers gewidmet. Wir haben damit zurückgehalten bis
d' zum Eingang 1918. wir könnten im Bilde mit keiner uns mächtiger be-
rührenden Neuschöpfung beginnen. Der Maler Karl Bauer ist der künstlerische
Beweis dafür, daß wir an den großen Geistern, so oft wir uns ihnen ehrfürchtig
nahen, immer wieder neue Erscheinungsformen beobachten. Letzten Sommer habe
ich im Karmeliterkloster zu Augsburg, wo Luther 1518 seinen lebenbedrohten
Aufenthalt hatte, in der dortigen Kirche im Ehor einen wunderbaren alternden
Luther von Lukas Cranach gesehen. Das Bild war so lebendig, daß ich an
dem feierlichen, sonnigen Sommermorgen Zwiesprache halten konnte mit dem
Geiste, der aus dem Nahmen dieses Lukas Cranach-Bildes trat. Ls war wieder
ein ganz anderer Luther als der, den ich mir aufgebaut hatte - ein feiner,
milder Luther, ohne Sturm und Drang, voll innerer Sicherheit und geistiger
Fülle, vielleicht dem, der Luther ganz nahegekommen ist in Phantasie und
Versenkung, das beste, reifste Lutherbild.
Karl Bauer steht mit seinen Lutherbildern noch im Sturm und Drang des
großen deutschen Volkshelden. Vieser neueste Luther aber hat etwas an sich
und in sich, das herübergleitet in die Tage der innersten Ruhe. Ls ist etwas
von dem weltüberwindenden Schalk, von einer gewissen erdfesten Daseinsfreude,
etwas von dem Luther der Tischreden und des behaglichen Verkehrs draußen
im Weihergarten um den Feierabend mit seinem Philippus und den Andern.
Und neben dieser heiteren Sicherheit ist es doch der Luther, über dessen Größe
und Kampfbereitschaft sein Lebtag die Stürme nie geschwiegen haben, an dessen
Felsennatur die Wogen der Jahrhunderte sich gebrochen haben. Lr, der kühne
Felsenmann, hat die Wogen abgeschüttelt, unerschüttert, heiter fast ob dem un-
gestümen Branden der Zeitwellen.

L. g. XIII.

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