Abb. 327.
Der Brüsseler Meister der Josephslegende.
Darbringung Christi im Tempel.
Brüssel, Museum.
wir Einblick beim Studium der acht Tafeln
in der Brüsseler Galerie, die angeblich aus der
Abtei Afflighem stammen 1). Die Tafeln sind
anscheinend Reste von zwei Flügelaltären, zu
denen noch drei Tafeln — die Anbetung der Hir-
ten, die Darstellung im Tempel und die Kreuz-
abnahme — gehörten, jetzt verschollene Stücke.
Die Abtei Afflighem liegt bei Alost, an der Straße
von Alost nach Brüssel. Die Brüsseler Herkunft
wird wahrscheinlich durch die Inschrift: '»B.
BRUESELE« auf der Darbringung Christi im
Tempel (Abb. 327). Wir erinnern uns der be-
stimmteren Inschriftsaussage auf dem Altar in
Strengnäs — gleichfalls in der Darbringung
Christi.
Wie ich vor Jahren bemerkt habe, ist der
Autor der Altäre aus Afflighem derselbe, der
die sorgfältiger durchgebildeten Rundbilder (Abb.
328 u. 329) mit der Geschichte Josephs im Ber-
liner Kaiser-Friedrich-Museum (4) und im Pri-
vatbesitz zu Worms (2) ausgeführt hat. Ich
nenne ihn den Brüsseler Meister der Josephs-
geschichte und setze seine Wirksamkeit nach den
Kostümen in die Zeit zwischen 1490 und 1500.
Die Folge der Rundbilder soll im Besitz des
Herzogs von Croy gewesen sein.
Der Meister der Josephsfolge ist nüchterner
und anspruchsloser als Colyn de Coter. Seine
Bilder sind hell, kahl und entschieden lokalfar-
big. Seine mittelgroßen steifen, eckig bewegten
Figuren zeigen einige konstante Merkmale: Die
Augen stehen dicht beieinander, die alten Män-
ner tragen schmale weiße Langbärte, die öfters
unten dunkel werden. Die Hügel im landschaft-
lichen Grund sind weich gerundet, die Bäume
haben gerade und dünne Stämme. Der Maler
liebt sorgfältig gezeichnete Stadtbaulichkeiten
und ist pedantisch in der Zeichnung der Bro-
kate. Er umzieht die Nase, die Augen mit dun-
keln Linien und läßt den Mund in Schatten¬
grübchen enden. Seine Hände mit gleichmäßig dicken Fingern sind wenig beweglich.
Die Brüsseler Kunstübung wurde durch Hofgunst gefördert und durch die besonderen
Ansprüche einer Hofhaltung bestimmt. Zweifelhaft ist nur, seit wann. Philipp der Schöne,
') Katalog Wauters (1908), S. 215.
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