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Literatur ergriffen und darboten, das verbreitete der Buchdruck, dessen frühe
und glänzende Blüte in Ulm ein besonderes Ruhmesblatt in seiner großen Ver-
gangenheit bildet. Joh. Zainer (Tzainer) druckt eine sures wohl
schon 1469, Stainhöwels Gesundheitsbuch 1473, Boccaccios lateinisches Buch
,,von berühmten Frauen" im Text und in Verdeutschung von demselben 1473,
und abermals desselben Übersetzers Fabeln des Äsop; ferner ein lateinisch-deutsches
vocabular usw.; Leonhart Holl (eigentlich Lienhart Holle) die Losmo^rspins
des ptotemäus 1482- Konr. Dinkmuth das Buch der Beispiel der alten weisen
von anbegine 1483, den Lunucüuz (Lustspiel) des römischen Dichters Terentius,
deutsch von Hanns Npthart 1486; Ludw. Hohenwang, als Ulmer Drucker be-
stritten, wirkte jedenfalls von 1474 an von Rugsburg aus auch nach Ulm hinüber.
(Lr druckte später jI5O1j die scharfe Geißelung der Sittenverderbniß des Tlerus
in des Heidelberger Humanisten wimpfeling Schrift: Oe fiele eoncutünsrum
in sscerclotez.) Die meisten dieser Drucke brachten zugleich Illustrationen
des Inhalts in Holzschnitten. So wurde die, schon von sich aus innerlich
zerbröckelnde und sich umbildende mittelalterliche Weltanschauung mehr und mehr
erschüttert; eine neue Welt hielt ihren siegreichen Einzug, die Welt der Vorzeit
und der Fremde, die Welt eines geistigen Universalismus und Libertinismus.
Die Formenwelt der Ulten und der Natur, das Leben, der Mensch, wie er ist,
und das Weib wurden entdeckt, die Geltung des Einzelnen erfaßt, Persönlichkeit
und Individualität aus mittelalterlichem Bann befreit - und was für eine Be-
deutung dem allem für die Kunst innewohnte, werden wir nun sehen.
wir betreten das Münster im Jahre des Herrn 1475. Es war gerade zwei
Jahre her, daß Kaiser Friedrich III., von dem die Ehronik von Königshofen
sagt, ,,er zog in Swoben und bettelt' in allen Richstätten", auch der Reichsstadt
Ulm die Ehre seines „theuren" Besuches (18.-22. Juni 1473) erwiesen und
reiche Geschenke empfangen hatte. Der wuchtige Bau steht nun im Äußeren
vollendet bis auf die Zeitentürme, die Strebebögen und den glänzenden, reich-
gegliederten Westturm, welcher erst bis zu gleicher Höhe mit dem, 1470 durch
Jörg von Hall aufgesetzten Mittelschiffdach geführt ist (Vs des Vierecks, ungefähr
42 Meter). In mächtiger Geschlossenheit beherrscht er in seiner Höhenlage die
ganze Stadt. Ruch im Innern sind die Einwölbungen (von Matth, und Moritz
Lnsinger) ausgeführt.
Die herrliche, kühne vorhalle des Ulrich von Ensingen, welche Prof. Dehio
als ,,unerfreulich" kritisiert, während Bischof Keppler richtiger sie „vielleicht die
schönste Vorhalle der Welt" nennt, nimmt uns aus. Durch das Voppelportal, über
dem sich das Bogenfeld mit den alten Steinbildwerken der Schöpfungstage und
des Sündenfalls wölbt, gelangen wir ins Innere, wo uns gleich vorne eine hohe,
lichte Halle, nach allen vier Seiten in großen, offenen Bogen gesprengt, empfängt,
und das Rüge in die Höhe frei bis über das Martinsfenster hinauf schweifen
kann. Vie Bögen und Pfeiler sind hier noch nicht ausgemauert, die Durchgänge
noch nicht verengt, wie es schon 30 Jahre später wegen Gefahren der Senkung
gleichzeitig mit der Teilung und Neuwölbung der Seitenschiffe geschehen mußte;
der freie Durchblick nach allen Seiten ist also noch völlig ungehemmt.
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