Gebäude des Bischofspalastes, begonnen 1671, das in dem der Kathedrale benachbarten Teil
seiner Fassade noch deutliche Reste, rhythmische Bogenstellungen auf Säulenkapitellen, eines
älteren romanischen Baues des 12. Jahrhunderts aufweist. Stilistisch Älteres und Neueres
fügt sich so zur symmetrisch gebundenen Stimmungseinheit zusammen, die die leichte
Asymmetrie der in die Südostecke eingefügten bischöflichen Kapelle mit der flachgewölbten
»Fausse Porte« nur noch wirkungsvoll steigert.
2. Die Westfassade.
Wie diese Fassade (Abb. 21) sich heute dem Betrachter darstellt, so ist sie nur zu ge-
ringem Teil alt, zu noch geringerem spätromanisch — wie das hinter ihr sich erstreckende
Langhaus. Als ursprünglich erscheint der basilikale Querschnitt mit den das Hochschiff
beiderseits einfassenden runden Wendeltreppentürmchen, die mit ihren spitzkegelförmigen
Dachhelmen typisch für Tournais Kirchen des Übergangsstils, St. Nicolas und St. Quentin
(beide erbaut um 1200), werden. Ursprünglich romanisch sind auch die zwei seitlichen
Reihen von je fünf kleinen Blendbogen, durch Pfeiler getrennt, die die Stirnwand der
Seitenschiffe im ersten Stock über der Vorhallenbrüstung verkleiden. Was aber oberhalb
des dieses breite Sockelgeschoß abschließenden Gurtgesimses an architektonischer Deko-
ration folgt, die freigearbeitete Spitzbogengalerie im Giebel, die zweistöckige Säulchen- und
Bogenverblendung der runden Treppentürme und vor allem die trocken akademische, viel
zu groß geratene Rose, verdankt seine Entstehung einer durchgreifenden Erneuerung durch
J. Bruyenne von 1851, der unter Nichtachtung der Stilunterschiede Motive des jüngeren Quer-
hauses in die Architektur der älteren Westfassade hineingenommen hat.
Es ist schwer festzustellen, wie die Westfassade ursprünglich aussah: Basilikaler Quer-
schnitt, beiderseitige Treppentürme und Doppelportal sind die tatsächlichen Grundlagen, auf
denen der ideale Wiederherstellungsversuch weiterbaut, den der ehemalige Dombaumeister
Bruno Renard in seiner >:Monographie de Notre-Dame de Tournai« (Lithographisches Tafel-
werk mit Text 1852) entworfen hat. Daß Renard die Stockwerke nun mit einer Fülle ge-
kuppelter und Einzelbogen bereichert, daß er Ornamentmotive des Querhauses ohne weiteres
in den Giebel seiner Westfront überträgt, macht für ihn denselben Vorwurf wirksam, der
oben gegen Bruyenne erhoben wurde: nicht stilkritisch zwischen Langhaus- und Quer-
hausarchitektur unterschieden zu haben.
Alle diese Rekonstruktionsversuche des Aussehens der Westfassade im 12. Jahrhundert
sind deshalb besonders schwierig, weil bereits um das Jahr 1300 die Hauptportalfront der
Kathedrale eine durchgreifende Veränderung erfuhr: damals wurde ihrem Unterteil eine Vor-
halle vorgelegt, deren Rückwand zierliche hochgotische Dienste einteilen, um ein Architektur-
gerüst für drei Geschosse von Relieffiguren unter Kleeblattbogen zu schaffen. Der obere
Teil des Mittelschiffs wurde nun von einem einzigen dreiteiligen, breiten Spitzbogenfenster
eingenommen, das bis zu seiner Verdrängung durch Bruyennes großartigere Rose bestand.
Die Zeit der Romantik, in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, hat dann dieses
breite Spitzbogenfenster mit einem neugotischen Rahmen, starken Strebepfeilern beiderseits
und einer Art Zinnenfries als Horizontalabschluß versehen. Auch die hochgotische Vorhalle
mußte einem jüngeren Ersatz weichen, der sich durch die Unregelmäßigkeit der Breiten-
maße seiner Joche deutlich als ein Werk der absterbenden Spätgotik darstellt (unter der
Regierung des Bischofs Charles de Croy 1524—1564).
Auch der reiche Skulpturenschmuck zwischen den hochgotischen Diensten der Rückwand
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seiner Fassade noch deutliche Reste, rhythmische Bogenstellungen auf Säulenkapitellen, eines
älteren romanischen Baues des 12. Jahrhunderts aufweist. Stilistisch Älteres und Neueres
fügt sich so zur symmetrisch gebundenen Stimmungseinheit zusammen, die die leichte
Asymmetrie der in die Südostecke eingefügten bischöflichen Kapelle mit der flachgewölbten
»Fausse Porte« nur noch wirkungsvoll steigert.
2. Die Westfassade.
Wie diese Fassade (Abb. 21) sich heute dem Betrachter darstellt, so ist sie nur zu ge-
ringem Teil alt, zu noch geringerem spätromanisch — wie das hinter ihr sich erstreckende
Langhaus. Als ursprünglich erscheint der basilikale Querschnitt mit den das Hochschiff
beiderseits einfassenden runden Wendeltreppentürmchen, die mit ihren spitzkegelförmigen
Dachhelmen typisch für Tournais Kirchen des Übergangsstils, St. Nicolas und St. Quentin
(beide erbaut um 1200), werden. Ursprünglich romanisch sind auch die zwei seitlichen
Reihen von je fünf kleinen Blendbogen, durch Pfeiler getrennt, die die Stirnwand der
Seitenschiffe im ersten Stock über der Vorhallenbrüstung verkleiden. Was aber oberhalb
des dieses breite Sockelgeschoß abschließenden Gurtgesimses an architektonischer Deko-
ration folgt, die freigearbeitete Spitzbogengalerie im Giebel, die zweistöckige Säulchen- und
Bogenverblendung der runden Treppentürme und vor allem die trocken akademische, viel
zu groß geratene Rose, verdankt seine Entstehung einer durchgreifenden Erneuerung durch
J. Bruyenne von 1851, der unter Nichtachtung der Stilunterschiede Motive des jüngeren Quer-
hauses in die Architektur der älteren Westfassade hineingenommen hat.
Es ist schwer festzustellen, wie die Westfassade ursprünglich aussah: Basilikaler Quer-
schnitt, beiderseitige Treppentürme und Doppelportal sind die tatsächlichen Grundlagen, auf
denen der ideale Wiederherstellungsversuch weiterbaut, den der ehemalige Dombaumeister
Bruno Renard in seiner >:Monographie de Notre-Dame de Tournai« (Lithographisches Tafel-
werk mit Text 1852) entworfen hat. Daß Renard die Stockwerke nun mit einer Fülle ge-
kuppelter und Einzelbogen bereichert, daß er Ornamentmotive des Querhauses ohne weiteres
in den Giebel seiner Westfront überträgt, macht für ihn denselben Vorwurf wirksam, der
oben gegen Bruyenne erhoben wurde: nicht stilkritisch zwischen Langhaus- und Quer-
hausarchitektur unterschieden zu haben.
Alle diese Rekonstruktionsversuche des Aussehens der Westfassade im 12. Jahrhundert
sind deshalb besonders schwierig, weil bereits um das Jahr 1300 die Hauptportalfront der
Kathedrale eine durchgreifende Veränderung erfuhr: damals wurde ihrem Unterteil eine Vor-
halle vorgelegt, deren Rückwand zierliche hochgotische Dienste einteilen, um ein Architektur-
gerüst für drei Geschosse von Relieffiguren unter Kleeblattbogen zu schaffen. Der obere
Teil des Mittelschiffs wurde nun von einem einzigen dreiteiligen, breiten Spitzbogenfenster
eingenommen, das bis zu seiner Verdrängung durch Bruyennes großartigere Rose bestand.
Die Zeit der Romantik, in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, hat dann dieses
breite Spitzbogenfenster mit einem neugotischen Rahmen, starken Strebepfeilern beiderseits
und einer Art Zinnenfries als Horizontalabschluß versehen. Auch die hochgotische Vorhalle
mußte einem jüngeren Ersatz weichen, der sich durch die Unregelmäßigkeit der Breiten-
maße seiner Joche deutlich als ein Werk der absterbenden Spätgotik darstellt (unter der
Regierung des Bischofs Charles de Croy 1524—1564).
Auch der reiche Skulpturenschmuck zwischen den hochgotischen Diensten der Rückwand
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