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Clemen, Paul [Hrsg.]
Belgische Kunstdenkmäler (Band 1): Vom neunten bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts — München, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.43817#0198
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Abb. 130. Silberschrein von Nivelles, 1272 — 1298.


ohne sein Leben und Wirken
dieses Werk unmöglich war,
es muß daher noch als eine
Arbeit seiner Werkstatt be-
zeichnet werden.
Reiche Kleeblattrahmen in
dreifachem Wechsel aus
Friesen mit Rankenvoluten,
Emailplatten, Blattwerk und
einem Palmettenfries, der
noch die Hand des Nicolaus
von Verdun verrät, umschlie-
ßen die Gestalten des Hei-
landes und des heiligen Eleu-
therius auf den Stirnseiten
des Schreines, der Apostel
auf den Langseiten. Das
Rahmenwerk schließt sich
in starker Vertiefung den Ge-
stalten an, so kommt die
Wirkung von Hell und Dun-
kel besonders zur Geltung.
Die Gestalten sind auf Sockeln
noch besonders herausgezo-
gen. Auf den Dachseiten
schließlich sind Gestalten der
Apostel, Johannes des Täu-
fers, der Kirche und Syna-
goge in statuarischer Hal-
tung angebracht. Die Art
des Faltenwurfes erinnert
vielfach an die jüngeren Ge-

stalten des Aachener Marienschreines. Der Ausdruck der Köpfe erreicht jedoch nicht
mehr den Grad der Verinnerlichung der Gestalten des Nicolaus von Verdun. Der Meister
des Werkes legte das Hauptgewicht auf die äußere dekorative Aufmachung. So sind die
Haare perückenartig in krausen Locken hervorgearbeitet. Dieses äußerliche Prinzip einer
dekorativen Wirkung und Auflösung in viele Einzelheiten zeigt sich bis zum Bekrönungs-
kamme, der in der prickelnden Lebendigkeit seines Blattwerkes kaum noch sein Urbild,
den Palmettenfries des Verduner Meisters, erkennen läßt. Die abstrakte Ornamentik wächst
in stärker natürlich gestaltetes Blattwerk aus. Der Aufwand an künstlerischen Mitteln,
die Lostrennung der Ornamentik vom Grunde zu stärkster Licht- und Schattenwirkung
ist nicht mehr zu überbieten. Im Eleutheriusschrein ist die höchste Stufe des malerischen
Prinzips der romanischen Kunst erreicht und überschritten. Der Schrein wurde 1247 voll-
endet. Seine zahlreichen architektonischen Elemente scheinen das Wollen und Werden

einer neuen Zeit anzudeuten.

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