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Archäologisches Institut <Heidelberg> / Sammlung Antiker Kleinkunst [Editor]; Gropengiesser, Hildegund [Editor]; Dally, Ortwin [Oth.]
Katalog der Sammlung Antiker Kleinkunst des Archäologischen Instituts der Universität Heidelberg (Band 7): Die Architekturfragmente aus Terrakotta und Kalkstein — Mainz am Rhein, 2006

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29982#0103
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I. Fragmente von Wasserleitungs-Röhren aus Athen

30 Randfragment einer Tonröhre Taf. 12,3; Beil. 3,4

Inv. TK 335. Gefunden in Athen am 28.4.1906.

L 10,5 cm. B insgesamt 15,7 cm. - Wandstärke: Dm 0,9-l,8 cm. - Ergänzter Rand: Dm 25,6 cm (außen).

22,0 cm (innen), - Rohr: Dm 22,2-22,6 cm.

Ton: beige, hart gebrannt (HUE 7.5YR 7/6).

Oberfläche stellenweise versintert. Auf der Innenseite bis 0,7 cm vor dem Rand blaßrote Farbreste, teilweise

abgeplatzt, im Randbereich vorne schwarze Farbreste, Profil schwarz, anschließender Rand unbemalt.

Lit.: unpubliziert.

Auf der Rückseite des Randfragments einer qualitätvollen Tonröhre ist ein Zettelchen geklebt
mit der Aufschrift „Pisistratus Leitung 28.IV.1906. Athen". Tatsächlich kann das Fragment
TK 335 als Relikt des antiken Wasserleitungsnetzes von Athen bezeichnet werden432.

Da die antiken und speziell die attischen Bezeichnungen für die einzelnen Bestandteile der
Wasserleitungsrohre nicht bekannt sind, folge ich bei der Beschreibung des Fragments der von
R. Tölle-Kastenbein verwendeten modernen Terminologie433. Die Leitungen bestanden aus ein-
zelnen Röhren, die ineinander geschoben wurden (Abb. 12). Ihr Durchmesser verjüngt sich
leicht in Fließrichtung des Wassers. Zur Verbindung der Röhren wurden verschiedene Tech-
niken angewendet: Zum einen konnte ein Zwischenstück in Form eines Hohlzylinders (eine
sog. Muffe) benutzt werden, zum anderen wurden - wie im Falle der Athener Wasserleitung -
die Rohrenden mit Profilen abgeschlossen, mittels derer sich die Verbindung zweier Rohr-
stücke bewerkstelligen ließ. Als Hals wird das in Fließ-, d.h. Gefällerichtung verlaufende
untere Ende der Röhre bezeichnet. Es konnte mit einer Manschette versehen sein, in die bei
archaischen und klassischen Röhren häufig noch eine Hohlkehle (Nut) eingetieft war. Am ent-
gegengesetzten Ende des Rohres, dem sog. Kragen, konnte ebenfalls eine Manschette aufsitzen,
an deren Ende ein Ring vorstand, die sog. Feder. Diese verband die Röhre mit der Nut der fol-
genden. Zusätzlich wurden die Fugen der Manschetten innen und außen abgedichtet. In Athen
hat man gebrannten Kalk, der mit Olivenöl angerührt wurde, benutzt434.

Die Funktion der Öffnungen in den Wänden der Tonröhren, die mit Deckeln verschlosssen
wurden, ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist, daß durch sie eine Reinigung der Röhren
erfolgte. Man muß wohl eher annehmen, daß sie zur Entlüftung dienten oder das Abdich-
ten der Muffe von innen ermöglichen sollten435. Verlegt wurden die Röhren im sog. Stollen-

432 Vgl. dazu E. Ziller, AM 2, 1877, 107 ff.; F. Gräber, AM 30, 1905, 1 ff.; W. Judeich, Topographie von Athen, HdA
III.2.2 (1931) 189 ff. bes. 193 ff.; M. Lang, Waterworks in the Athenian Agora (1968) 11 ff.; U. Knigge, AA 1972,
605 ff.; H.J. Kienast in: Die Wasserversorgung antiker Städte. Geschichte der Wasserversorgung 2 (1987) 167 ff.;
R. Tölle-Kastenbein, Jdl 101, 1986, 55 ff.; Tölle-Kastenbein passim; M.P.J. Dillon, Hermes 124, 1996, 192 ff.;
H.R. Goette - J. Hammerstaedt, Das antike Athen. Ein literarischer Führer (2004) 99 ff.

433 R. Tölle-Kastenbein, Antike Wasserkultur (1990) 84 ff. Abb. 56; Tölle-Kastenbein 46 f. Abb. 57.

434 R. Tölle-Kastenbein, Antike Wasserkultur (1990) 86; H.J. Kienast, Samos XIX. Die Wasserleitung des Eupalinos
auf Samos (1995) 105 f. Anm. 191 (Kalkmörtel als Dichtungsmittel). Es waren auch Abdichtungen mit Blei mög-
lich: Tölle-Kastenbein 55 Nr. 20 (Leitung vom Pnyx-Arm in Athen).

435 Zur Diskussion um die Bedeutung der Öffnungen s. R. Tölle-Kastenbein, AA 1991, 25 ff.; Tölle-Kastenbein 71 f.
(Abdichten); Kienast a.O. 106 Anm. 192 (Abdichten).

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