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Bömer, Aloys [Editor]; Degering, Hermann [Honoree]
Mittelalterliche Handschriften: palaeographische, kunsthistorische, literarische und bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen ; Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering ; mit 1 Farbentaf. und 16 Taf. in Lichtdr. — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.44802#0030

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ALBERT BOECKLER

Die Kölner Buchmalerei des 12. Jahrhunderts bedeutet einen völligen Bruch mit
der Tradition des 11. Der neue Stil kündigt sich, wie Ehl hervorhebt, schon im Lys-
kirchener Evangeliar an, ausgebildet und rein zeigen ihn erst zwei Evangeliare in
Darmstadt, das eine (Taf. 2, Abb. 1) im Museum (Nr. 508), das andere in der Landes-
bibliothek (Nr. 530). Beide stammen aus München-Gladbach, beide enthalten Kanon-
tafeln, die Majestas domini, die vier Evangelisten, Zierseiten mit Initialen und
etliche kleine Zierbuchstaben, 530 außerdem das kleine Brustbild eines Stifters oder
Schreibers und 508 eine Darstellung des heiligen Gregor.
Die Verwandtschaft dieser beiden Evangeliare ist so eng, daß man Entstehung
im gleichen Atelier annahm und das Verhältnis als das von Original und Kopie
gefaßt hat, und zwar wird 530 als Original hingestellt, hauptsächlich wohl deswegen,
weil in 508 nur die Majestas ausgeführt ist, die Evangelisten dagegen die beabsich-
tigte Bemalung bloß in kleinen Teilen erhalten haben und auch sonst einiges un-
vollendet geblieben ist. Die Qualität von 530 ist aber soviel geringer, daß höchstens
eine Umkehrung des Verhältnisses möglich wäre. Aber auch diese Erklärung befriedigt
nicht, denn die Bilder von 530 lassen sich aus denen von 508 allein nicht ableiten. Ein
Kopist von den geringen Fähigkeiten wie der von 530 könnte aus den unvollkommenen
Andeutungen in 508 nicht das Rahmenmuster des Lukas entwickelt haben, das dem
auf fol. 111 des Kölner Pantaleon-Evangeliars (s. u.) auch in der bei 508 fehlenden
Innenzeichnung ganz entspricht. Andere Rahmenornamente von 530 kommen in
508 überhaupt nicht vor, und auch die Technik ist der des Pantaleon-Evangeliars
einen Grad verwandter als der von 508. Vor allem aber ist der Majestas-Christus deut-
lich abweichend, schlanker, der Bogen, auf den er die Füße stellt, ist durch einen
Schemel ersetzt, das Mantelstück auf der rechten Schulter ist anders, das Buch
geschlossen u. a. m.1). Daß es sich dabei nicht um selbständige Abänderungen des
Kopisten, sondern um einen anderen Typus handelt, zeigt die Wiederkehr auf dem
Sponheimer Blatt in St. Paul in Kärnten (s. u.), wo auch die Symbole von Markus
und Lukas entsprechender sind als in 508. Man kommt so dazu, entweder für die
beiden München-Gladbacher Evangeliare ein gemeinsames Vorbild und außerdem
eine Vorlage für die Majestas in 530 anzunehmen oder zu vermuten, daß für 530
außer 508 noch eine Vorlage vorhanden war, die dem Pantaleon-Evangeliar in
manchen Punkten näher stand als 508.
Es gibt gesicherte Kölner Werke, die zu diesen beiden Handschriften gehören: die
unter der Kristallplatte des Eilbertus-Schreines im Welfen-Museum in Wien be-
findliche und dadurch mit Bestimmtheit in Köln zu lokalisierende Miniatur der
Majestas domini (Abb. bei Falke-Frauberger „Deutsche Schmelzarbeiten d. Ma.“,
Tafel 17) und das bei Ehl und Clemen reproduzierte Bild des unter Erzbischof
Friedrich von Köln hergestellten Lektionars (fol. 59 der Kölner Dombibliothek),
x) Das Stabkreuz in der Linken des Christus von 530 kommt nur noch auf dem ehemals zugehörigen
Elfenbein (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen III, Nr. 12) vor, und nach der ungeschickten Art, wie es auf
der Miniatur in die das Buch haltende Hand hineingeschoben ist, scheint es nicht ausgeschlossen, daß das
Motiv nach dem Elfenbein kopiert wurde.
 
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