Der Stirnziegel mit Silens-Antefix aus Giardini Naxos zeigt das pausbäckige Gesicht eines Silens
mit wulstigen Lippen, platter Nase, weit aufgerissenen Augen, breit angelegten Augenbrauen
und zerfurchter Stirn. Der Mund wird von einem Vollbart aus parallel zueinander angeord-
neten Haarsträhnen gerahmt, die die untere Gesichtshälfte verhüllen und bis zum Ansatz der
spitzen Ohren reichen. Über der Oberlippe ist ein Schnauzbart zu sehen. Das Haupthaar ist
nach hinten gestrichen und besteht ebenfalls aus parallel verlaufenden Haarsträhnen. Die hohe
Stirn erhält einen fast rechteckigen Umriß durch den Kontur des Haaransatzes, der in Höhe der
äußeren Augenzwickel zwei Ecken ausbildet und sich zur Stirnmitte hin leicht nach unten
wölbt. Spuren der Bemalung vermitteln noch heute einen lebendigen Eindruck von der Farbig-
keit des Antefixes. Der Schnurrbart trug rote Farbe, die restlichen Barthaare, die Haare, Augen-
ränder und -brauen sowie die Pupillen waren schwarz wiedergegeben. An der Rückseite der
halbkreisförmigen Leiste, die die Kopfprotome des Silens rahmt, hat sich der Ansatz des Stirn-
deckziegels, auf den das Antefix appliziert ist, erhalten. Das Dachsystem, zu dem das Antefix
gehörte, kann als lakonisch bezeichnet werden.
Der Ziegel aus Giardini Naxos ist die jüngste Erwerbung unter den Architektur-Terrakotten
des Heidelberger Antikenmuseums167. Stirnziegel mit Silens-Antefixen, von denen in Naxos
mittlerweile über 80 Exemplare bekannt geworden sind, zählen zu den ersten Funden in der
griechischen Pflanzstadt überhaupt168. In ihrem grundlegendem Beitrag zu den Silens-Antefixen
aus Naxos unterscheidet P. Pelagatti drei Typen: A, B und C169. Typ A, von dem über 30 Exem-
plare bekannt sind170, zeichnet sich durch ein bärtiges, schmales und spitz zulaufendes Gesicht
mit schräggestellten Augen, großer Nase, hoch aufragenden Ohren und parallel gesträhnten
Haaren aus, die durch ein schmales Band zusammengehalten werden. Im Gegensatz zu Typ A
167 Im Juni 1997 gelangte es im Rahmen eines Antikentausches mit dem Museum von Giardini Naxos (Sizilien) nach
Heidelberg. Der Tausch geht auf eine Entdeckung Paola Pelagattis, der langjährigen Soprintendentrice in Syrakus,
zurück. Sie hatte 1990 gesehen, daß ein Anfang des 20. Jahrhunderts von F. von Duhn in Taormina erworbenes
Fragment einer Tonarula an ein weiteres Fragment anpaßte, das 1972 von einem Bauern in Giardini Naxos gefun-
den worden war. Die aus beiden Fragmenten zusammengefügte Vorderseite des Altärchens konnte 1990 erstmalig im
Rahmen einer Ausstellung in Giardini Naxos gezeigt werden (Un’arula tra Heidelberg e Naxos, Atti del seminario di
studi, Giardini Naxos 1990 [1993]; Un’arula tra Heidelberg e Naxos, Ausstellungskatalog Giardini Naxos [1990];
H. Pflug, AW 29,1998,199 f. Abb. 2-4). - Nach mehrjährigen Verhandlungen konnte 1997 die Heidelberger Hälfte
endgültig nach Giardini Naxos überführt werden. Im Gegenzug erhielt die Heidelberger Sammlung das Fragment
eines Skyphos der Thapsos-Klasse, eine ionische Schale lokaler Provenienz sowie das Antefix, das als ein heraus-
ragendes Zeugnis naxischer Koroplastik gelten kann (Pflug ebenda 199 ff. Abb. 5 [Fragment eines spätgeo-
metrischen Skyphos der Thapsos-Klasse]; 7 [ionische Schale]; 8 [Silens-Antefix]).
168 Vgl. zu Naxos s. BTCGI XII (1993) 265 ff. s.v. Naxos (P. Pelagatti); EAA 2. Suppl. 1971-1994 III (1995) 882 ff. s.v.
Naxos (M.C. Lentini); P. Pelagatti, NSc 1984/85, 264 ff. (Grabungsgeschichte); F. Cordano, NSc 1984/85, 305 ff.
(literarische Quellen); Naxos a quarant’anni dall’inizio degli scavi, Atti della tavola rotonda, Giardini Naxos 1995
(1998); M.C. Lentini, Kokalos 43-44, 1997-98, Nr. 2, 453 ff.
169 Pelagatti 79 ff. bes. 80 ff.; P. Pelagatti in: TGS 50 ff.; B.A. Barletta, Ionic Influence in Archaic Sicily. The Monu-
mental Art (1983) 27 f. Abb. 9; E. Epifanio in: Lo stile severo in Sicilia, Ausstellungskatalog Palermo (1990) 104;
Winter 279. - Zu Architektur-Terrakotten aus Naxos: T. Ciurcina, SicA 24-25, 1974, 86 ff. Abb. 4. 5; P. Pela-
gatti in: TGS 43 ff. Abb. 5. 7-11; C. Ciurcina in: TGS 66 ff. Taf. 3-12; C. Wikander, Sicilian Architectural
Terracottas. A Reappraisal (1986) 27. 40 Nr. 38-43; Winter 275 ff. 279 f.; M.C. Lentini in: DelFic II, 123 ff.
Abb. 2-11.
170 Pelagatti 82 f. Nr. 1-14 Taf. 31,1-3; 32, 1. 4; 34, 1-3; P. Pelagatti in: TGS 51 f. Anm. 44. 46; Kästner 184 f. Typ O;
M. Mertens-Horn, BdA 6. Ser. 66, 1991, 18 Abb. 13. — Neufund (1992) Giardini Naxos, Museo Archeologico
Inv. 2351: M.C. Lentini in: I Greci in Occidente, Ausstellungskatalog Venedig (1996) 639 f. Nr. 59 mit Abb.
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mit wulstigen Lippen, platter Nase, weit aufgerissenen Augen, breit angelegten Augenbrauen
und zerfurchter Stirn. Der Mund wird von einem Vollbart aus parallel zueinander angeord-
neten Haarsträhnen gerahmt, die die untere Gesichtshälfte verhüllen und bis zum Ansatz der
spitzen Ohren reichen. Über der Oberlippe ist ein Schnauzbart zu sehen. Das Haupthaar ist
nach hinten gestrichen und besteht ebenfalls aus parallel verlaufenden Haarsträhnen. Die hohe
Stirn erhält einen fast rechteckigen Umriß durch den Kontur des Haaransatzes, der in Höhe der
äußeren Augenzwickel zwei Ecken ausbildet und sich zur Stirnmitte hin leicht nach unten
wölbt. Spuren der Bemalung vermitteln noch heute einen lebendigen Eindruck von der Farbig-
keit des Antefixes. Der Schnurrbart trug rote Farbe, die restlichen Barthaare, die Haare, Augen-
ränder und -brauen sowie die Pupillen waren schwarz wiedergegeben. An der Rückseite der
halbkreisförmigen Leiste, die die Kopfprotome des Silens rahmt, hat sich der Ansatz des Stirn-
deckziegels, auf den das Antefix appliziert ist, erhalten. Das Dachsystem, zu dem das Antefix
gehörte, kann als lakonisch bezeichnet werden.
Der Ziegel aus Giardini Naxos ist die jüngste Erwerbung unter den Architektur-Terrakotten
des Heidelberger Antikenmuseums167. Stirnziegel mit Silens-Antefixen, von denen in Naxos
mittlerweile über 80 Exemplare bekannt geworden sind, zählen zu den ersten Funden in der
griechischen Pflanzstadt überhaupt168. In ihrem grundlegendem Beitrag zu den Silens-Antefixen
aus Naxos unterscheidet P. Pelagatti drei Typen: A, B und C169. Typ A, von dem über 30 Exem-
plare bekannt sind170, zeichnet sich durch ein bärtiges, schmales und spitz zulaufendes Gesicht
mit schräggestellten Augen, großer Nase, hoch aufragenden Ohren und parallel gesträhnten
Haaren aus, die durch ein schmales Band zusammengehalten werden. Im Gegensatz zu Typ A
167 Im Juni 1997 gelangte es im Rahmen eines Antikentausches mit dem Museum von Giardini Naxos (Sizilien) nach
Heidelberg. Der Tausch geht auf eine Entdeckung Paola Pelagattis, der langjährigen Soprintendentrice in Syrakus,
zurück. Sie hatte 1990 gesehen, daß ein Anfang des 20. Jahrhunderts von F. von Duhn in Taormina erworbenes
Fragment einer Tonarula an ein weiteres Fragment anpaßte, das 1972 von einem Bauern in Giardini Naxos gefun-
den worden war. Die aus beiden Fragmenten zusammengefügte Vorderseite des Altärchens konnte 1990 erstmalig im
Rahmen einer Ausstellung in Giardini Naxos gezeigt werden (Un’arula tra Heidelberg e Naxos, Atti del seminario di
studi, Giardini Naxos 1990 [1993]; Un’arula tra Heidelberg e Naxos, Ausstellungskatalog Giardini Naxos [1990];
H. Pflug, AW 29,1998,199 f. Abb. 2-4). - Nach mehrjährigen Verhandlungen konnte 1997 die Heidelberger Hälfte
endgültig nach Giardini Naxos überführt werden. Im Gegenzug erhielt die Heidelberger Sammlung das Fragment
eines Skyphos der Thapsos-Klasse, eine ionische Schale lokaler Provenienz sowie das Antefix, das als ein heraus-
ragendes Zeugnis naxischer Koroplastik gelten kann (Pflug ebenda 199 ff. Abb. 5 [Fragment eines spätgeo-
metrischen Skyphos der Thapsos-Klasse]; 7 [ionische Schale]; 8 [Silens-Antefix]).
168 Vgl. zu Naxos s. BTCGI XII (1993) 265 ff. s.v. Naxos (P. Pelagatti); EAA 2. Suppl. 1971-1994 III (1995) 882 ff. s.v.
Naxos (M.C. Lentini); P. Pelagatti, NSc 1984/85, 264 ff. (Grabungsgeschichte); F. Cordano, NSc 1984/85, 305 ff.
(literarische Quellen); Naxos a quarant’anni dall’inizio degli scavi, Atti della tavola rotonda, Giardini Naxos 1995
(1998); M.C. Lentini, Kokalos 43-44, 1997-98, Nr. 2, 453 ff.
169 Pelagatti 79 ff. bes. 80 ff.; P. Pelagatti in: TGS 50 ff.; B.A. Barletta, Ionic Influence in Archaic Sicily. The Monu-
mental Art (1983) 27 f. Abb. 9; E. Epifanio in: Lo stile severo in Sicilia, Ausstellungskatalog Palermo (1990) 104;
Winter 279. - Zu Architektur-Terrakotten aus Naxos: T. Ciurcina, SicA 24-25, 1974, 86 ff. Abb. 4. 5; P. Pela-
gatti in: TGS 43 ff. Abb. 5. 7-11; C. Ciurcina in: TGS 66 ff. Taf. 3-12; C. Wikander, Sicilian Architectural
Terracottas. A Reappraisal (1986) 27. 40 Nr. 38-43; Winter 275 ff. 279 f.; M.C. Lentini in: DelFic II, 123 ff.
Abb. 2-11.
170 Pelagatti 82 f. Nr. 1-14 Taf. 31,1-3; 32, 1. 4; 34, 1-3; P. Pelagatti in: TGS 51 f. Anm. 44. 46; Kästner 184 f. Typ O;
M. Mertens-Horn, BdA 6. Ser. 66, 1991, 18 Abb. 13. — Neufund (1992) Giardini Naxos, Museo Archeologico
Inv. 2351: M.C. Lentini in: I Greci in Occidente, Ausstellungskatalog Venedig (1996) 639 f. Nr. 59 mit Abb.
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