110
ALBERT FREITAG
tät (Stück 2, erster Teil) und Schrecken und Abscheu vor hussitischer Ketzerei
(Stück 3, 4 und 9, Anmerkungen) erfüllten auch ihn - er würde Huß haben ver-
brennen helfen1).
3. Lut hers Überleg enheit gegenüber den Verfassern der
Stücke des Bandes.
Ich habe mit Absicht die Aufmerksamkeit auf die in den Stücken angeführten
Bibelstellen gelenkt. Sie finden sich in nennenswertem Umfang nur in den Stücken
4, 9 und 11. Ihre Anwendung in 4 und 9 erfolgt lediglich zu dem gerade vorliegen-
den Zweck: zur persönlichen Verteidigung und zu apokalyptischen Nachweisen.
Am ehesten noch tritt Stück 11 hervor: es betont die Gemeinschaft mit dem
Evangelium und zitiert die Bibel ohne Gewaltsamkeit und Aufdringlichkeit.
In Luther sehen wir eben in jenen noch ganz mönchischen und scholastischen
Jahren den Geist der hl. Schrift sich aufwärts ringen. In den Randbemerkungen
zu Augustin und Petrus Lombardus, 1509-1512, notiert er sorgsam jede Bibel-
stelle, trägt viele herzu, um dem Verständnis des Hebräischen nahe zu kommen,
belegt durch sie schon seine eigene religiöse Auffassung des Glaubens. 1512 und
1515 verfaßt er, aus ähnlichem Anlaß wie ehedem Brulefer, zwei Reden mit 30
bzw. 50 Anführungen aus der Bibel, die für seine scharfen Anforderungen an das
Leben der Geistlichen und Mönche den festen Unterbau bilden. Am stärksten
tritt der gewaltige Unterschied zwischen Luthers grundsätzlicher Betonung der
Bibel und den gelegentlichen Zitaten anderer aus ihr in dem Satze schon jener
frühen Jahre hervor: Ego autem, licet multiinclyti doctores sic (d. h. ohne Schrift-
beweis anders) sentiant, tarnen, quia non habent pro se scripturam, sed solum
humanas rationes et ego in ista opinione habeo scripturam, . . ideo dico cum
Apostolo: „Si Angelus de celo“, i. e. doctor in ecclesia, „aliud docuerit, anathema
sit“ (Gal. 1, 8).2) -
So ist dieser Handschriftenband aus Luthers Klosterbibliothek in Gleichrichtung
wie Gegensatz zu dem werdenden Reformator für die Forschung bedeutungsvoll.
x) Weim. Ausg. Bd. 40 I, 138, 1.
3) Z. B. Weim. Ausg. Bd. 9, 54; 63; 89; 32; 18 Z.13f.; 91; Bd. 1, 10 ff.; 44ff.; Bd. 9, 46, 16.
ALBERT FREITAG
tät (Stück 2, erster Teil) und Schrecken und Abscheu vor hussitischer Ketzerei
(Stück 3, 4 und 9, Anmerkungen) erfüllten auch ihn - er würde Huß haben ver-
brennen helfen1).
3. Lut hers Überleg enheit gegenüber den Verfassern der
Stücke des Bandes.
Ich habe mit Absicht die Aufmerksamkeit auf die in den Stücken angeführten
Bibelstellen gelenkt. Sie finden sich in nennenswertem Umfang nur in den Stücken
4, 9 und 11. Ihre Anwendung in 4 und 9 erfolgt lediglich zu dem gerade vorliegen-
den Zweck: zur persönlichen Verteidigung und zu apokalyptischen Nachweisen.
Am ehesten noch tritt Stück 11 hervor: es betont die Gemeinschaft mit dem
Evangelium und zitiert die Bibel ohne Gewaltsamkeit und Aufdringlichkeit.
In Luther sehen wir eben in jenen noch ganz mönchischen und scholastischen
Jahren den Geist der hl. Schrift sich aufwärts ringen. In den Randbemerkungen
zu Augustin und Petrus Lombardus, 1509-1512, notiert er sorgsam jede Bibel-
stelle, trägt viele herzu, um dem Verständnis des Hebräischen nahe zu kommen,
belegt durch sie schon seine eigene religiöse Auffassung des Glaubens. 1512 und
1515 verfaßt er, aus ähnlichem Anlaß wie ehedem Brulefer, zwei Reden mit 30
bzw. 50 Anführungen aus der Bibel, die für seine scharfen Anforderungen an das
Leben der Geistlichen und Mönche den festen Unterbau bilden. Am stärksten
tritt der gewaltige Unterschied zwischen Luthers grundsätzlicher Betonung der
Bibel und den gelegentlichen Zitaten anderer aus ihr in dem Satze schon jener
frühen Jahre hervor: Ego autem, licet multiinclyti doctores sic (d. h. ohne Schrift-
beweis anders) sentiant, tarnen, quia non habent pro se scripturam, sed solum
humanas rationes et ego in ista opinione habeo scripturam, . . ideo dico cum
Apostolo: „Si Angelus de celo“, i. e. doctor in ecclesia, „aliud docuerit, anathema
sit“ (Gal. 1, 8).2) -
So ist dieser Handschriftenband aus Luthers Klosterbibliothek in Gleichrichtung
wie Gegensatz zu dem werdenden Reformator für die Forschung bedeutungsvoll.
x) Weim. Ausg. Bd. 40 I, 138, 1.
3) Z. B. Weim. Ausg. Bd. 9, 54; 63; 89; 32; 18 Z.13f.; 91; Bd. 1, 10 ff.; 44ff.; Bd. 9, 46, 16.